Zwischenzeugnis: Diese Noten geben die Fraktionen im Landtag

Stand: 24.06.2023 08:09 Uhr

Das erste Halbjahr dieser Legislaturperiode ist um. Zeit für ein Zwischenzeugnis für die Landesregierung. Der NDR wollte wissen, welche Noten die Parteien der Arbeit der Landesregierung geben.

von Benedikt Bathe und Sophie Mühlmann

Für die Schülerinnen und Schüler gibt es vor den Ferien die Zeugnisse - und auch den Parteien im Landtag bleibt die Beurteilung nicht erspart. Wie fallen die Noten für die Landesregierung von Klassensprecher Stephan Weil (SPD) aus? Der NDR in Niedersachsen hat die Parlamentarischen Geschäftsführer der Fraktionen gebeten, ein Zeugnis zu formulieren: Wie blicken die Klassenkameraden aufeinander?

Carina Hermann (CDU), Klaus Wichmann (AfD), Wiard Siebels (SPD), Volker Bajus (Grüne) in einer Bildkombo. © picture alliance / Holger Hollemann/dpa | Carina Hermann |  picture alliance/dpa | Julian Stratenschulte  | picture alliance/dpa | Moritz Frankenberg
Sie geben sich gegenseitig Noten, die Parlamentarischen Geschäftsführer der Landtagsfraktionen: Klaus Wichmann (AfD), Carina Hermann (CDU), Wiard Siebels (SPD) und Volker Bajus (Grüne, v.li.).
Noten in drei Fächern

Der Lehrplan der rot-grünen Regierungskoalition ist voll. Im Koalitionsvertrag setzen sich die Parteien auf 124 Seiten allerhand Lernziele für ihre Zeit auf der Schulbank. Was davon ist abgearbeitet? Immerhin: Zwei Nachtragshaushalte sind verabschiedet, außerdem Gesetzesentwürfe zu Zirkustieren, zum Gendern und zur Katzenkastration. Doch reicht das, um die Versetzung zu bestehen - oder gar Klassenprimus zu werden? Unsere Fächer:

  • Lernziele
  • Betragen
  • Fleiß

Lernziele: Was hat Rot-Grün erreicht?

Das Arbeitstempo von Rot-Grün sei zu langsam, findet Carina Hermann (CDU). "Viel wird geredet, viel wird geschwätzt", bemängelt sie - passiert sei wenig. Bei der Mitarbeit von Weil und seiner Clique fehle es an Kreativität und Engagement.

Für Klaus Wichmann (AfD) fangen die Probleme schon bei dem Lehrplan an, den sich SPD und Grüne gesetzt haben. Wahlversprechen wie die Gehaltserhöhung für Grundschullehrer seien auf fernste Zukunft verschoben worden, auch bei der Wolfspolitik sei kein Konzept erkennbar.

Die Regierungsfraktionen halten dagegen. Die Zulage für Polizisten habe man erhöht, die Ausbildung bei den Gesundheitsfachberufen gebühren- und kostenfrei gemacht, sagt Wiard Siebels (SPD). Die Regierung befinde sich in gutem Fahrwasser.

Dass der Start nicht optimal lief, räumt Volker Bajus (Grüne) ein. Das liege aber an den Umständen: Ukraine-Krieg, Energiekrise und Inflation. "Das war zu Beginn des Schuljahrs nicht so zu erwarten", sagt Bajus.

Betragen: Wie gehen die Fraktionen miteinander um?

Die Arbeitsatmosphäre im Klassenverband des Landtags nehmen die Fraktionen unterschiedlich wahr. SPD und Grüne sprechen von einem guten Miteinander - mit der CDU. "Ich erlebe die CDU tatsächlich als faire Verliererin in diesem Zusammenhang", sagt Siebels (SPD).

Die Christdemokraten wiederum sehen Schwächen im Sozialverhalten der Regierungsfraktionen. "Oft leiden die Mitglieder der Landesregierung an Selbstüberschätzung und auch Realitätsverlust", kritisiert Hermann (CDU). Als Beispiel nennt sie einen CDU-Entwurf zu Förderschulen, den Rot-Grün vorschnell abgelehnt habe.

