Nord Stream 2: Kritik an Drohbrief von US-Senatoren
Im Streit um die Ostsee-Pipeline Nord Stream 2 haben US-Senatoren dem Fährhafen Sassnitz-Mukran auf Rügen mit wirtschaftlich "vernichtenden" Sanktionen gedroht. In einem Brief verwiesen die republikanischen Senatoren Ted Cruz, Tom Cotton und Ron Johnson auf die Hilfe für die Verlegung von Pipeline-Rohren sowie die Beherbergung russischer Schiffe und schrieben von schwerwiegenden Maßnahmen, die den Hafen "kommerziell und finanziell abschneiden" würden von den USA. Sassnitz und der mit der Stadt verbundene Hafen Mukran müssten ihre Hilfe für das von US-Präsident Donald Trump kritisierte Projekt einstellen. In der deutschen Politik stieß der Brief auf viel Kritik.
Drohungen richten sich gegen Hafenmitarbeiter
Als rechtliche Grundlage zitierten die drei Senatoren bestehende US-Sanktionsgesetze zu Nord Stream 2. Die angedrohten Sanktionen richten sich gegen den Vorstand, die Mitarbeiter und die Anteilseigner des Hafens Sassnitz-Mukran. Sie dürften gegebenenfalls nicht mehr in die USA einreisen, Eigentum in den USA werde eingefroren, heißt es weiter. Die Sanktionen sollen greifen, sobald sich die Mitarbeiter aus Sassnitz in irgendeiner Weise an der Fertigstellung des Ostsee-Pipeline beteiligen.
Schwesig: Drohungen inakzeptabel
Auch amerikanische Staatsbürger und Firmen dürfen nicht mehr mit dem Hafen auf Rügen zusammenarbeiten. Die US-Regierung will den Bau der fast fertigen Pipeline mit allen Mitteln verhindern. Präsident Trump hatte Ende vergangenen Jahres erste Strafmaßnahmen gegen bestimmte Unternehmen verhängt. Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) kritisierte die Drohungen der US-Senatoren: "Diese Drohungen sind absolut inakzeptabel. Deutschland kann selbst entscheiden, woher und auf welchem Weg es seine Energie bezieht", sagte Schwesig dem "Tagesspiegel". Mecklenburg-Vorpommern halte am Bau der Pipeline fest. "Ich erwarte auch von der Bundesregierung, dass sie diesen Erpressungsversuchen entschieden entgegen tritt", so Schwesig.
Pegel: "Unverfrorene Wildwestmanieren"
"Dieser Drohbrief geht gar nicht!", erklärte MV-Energieminister Christian Pegel (SPD). Die USA mischten sich in einer Weise in zentrale europäische Infrastrukturfragen ein, die sie ihrerseits als Einmischung niemals akzeptieren würden. Pegel sprach von "unverfrorenen Wildwestmethoden", eine "neue, erschreckende Eskalationsstufe" sei erreicht. Pegel erwartet spürbare Gegenmaßnahmen der Bundesregiewrung: "Da muss - bei allem Respekt für diplomatische Gepflogenheiten - jetzt mit den transatlantischen Gesprächspartnern Klartext geredet werden."
Auswärtiges Amt hält Schreiben für "völlig unangebracht"
Auch das Auswärtige Amt in Berlin reagierte mit scharfer Kritik. Das Vorgehen sei "völlig unangebracht", sagte Staatsminister Niels Annen (SPD) dem "Handelsblatt". "Die US-Politik der extraterritorialen Sanktionen gegen enge Partner und Verbündete ist ein schwerwiegender Eingriff in unsere nationale Souveränität", so Annen weiter. "Tonfall und Inhalt der jüngst von Senatoren verschickten Drohbriefe an deutsche Unternehmen sind völlig unangebracht." Die Bundesregierung habe den USA klargemacht, "dass wir uns gegen die Ausübung von Druck auf unsere Unternehmen verwehren". Deutschland werde die EU-Ratspräsidentschaft nutzen, um "die europäische Souveränität zu stärken und Instrumente wie die Blocking-Verordnung weiterzuentwickeln". Europa dürfe sich nicht erpressbar machen.
Landrat ruft zu Widerstand auf
Der Vorsitzende des Bundestags-Wirtschaftsausschusses, Klaus Ernst, betonte: "Dieses Schreiben ist an Dreistigkeit nicht mehr zu überbieten." Der Linke-Politiker forderte die Bundesregierung auf, den US-Botschafter einzubestellen. Der Landrat des Kreises Vorpommern-Rügens, Stefan Kerth (SPD), rief unterdessen dazu auf, sich dem Druck nicht zu beugen. Es sei legitim und richtig, dass Deutschland daran arbeite, in keiner einseitigen Abhängigkeit von Energielieferanten zu stehen, so der Landrat. Der Bürgermeister von Sassnitz, Frank Kracht (Linke), zeigte sich empört über den Brief. Darin seien nicht mehr nur wirtschaftliche, sondern auch persönliche Angriffe zu lesen, sagte er gegenüber NDR 1 Radio MV.
Russische Schiffe sollen Pipeline vollenden
Im Hafen Mukran auf der Insel Rügen lagern die für die Fertigstellung der Ostsee-Pipeline benötigten Stahlrohre. Sie sind vor Jahren in einer Fabrik in Mukran mit Beton ummantelt worden. Die Fabrik hat ihre Arbeit mittlerweile eingestellt. Zwei russische Schiffe, die bereits im Hafen Mukran liegen, sollen die Pipeline vollenden. Zudem liegt dort ein Wohnschiff für rund 140 Arbeiter. Der Hafen liegt im Wahlkreis von Kanzlerin Angela Merkel (CDU).
