Falk Tischendorf spricht auf einer Veranstaltung der Skolkovo Moscow School of Management © picture alliance/dpa/TASS | Mikhail Pochuyev Foto: picture alliance/dpa/TASS | Mikhail Pochuyev

Ex-Russlandbeauftragter MV bricht sein Schweigen

Stand: 08.10.2022 07:00 Uhr

Gut sechs Jahre lang war Falk Tischendorf Russland-Beauftragter der Landesregierung Mecklenburg-Vorpommerns, bis zum Beginn des russischen Angriffskriegs in der Ukraine. Der Anwalt gilt in Moskau als bestens vernetzt. Kritiker werfen ihm Lobbyismus für Russlands Interessen in Deutschland vor. Die Grünen wollen ihn deshalb als Zeugen im Untersuchungsausschuss des Landtags befragen.

von Frank Breuner, Redaktion Politik und Recherche

In der Moskauer Innenstadt, nicht weit vom Fluss Moskwa und dem Gorki-Park, liegt das Moskauer Büro der Anwaltskanzlei Advant Beiten. Seit 13 Jahren wird es vom gebürtigen Schweriner Falk Tischendorf geleitet, der auch sechs Jahre lang als offizieller Repräsentant das Land Mecklenburg-Vorpommern in Russland vertrat. Ein ehrenamtlicher Zusatzjob, wie Tischendorf betont. Diesen Posten gibt es seit Beginn des Krieges in der Ukraine nicht mehr, doch als Wirtschaftsanwalt arbeitet er weiter in der russischen Hauptstadt. Für Kritiker ist er einer der bedeutendsten Lobbyisten in den Wirtschaftsbeziehungen beider Länder. So schrieb die Recherche-Plattform "Correctiv" in einem Online-Artikel vor zwei Wochen: "Tischendorf ist bis heute eine wichtige Figur in den pro-russischen Netzwerken, die vor allem zwei regionale Schwerpunkte haben: Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern. Beide Länder sind für die Energielieferung aus dem Osten wichtig."

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Und Tischendorf tauche in beiden auf. Tatsächlich ist der Anwalt in zahlreichen Verbänden und Vereinen aktiv: Er war unter anderem Mitglied in der Deutsch-Russischen Partnerschaft MV  - und Vorstandsmitglied des Ostinstituts in Wismar. Um dieses Institut, das die politischen und wirtschaftlichen Verhältnisse in Osteuropa und Russland analysieren soll, gab es bereits Wirbel: Der grüne Landtagsabgeordnete Hannes Damm behauptet, dass es Hinweise darauf gebe, dass Russland bei der Gründung des Ostinstituts selbst Einfluss genommen habe.

Lobbyist für Russland?

Bislang hat Tischendorf zu allen Vorwürfen geschwiegen - bis jetzt. In einer Stellungnahme auf Anfrage des NDR schreibt Tischendorf, dass er niemals für die russische Gas- oder Rohstoffindustrie tätig gewesen sei. "Ich habe auch niemals Gazprom oder andere staatliche russische Energieunternehmen beraten und war auch in keiner anderen Art und Weise für diese tätig." Tatsache ist: Der Anwalt ist keine kleine Nummer in Moskau. Laut eines britischen Fachverlags gilt Tischendorf als "einer der am besten vernetzten Juristen in Russland", innovativ, entscheidungsstark und erfahren. Ein Netzwerker mit Geschäftssinn: Tischendorf ist in der Deutsch-Russischen Auslandshandelskammer und auch im Deutsch-Russischen Unternehmerrat aktiv, außerdem Mitglied im Ost-Ausschuss der deutschen Wirtschaft.

Falk Tischendorf

- geboren in Schwerin
- Moskauer Büroleiter der Anwaltskanzlei Advent Beiten seit 2009
- 2009 Gründungsmitglied und später Vorstandsmitglied des Ostinstituts in Wismar
- 2016 bis 2022 Repräsentant des Landes MV in Russland
- Leiter Compliance-Komitee der Deutsch-Russischen Außenhandelskammer
- war Mitglied der Deutsch-Russischen Partnerschaft MV und des Deutsch-Russischen Forums

Auf der wichtigsten russischen Industriemesse moderierte er noch im vergangenen Jahr ein "exklusives Wirtschaftsbriefing mit dem Ersten Vizeminister für Industrie und Handel Vasily Osmakov und Vertretern der deutschen Wirtschaft", wie die Kanzlei Advant Beiten auf ihrer Internetseite schreibt. Eben jener Vizeminister Osmakov hatte beim Russlandtag 2018 in Rostock das Bundesland Mecklenburg-Vorpommern als eine "Art Vorposten" für Russland in Europa bezeichnet.  

Mecklenburg-Vorpommerns Mann in Moskau

Naturgemäß hat sich Tischendorf in den vergangenen Jahren zum Experten für westliche Sanktionen gegen Russland entwickelt. Seine Anwaltskanzlei hat einen Leitfaden zum Umgang mit den Maßnahmen veröffentlicht, Tischendorf wird dort als Ansprechpartner genannt und hat selbst dazu Referate bei unterschiedlichen Veranstaltungen gehalten, zuletzt bei einer digitalen Russland-Konferenz im Januar dieses Jahres. Doch zu dem Konzept der umstrittenen Klimaschutzstiftung MV will er nichts beigetragen haben. Dabei wurde die Stiftung ja auch deshalb Anfang 2021 gegründet, um US-amerikanische Sanktionen gegen den Bau der Pipeline Nord Stream 2 zu umgehen.

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Tischendorf schreibt uns, dass er in keiner Weise in die Vorbereitung, die Gründung oder in die praktische Arbeit der Klimaschutzstiftung des Landes eingebunden gewesen sei und ergänzt: "Mir ist daher auch nicht bekannt, wer der Ideengeber zur Gründung der Klimaschutzstiftung war bzw. hierzu beigetragen hat."

Weiter vor Ort in Moskau  

Warum aber macht Tischendorf überhaupt weiter in Moskau? Während die meisten westlichen Kanzleien Russland wegen des Angriffskrieges verlassen haben, ist die Kanzlei Advant Beiten weiter vor Ort vertreten. Tischendorf schreibt uns, dass er weiter Unternehmen, die ihren Sitz unter anderem in Deutschland oder der EU haben, sowie deren russischen Tochtergesellschaften in der gegenwärtig schwierigen Lage unterstützen will. Und außerdem sehe er sich in der Verantwortung gegenüber den russischen Mitarbeitern der Kanzlei in Moskau. Seine grundsätzliche Haltung beschreibt er so: "Was wir heute in Europa erleben, ist ein großes Leid, das die Gesellschaften in Russland und in Europa nicht zulassen dürfen."

Der grüne Landtagsabgeordnete Hannes Damm sieht das kritisch: "Herr Tischendorf und die Kanzlei Advant Beiten verdienen auch noch heute, ein halbes Jahr nach Beginn des russischen Krieges gegen die gesamte Ukraine, weiterhin viel Geld in Moskau." Die Grünen wollen Tischendorf auch zum Untersuchungsausschuss des Landtags vorladen - er sei wegen seiner umfassenden Vernetzung ein interessanter Zeuge. Tischendorf sagte dem NDR, dass er selbstverständlich aussagen werde, sollte er eine entsprechende Ladung erhalten.

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Dieses Thema im Programm:

NDR 1 Radio MV | Nachrichten aus Mecklenburg-Vorpommern | 08.10.2022 | 12:00 Uhr

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