Bajus (Grüne) lobt die Zusammenarbeit mit den Christdemokraten. Sein Urteil über die AfD fällt anders aus: Die Partei verachte die demokratischen Institutionen, so Bajus, und verhalte sich auch so im Parlament. Auch CDU und SPD geben der AfD schlechte Zensuren für ihr Betragen.

AfD-Politiker Wichmann stört sich an den Umgangsformen der Grünen: "Man begrüßt sich in Deutschland normalerweise mit einer Formel, zum Beispiel 'Meine sehr verehrten Damen und Herren' oder Ähnliches. Bei den Grünen wird man begrüßt mit 'Liebe alle'." Eine "Mischung aus Unhöflichkeit und Wahnsinn" sei das. Doch es gebe zarte Ansätze, miteinander ins Gespräch zu kommen.

Fleiß: Wie viele Fehlstunden hatte die Landesregierung?

Die Fehlzeiten seien nicht das Problem, meint Wichmann (AfD). "Die Frage ist, was sie mit der Zeit machen, in der sie da sind." Das Regierungshandeln erinnere an das eines müden Vereinsvorstandes. Der beste Nachtragshaushalt helfe nichts, wenn kein Geld bei den Menschen ankomme.

Hermann (CDU) hält die Landesregierung gar für versetzungsgefährdet: "Jetzt ist schon fast ein Viertel der Legislatur vorbei, und wir haben bislang wenig in den Sitzungen des Landtags von Rot-Grün präsentiert bekommen." Die Vorgängerkoalition aus SPD und CDU habe in der Zeit doppelt so viele Gesetzesvorhaben geschafft.

Ein Blick in das Klassenbuch des Landtags zeigt: 15 Gesetze hat Rot-Grün im ersten Halbjahr auf den Weg gebracht - tatsächlich sind das neun Gesetze weniger als im gleichen Zeitraum der vorhergehenden Wahlperiode. In dieser Plenarwoche hat sich die Regierungskoalition dann ins Zeug gelegt und zwölf Gesetze auf den Weg gebracht.

Gesamtnote: Wo sich die Geister scheiden

Schülerinnen und Schüler kennen das: Die Bewertung der eigenen Leistung ist ein Drahtseilakt. Stapelt man zu tief, riskiert man die schlechtere Note. Wer zu optimistisch ist, kann sich aber blamieren. Volker Bajus (Grüne) entscheidet sich dennoch für letzteres. Er gibt der Regierung insgesamt eine Eins, "allerdings mit einem kleinen Minus". In Krisenzeiten habe Rot-Grün viel auf die Beine gestellt, bei den Themen Klimaschutz und Verkehrswende gebe es jedoch Hausaufgaben.

Statt mit einer Sechs, urteilt Klaus Wichmann (AfD) nur: "Sie haben teilgenommen." Der Weg zu einer befriedigenden Leistung sei noch sehr weit.

Hart ins Gericht mit Rot-Grün geht auch Carina Hermann (CDU): Die Landesregierung sei eine Problemklasse, die häufig nicht am Unterricht teilnehme. Sie vergibt eine Vier minus. "Aber nur, weil es das erste Schuljahr ist und wir bei Erstklässlern nachsichtig sind."

SPD-Mann Siebels schreibt der Landesregierung "eine richtig gute Zwei plus" auf ihr Zeugnis. Fleißig sei sie gewesen, die Ergebnisse könnten sich sehen lassen.

Sitzen bleiben muss keiner

Nimmt man die mündlichen Beurteilungen zusammen, stünde unten auf dem Zeugnis der Landesregierung wohl als Notendurchschnitt "Befriedigend". Doch sitzen bleiben muss keiner: Die Versetzung ins nächste Halbjahr schreibt schon die Landesverfassung vor. Nach den Sommerferien geht es weiter in dieser bunten Klasse namens "Landtag".

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