Fischsterben: Rund 100 Tonnen Fisch verendet (15. August)
Tausende tote Fische treiben seit Tagen in der Oder. In Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern und Polen wird weiterhin über die Ursache der Umweltkatastrophe gerätselt. In diesem Liveticker finden Sie alle aktuellen Meldungen.
Der Deutsche Angelfischer- und der Deutsche Fischerei-Verband haben die deutschen Behörden im Zusammenhang mit dem massenhaften Fischsterben in der Oder kritisiert. "Von außen wirkte die Aktivität der deutschen Behörden nicht wie ein souveränes Krisenmanagement", hieß es in einer Mitteilung. Offensichtlich verfüge das zuständige Umweltministerium nicht über konkrete Ablaufpläne oder hinreichend kompetentes Personal, um mit solchen Situationen umzugehen. Man hätte sich eine schnellere, flexiblere und großflächigere Probenentnahme gewünscht, sagte Claus Ubl vom Deutschen Fischerei-Verband. Damit hätte man eine bessere Vorstellung von der durchlaufenden Welle bekommen. Die Oder sei trotz allem keinesfalls fischfrei geworden. Es gebe Sichtungen von Fischbrut und überlebenden Tieren. Wieder angesiedelte Störe seien gerettet worden.
Umweltexperte: 100 Tonnen Fisch verendet
Der Gewässerexperte des Umweltschutzverbandes BUND, Sascha Maier, schätzt die Menge der in den vergangenen Tagen in der Oder verendeten Fische auf bis zu 100 Tonnen. Das sei eine Hochrechnung auf Grundlage der Meldungen über einzelne Sammelaktionen, sagte Maier am Montag. Die Umweltkatastrophe betreffe die Oder auf etwa 500 Kilometer Länge.
Landrat Sack: Landkreis Vorpommern-Greifswald vorbereitet
Der Landkreis Vorpommern-Greifswald sei bislang vom Artensterben in der Oder nicht betroffen, sagte Landrat Michael Sack (CDU) in Ueckermünde. An der Ostseeküste auf Usedom herrschten "beste Badebedingungen", so Sack. Sollte es allerdings notwendig werden, sei der Landkreis vorbereitet. Man stehe mit der Landesregierung in Schwerin und den derzeit betroffenen Regionen in Brandenburg und Polen in ständigem Austausch.
Fischsterben "Super-GAU für die Oder"
In Gartz im Norden Brandenburgs (Uckermark), sind die von Mecklenburg-Vorpommerns Umweltminister Till Backhaus (SPD) angekündigten Ölsperren bereits installiert. Sie sollen verhindern, dass toter Fisch aus der Oder in das Stettiner Haff oder in die Ostsee gelangt. Beim Einrichten der Sperren half neben der Feuerwehr Gartz auch die Freiwillige Feuerwehr Penkun (Vorpommern-Greifswald). Der stellvertretende Leiter des Nationalparks Unteres Odertal, Dirk Treichel, spricht von einem "Supergau für die Oder" und "einer Katastrophe für das gesamte Ökosystem". Treichel zufolge verenden derzeit nicht nur Fische, sondern auch Muscheln und anderes Kleintier. Für Dienstag sei eine große Aktion Freiwilliger Feuerwehren und des Technischen Hilfswerks geplant, bei der die in den Ölsperren gesammelten Fische entsorgt werden sollen, so Treichel.
