Klimastiftung MV: Sellering zieht vors Bundesverfassungsgericht
Er geht bis zur letzten Instanz: Erwin Sellering, der Vorstandschef der Klima- und Umweltstiftung Mecklenburg-Vorpommern, legt Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht ein. Das kündigte der Ex-Ministerpräsident per Pressemitteilung an.
Der Gang nach Karlsruhe ist für Sellering der letzte Versuch, die Akten über Geschäftspartner seiner Stiftung dichtzuhalten. Die Stiftung hatte in einem gesonderten "Geschäftsbetrieb" den Bau der russischen Nord-Stream-2-Pipeline vollendet und dafür etliche Firmen eingespannt. Sellering will verhindern, dass Geschäftspartner des Russland-Deals genannt werden müssen.
Gericht: Fragen nach Geschäftspartnern müssen offengelegt werden
Auf Herausgabe dieser Informationen hatte ein Journalist der Springer-Zeitung "Die Welt" aus Berlin geklagt. Er bekam in erster Instanz Ende Juni vor dem Landgericht Schwerin Recht. Die Stiftung sei presserechtlich wie eine Behörde zu behandeln, so die Richter, und deshalb müsse der Vorstand Fragen nach den Geschäftspartnern beantworten. Sellering - vor seiner Zeit in der Politik Verwaltungsrichter - wollte den Spruch nicht akzeptieren und legte vor dem Oberlandesgericht Rostock Berufung ein.
Sellering: Vertraulichkeitsinteresse hat Vorrang
Der Chef der Klimastiftung wehrte sich gegen die Herausgabe der sensiblen Informationen mit dem Hinweis, dass mit den Geschäftspartnern Geheimhaltung vereinbart sei. Es handele sich um eine rechtlich unzulässige "Ausforschung". Außerdem sei zu befürchten, so die Stiftung und ihre Anwälte aus Münster, dass die Geschäftspartner bei Veröffentlichung "an den Pranger" gestellt würden. Es könne zwar ein Interesse daran bestehen, zu erfahren, was Landtag und Landesregierung getan haben, trotz der Sanktionen die Pipeline zu vollenden. Die Namen einzelner Vertragspartner würden aber nichts zur Sache tun - das Vertraulichkeitsinteresse habe deshalb Vorrang.
OLG Rostock wies Berufung zurück
Das Oberlandesgericht (OLG) Rostock ließ die Einwände nicht gelten und wies die Berufung zurück (Az. 6 U 29/22). Das Grundrecht der freien Presse und die Recherche-Rechte seien höher zu bewerten als mögliche Geheimschutzklauseln. Die Richter schlossen sich der Ansicht des Landgerichts an. Die Entscheidung des 6. Zivilsenats erging einen Tag vor Sellerings 73. Geburtstag.
Das OLG machte klar, Sellerings Stiftung sei wegen des maßgeblichen Einflusses des Landes presserechtlich wie eine Behörde zu behandeln. Der Vorstand und das Kuratorium würden beispielsweise von der Ministerpräsidentin bestellt beziehungsweise abberufen. Sellering will jetzt per Verfassungsbeschwerde feststellen lassen, dass seine Stiftung nicht wie eine Behörde, sondern wie ein privates Unternehmen zu behandeln ist. Aus diesem Grund sei die Stiftung nicht verpflichtet, der Presse Auskünfte zu erteilen.
Zwangsgeld oder sogar Zwangshaft drohen
Experten geben dem Vorstoß wenig Aussicht auf Erfolg. Der Streitwert in dem Verfahren ist so gering, dass die Stiftung noch nicht einmal den Bundesgerichtshof anrufen könnte, um dort eine Revision des OLG-Beschlusses herbeizuführen. Für Sellering bleibt nur noch die Verfassungsbeschwerde. Der Gang nach Karlsruhe hat jedoch keine aufschiebende Wirkung. Sollte die Stiftung die Fragen weiter nicht beantworten, drohen ihr ein Zwangsgeld oder sogar eine Zwangshaft für den Vorstand. Auch in vergleichbaren anderen Verfahren kassierte sie eine juristische Niederlage.
CDU-Abgeordneter: Schwesig hätte Sellering abberufen müssen
Die Angelegenheit bleibt auch ein Politikum. Der CDU-Abgeordnete Sebastian Ehlers kritisierte, dass Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) Sellering nicht schon im Frühjahr - nach dem russischen Angriff auf die Ukraine - abberufen habe. Von Kooperationswille oder gar Wille zu Transparenz sei beim Stiftungschef nichts zu erkennen. "Ich kann mich des Eindruckes nicht erwehren, dass Herr Sellerings Klage- und Beschwerdefreude damit einhergehen könnte, dass er möglicherweise etwas zu verbergen hat", meinte Ehlers. Er ist auch Vorsitzender des Parlamentarischen Untersuchungsausschusses, der die Vorgänge rund um die Stiftung aufklären soll.