Geplatzter Traum? Wie die kleine Stadt Barth ausgetrickst wurde
Ein Investor hat ein Filetgrundstück in Barth gekauft, um dort ein Freizeitzentrum für Einwohner und Touristen zu errichten. Jahre später ist nichts passiert, doch zurückkaufen kann die Stadt das Gelände nicht so einfach. Sie wurde offenbar vom Investor ausgetrickst - und das wohl nicht als Einzige.
Ein Kino, ein Schwimmbad mit Glaskuppel, Bowlingbahnen, Ferienwohnungen - das "Vinetarium" hätte dem vorpommerschen Barth zu neuem Glanz verhelfen sollen. Doch acht Jahre nach dem Verkauf des Filetgrundstücks am Hafen gibt es dort nichts - außer Stillstand und Wut.
"Eine Mischung aus Trauer und Wut"
Peter Hermstedt steht am Zaun vor der Brache, die einst das Herzstück eines neuen Freizeitzentrums werden sollte. Der Jurist und ehemalige Stadtvertreter kann kaum glauben, wie wenig seit 2017 passiert ist. "Es ist eine Mischung aus Trauer und Wut", sagt er. "Seit acht Jahren ist hier nichts passiert."
Dabei klang das Vorhaben zunächst vielversprechend: Mit dem "Vinetarium" wollte die Stadt neue Touristen anlocken, Gäste, die bleiben. Denn bisher fahren viele Touristen, die an die Ostseestrände wollen, einfach nur durch Barth durch.
Anwohner enttäuscht - und misstrauisch
Doch das Projekt ist längst zum Symbol für Frust geworden. "Ich finde es schade", sagt eine Anwohnerin, die seit einem Jahr in Barth lebt. "Die Idee wäre super gewesen - gerade für den Tourismus." Ein anderer Anwohner erinnert sich: "Früher haben wir die Fläche oft genutzt”, sagt er. "Das ist eine never ending story."
Ein Verkauf mit Folgen

Für viele Menschen in Barth ist das Projekt einfach nicht mehr zu durchblicken. 2017 verkaufte die Stadt das Grundstück für rund 660.000 Euro an zwei Firmen eines einzigen Investors. Hermstedt war schon damals skeptisch. Deshalb half er beim Gestalten des Kaufvertrags. Er habe ein sogenanntes Wiederkaufsrecht eingebaut, sagt er. Das heißt, die Stadt kann das Grundstück zurückerwerben, wenn der Investor nicht innerhalb eines Jahres nach der Baugenehmigung mit dem Bau beginnt - und zwar zum Kaufpreis. Und so ließ es die Stadt im Grundbuch eintragen, als Sicherheit, falls der Investor nur mit dem Grundstück spekulieren wollte.
Und tatsächlich: Der Investor beginnt auch fünf Jahre nach dem Kauf nicht sichtbar mit dem Bau. Die Stadtvertretung hat genug: 2022 beschließt sie schließlich das Grundstück zurückzukaufen. Doch plötzlich ist im Grundbuch eine Grundschuld eingetragen - über 33 Millionen Euro.
Eingetragen vom Investor, an oberster Stelle im Grundbuch. Damit hat er das Rückkaufsrecht der Stadt ausgehebelt: Will die Stadt das Grundstück in diesem Zustand zurückkaufen, müsste sie die Schulden von 33 Millionen Euro übernehmen.
Wie konnte es so weit kommen?
Doch ohne eine Zustimmung der Stadt konnte der Investor diese Grundbuch-Änderung eigentlich nicht vornehmen. Der heutige Bürgermeister, Friedrich-Carl Hellwig (parteilos), hatte die Genehmigungserklärung unterschrieben. Warum er das tat, ist nicht abschließend geklärt.
Gegenüber dem NDR betont Hellwig, seine Unterschrift hätte juristisch nichts verändert. Er räumt aber ein, dass es damals eine gewisse Eilbedürftigkeit gegeben hätte. Nach eigener Aussage unterschrieb er ohne juristischen Beistand: "Wir hatten damals keine juristische Expertise im Haus", sagt Hellwig.
Er glaubt, er könne das Grundstück trotzdem noch zurückkaufen - auch ohne die Schulden. Das müsste jedoch gerichtlich erstritten werden und würde wohl Jahre dauern. Hellwig setzt nun auf eine außergerichtliche Einigung - doch dass der Investor sich darauf einlässt, ist wohl eher unwahrscheinlich.
Ein fragwürdiger Geschäftsmann
Denn NDR Recherchen zeigen, dass der Investor in der Vergangenheit offenbar an ähnlich undurchsichtigen Projekten beteiligt war. Über 40 Firmen laufen oder liefen auf seinen Namen im Handelsregister, viele davon in der Immobilienbranche. Mindestens zwei Betroffene berichten dem NDR von einem ähnlichen Vorgehen mit Grundschulden. Auf Nachfrage antwortet der Investor über seine Anwältin: Bei dem Projekt in Barth sei alles "üblich" verlaufen, man werde es "selbstverständlich vollenden”.
In Barth glaubt daran allerdings kaum noch jemand. "Wir wollten uns etwas schaffen, das uns nach vorne bringt", sagt Lothar Wiegand (Bürger für Barth). "Und was haben wir jetzt? Eine sumpfige Wiese."
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