Sauerstoff, pH-Wert, Salzgehalt: Wenn das Gleichgewicht gestört ist
Die Ursache wird weiter untersucht. Klar ist bislang nur, dass verschiedene Werte wie Sauerstoffgehalt, pH-Werte und Salzgehalt der Oder aus dem Gleichgewicht geraten sind. Es sei unklar, welche Auswirkungen dies auf Lebewesen in der Oder habe, sagte Pauline Damer, Meeresbiologin beim BUND Rostock. Es sei möglich, dass ein hoher ph-Wert im Oderwasser dazu führt, dass Ammonium sich in Ammoniak umwandle. Dies schädige beispielsweise Fischkiemen, führe bei sehr hoher Konzentration aber auch zum Tode. Übersteige der Salzgehalt der Oder einen gewissen Wert, könnten die an Süßwasser angepassten Fische schlimmstenfalls innerlich austrocknen. Ein zu hoher Sauerstoffgehalt sollte laut Damer eigentlich kein Problem darstellen. Andere Gase aber könnten sich in den Fischkapillaren anlagern. Einzige Hoffnung sei derzeit ein steigender Wasserpegel. Dadurch könnten Schadstoffe verdünnt und so mögliche Auswirkungen auf das Haff und die Ostsee minimiert werden.
Gesundheitsministerium MV rät vom Baden im Stettiner Haff ab
Die Landesregierung von Mecklenburg-Vorpommern rät nach dem massiven Fischsterben in der Oder für mehrere Badestellen des Stettiner Haffs vom Baden ab. Dabei handele sich einer Sprecherin des Schweriner Gesundheitsministeriums zufolge um eine Vorsichtsmaßnahme. Derzeit gilt die Warnung für die Badestellen Altwarp Dorf, Altwarp Siedlung, Bellin, Grambin, Mönkebude, Ueckermünde und Vogelsang, aber auch Rieth am Neuwarper See. Die Warnhinweise wurden demzufolge im Internet auf der Badewasserkarte veröffentlicht.
Kontakt mit Haff-Wasser vermeiden
Der direkte Kontakt mit dem Wasser solle demnach vermieden werden. Bei möglichem Kontakt rät das Ministerium außerdem betroffene Körperstellen gründlich zu reinigen. Besonders Wassersportler seien zur besonderen Vorsicht aufgerufen. Haus- und Nutztiere sollen ebenfalls vom Wasser ferngehalten werden und weder aus dem Gewässer trinken, noch in ihm baden. Der Landkreis Vorpommern-Greifswald sowie das Landesumweltministerium hatten bereits zuvor empfohlen, auf Angeln und Fischen oder die Entnahme von Wasser zu verzichten.
Noch keine toten Fische im Stettiner Haff
Derzeit gibt es noch keine Hinweise, dass tote Fische aus der Oder bis ins Stettiner Haff gespült worden sind. Hinweise aus Polen, dass der hochgiftige Stoff Mesitylen in die Oder gelangt sei, haben sich laut dem dortigen Umweltministerium für Brandenburg nicht bestätigt.
Deutschland und Polen planen gemeinsame Taskforce
Mit einer gemeinsamen Taskforce wollen Deutschland und Polen die Ursachen für das massive Fischsterben im Grenzfluss Oder ermitteln. Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) hatte Polen zuvor für dessen spärliche Informationen im Zusammenhang mit dem Fischsterben in der Oder kritisiert. Quecksilber ist nach polnischen Angaben nicht die Todesursache der Fische. Festgestellt wurde nach offiziellen Angaben ein erhöhter Sauerstoffgehalt in dem Fluss. Ölsperren sollen verhindern, dass sich Fischkadaver im Stettiner Haff ausbreiten, wie das Umweltministerium Mecklenburg-Vorpommerns mitteilte.
Woidke: Kritik an polnischer Regierung
Wegen des rätselhaften Fischsterbens in der Oder wächst in Deutschland der Unmut über die spärlichen Informationen aus Polen. "Das lief nicht, wie es sein müsste", sagte Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke vor einem Besuch am Ort der Umweltkatastrophe. Der SPD-Politiker machte sich am Montag bei Lebus nördlich von Frankfurt an der Oder ein Bild der Lage.
Umweltministerin Lemke: "gravierende Umweltkatastrophe"
Die Auswirkungen der Umweltkatastrophe lassen sich noch nicht abschätzen, sagte Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne) nach einem Treffen mit ihren Amtskolleginnen und -kollegen aus Polen, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern.