Nord-Stream-Lecks: Schweden sichert Beweismaterial - Sabotage-Verdacht erhärtet
Schwedische Behörden gehen nach ersten Untersuchungen an den Lecks der Nord-Stream-Pipelines in der Ostsee davon aus, dass diese durch Detonationen mit Sabotage-Absicht durchgeführt wurden. An den Lecks wurde laut Ermittlern Beweismaterial gesichert. Dieses wird nun genauer untersucht.
Die Untersuchungen hätten ergeben, dass "es nahe Nord Stream 1 und 2 in der schwedischen Wirtschaftszone Detonationen gegeben hat, die zu großen Schäden an den Gaspipelines geführt haben", erklärte Staatsanwalt Mats Ljungqvist am Donnerstag. "Die Untersuchungen am Tatort haben den Verdacht auf schwere Sabotage erhärtet", so Ljungqvist weiter. Am Tatort sei Beweismaterial entnommen würden. Dieses werde nun untersucht. Die schwedische Küstenwache hatte am Montag das Gebiet um die Lecks in der schwedischen Zone für eine Inspektion des Tatorts in einem Radius von fünf Seemeilen (9,26 Kilometern) abgeriegelt. Die Sperrungen seien mittlerweile aufgehoben worden, hieß es am Donnerstag.
Multinationale Taskforce ermittelt
Eine von der Polizei geführte Taskforce mit Mitgliedern aus Dänemark, Schweden und Deutschland leite derzeit die Ermittlungen, sagte der dänische Außenminister Jeppe Kofod am Donnerstag. Sein Ministerium habe die russische Seite nicht aufgefordert, sich aus den Ermittlungen herauszuhalten. Russland hatte am Mittwoch eine solche Mitbeteiligung an der Aufklärung der Lecks gefordert. Die Regierung in Moskau werde auf eine "umfassende und offene Untersuchen bestehen", sagte eine Sprecherin des russischen Außenministeriums am Donnerstag. Dazu müssten russische Beamte sowie Gazprom miteinbezogen werden.
Betreiber lässt Gas aus intakter Nord-Stream-2-Röhre ab
Unterdessen lässt der Betreiber der Pipeline Nord Stream 2 einen Teil des Gases ab, das noch in der intakten Röhre enthalten ist. Nach Angaben der Nord Stream 2 AG ist das Absenken des Drucks in dem unbeschädigten Strang der Pipeline Nord Stream 2 eine Vorsichtsmaßnahme, wie es am Donnerstag hieß. Seit der mutmaßlichen Sabotage an insgesamt drei Röhren von Nord Stream 1 und 2 sei der für den Betrieb notwendige Druck in der intakten Leitung von 105 Bar beibehalten worden, heißt es. Bereits am Dienstag habe das Unternehmen dann damit begonnen, das Gas aus der unbeschädigten Röhre abzulassen.
"Das ist ja keine Cola-Dose"
Dieser Vorgang werde ungefähr acht Tage dauern, hieß es weiter. Wie hoch der Druck künftig sein soll, teilte Nord Stream nicht mit. Die Sicherheit der Gasleitung werde durch den verminderten Druck demnach nicht gefährdet: "Das ist ja keine Cola-Dose", so der Sprecher. Das zurückgepumpte Gas soll nun in das Erdgasnetz im Großraum von St. Petersburg eingespeist werden.
Forscher: Weniger Methan ausgetreten als befürchtet
Die durch die Lecks ausgetretene Menge des klimaschädlichen Gases Methan ist nach Angaben französischer Forscher geringer als ursprünglich vermutet. Die Wissenschaftler der französischen Kommission für Atomenergie und alternative Energien (CEA) gehen gestützt auf Daten europäischer Überwachungsstationen von 70.000 Tonnen freigesetztem Methan aus, andere Schätzungen wären mit bis zu 300.000 Tonnen auf ein Vielfaches dieser Menge gekommen. Wissenschaftler hatten sich besorgt über die Klima- und Umweltauswirkungen durch die Lecks geäußert.
Gausaustritt mittlerweile nahezu versiegt
In der vergangenen Woche waren insgesamt vier Lecks an den Pipelines Nord Stream 1 und 2 entdeckt worden, die von Russland durch die Ostsee nach Deutschland führen. Alle Lecks befinden sich nahe der dänischen Insel Bornholm, zwei davon in der Wirtschaftszone Dänemarks und die beiden anderen in der Wirtschaftszone Schwedens. Die Leitungen sind zwar nicht in Betrieb, waren aber aus technischen Gründen mit Gas gefüllt. Mittlerweile ist der Gasaustritt weitgehend versiegt. Nach Angaben der schwedischen Küstenwache vom Donnerstag gibt es noch eine Ausströmstelle an der Wasseroberfläche mit einem Durchmesser von rund 15 Metern.
Russland bietet Gaslieferung durch Nord Stream 2 an
Einem dänisch-schwedischen Bericht für den UN-Sicherheitsrat zufolge waren die Lecks von Unterwasser-Explosionen mit einer Sprengkraft wie "hunderte Kilo" Sprengstoff verursacht worden. Sowohl der Westen als auch Russland erhoben die Anschuldigung, es handle sich um Sabotage. Der russische Präsident Wladimir Putin warf dem Westen vor, hinter den Explosionen zu stecken. Unterdessen betonte der russische Vizeregierungschef Alexander Nowak, Moskau könne "in kürzester Zeit" durch den unbeschädigten Teil von Nord Stream 2 Gas liefern. Dazu müssten die Europäer "die notwendigen rechtlichen Entscheidungen über die Zertifizierung und die Aufhebung der Beschränkungen" für diese Pipeline treffen, sagte Nowak am Mittwoch im Staatsfernsehen. Die Bundesnetzagentur hatte bereits erklärt, dass dies nicht zur Debatte stehe.
Unbefugte Drohnenflüge über Gasfeldern und Bohrtürmen in der Nordsee
Unmittelbar nach der mutmaßlichen Sabotage an den Ostseepipelines waren laut dänischen und norwegischen Behörden mehrfach unbefugte Drohnenflüge in der Nähe von Erdgasfeldern und Bohrtürmen in der Nordsee gemeldet worden - teils rund 200 Kilometer vom Festland entfernt. Ob es einen Zusammenhang gibt zwischen den Drohnenflügen und den mutmaßlichen Sabotage-Akten gegen die Nord-Stream-Pipelines ist allerdings noch unklar. Die Polizei hat Ermittlungen aufgenommen. Die Drohnenflüge könnten möglicherweise Spionageaktivitäten dienen als auch Sabotage-Akten, hieß es. Norwegens Regierung hatte angekündigt, den Schutz der Öl- und Gasinfrastruktur auf dem norwegischen Festlandsockel zu verstärken.
