Stand: 29.11.2014 15:40 Uhr

AfD-Parteitag: "Warum haben Sie keine Kinder?"

Demonstranten gegen den AfD-Landesparteitag in Greifswald © dpa-Bildfunk Foto: Reinhardt, Daniel
Kein freundlicher Empfang - Eine Mahnwache gegen die AfD vor dem Tagungshotel in Greifswald.

Es war kein freundlicher Empfang: Vor dem Hotel am Stadtrand von Greifswald warteten am Morgen bei Minustemperaturen schon Demonstranten auf die AfD-Mitglieder. Mit Plakaten und Spruchbändern protestierten etwa 30 Mitglieder eines linken Aktionsbündnisses gegen die eurokritische Partei. Sie warfen ihr Ausländerfeindlichkeit und allzu große Nähe zur NPD vor. Mitglieder des Landesvorstandes würden außerdem offen rechtsextreme Inhalte auf Facebook zitieren und verlinken. Erst jüngst geriet das AfD-Bundesvorstandsmitglied Petra Federau deshalb in die Schlagzeilen, im Kreistag Vorpommern-Greifswald unterstützten AfD-Abgeordnete flüchtlingsfeindliche Anträge der rechtsextremen NPD.

An der AfD prallt Kritik ab

Die rund 100 Mitglieder, die nach und nach in den engen Tagungsraum strömten, ließ das ungerührt. In ihren Augen ist das Hetze, Medien, Alt-Parteien und politische Gegner versuchten überall, die Partei mit Halbwahrheiten und Lügen zu diffamieren, sagte Ex-Landesprecher Holger Arppe aus Rostock. Dabei sei die AfD "Avantgarde aller Menschen, die spüren, dass die Bundesrepublik eine unheilvolle Entwicklung nehmen werde", schwadronierte Arppe am Rednerpult. Alle zusammen könnten sicher sein, meinte Arppe verschlungen, "dass der Tag nicht mehr fern ist, da wir mit stolz auf jene Zeit zurückblicken, als es noch schwer war ein Mitglied der AfD zu sein."

Verdacht der Volksverhetzung

Für Arppe war der Parteitag in Greifswald eine Art Abschiedsvorstellung - er trat nicht wieder als einer von zwei AfD-Landesschefs an. Gegen ihn ermittelt die Staatsanwaltschaft Rostock wegen des Verdachts der Volksverhetzung. Er soll im Internet islamfeindliche Äußerungen verbreitet haben. Sein Rückzug habe nichts mit dem Justizärger zu tun, sagte Arppe dem NDR. Er bestreitet die Vorwürfe vehement. Er wolle sich jetzt auf seine Arbeit in der Rostocker Bürgerschaft konzentrieren.

Zwei altbekannte Sprecher

Die beiden neuen Landesprecher, Leif-Erik Holm (li.) und Matthias Manthei. © dpa-Bildfunk
Wollen in zwei Jahren mit der AfD in den Landtag einziehen: Die neu gewählten Landessprecher Leif-Erik Holm und Matthias Manthei.

Die AfD wählte sich einen neuen Co-Vorsitzenden, es ist ein altbekanntes Gesicht. Der ehemalige Moderator eines privaten Radiosenders, Leif-Erik Holm, steht wieder an der Spitze der AfD im Land. Der 44-Jährige war bereits 2013 kurze Zeit Landesvorsitzender der AfD, er arbeitet jetzt für die AfD-Europaabgeordnete Beatrix von Storch. Holm sagte, die Eurokrise schwele weiter, der Solidaritätszuschlag werde nach 2019 jetzt doch nicht abgeschafft, obwohl anderes versprochen worden sei. "Das ist eine Steuererhöhung". Mehr Bildung, mehr Sicherheit und Maßnahmen gegen den „ungeregelten Zuwandererstrom“ nannte Holm als seine Ziele. Er sprach sich im Ostteil des Landes für mehr "Überwachung der Grenzen aus", Täter müssten schnell und hart bestraft werden. An seiner Seite steht weiter Matthias Manthei. Der 42-jährige Familienrichter aus Greifswald wurde mit großer Mehrheit wiedergewählt. Manthei sagte in seiner Bewerberrede, er wolle weiter ehrenamtlich als Rettungsschwimmer arbeiten und seine politischen Schwerpunkte seien "naturgemäß" die innere Sicherheit und Justiz.

"Warum haben sie keine Kinder?"

Die einzige Frau als Bewerberin für den Chef-Posten bei der AfD, Sonja Schweinitz aus Rostock, fiel durch. Dabei lieferte die 41-Jährige eine mutige Bewerbungsrede ab. Sie sagte, sie wolle das Bild von der AfD als Partei alter, frustrierter Männer korrigieren und Lügen strafen. Schweinitz musste sich dann von den Mitgliedern die Frage gefallen lassen, warum sie denn keine Kinder habe, ob das ein „politisches Statement“ sei. Schweinitz wich der Frage nicht aus. Das habe sich bisher nicht ergeben, könne sich ja noch ändern - und - direkt an den Fragesteller gewandt sagte sie: "Wenn Sie darauf Wert legen, gebe ich mir Mühe."

Ohne politische Ziele - Männerpartei AfD

Das Beispiel illustriert auch - die 330-Mitglieder-Partei ist eine Männer-Partei. Von den in Greifswald stimmberechtigten 103 Mitgliedern waren 85 Männer. Eine Quote, wie in anderen Parteien, gibt es nicht. Die Männer der AfD waren in Greifswald überwiegend mit sich selbst beschäftigt. Es ging in teils langwierigen Debatten um die Parteifinanzen und dabei auch um die Frage, warum die Vorstandsmitglieder hohe Reisekosten abrechnen (13.000 Euro). Die Frage, für welche Inhalte die Partei steht, haben die Delegierten offen gelassen und schnell abgehakt. Eine Partei, die von sich behauptet, sie habe den Mut zur Wahrheit, machte auch bei ihrem vierten Landes-Parteitag einen Bogen um politische Ziele. Viele treibt weiter eine diffuse Unsicherheit um. Ein Bewerber für den Vorstandsposten sagte: "Ich möchte nicht, dass meine Enkeltochter später mal in einem Land aufwächst, in dem politische Verhältnisse herrschen wie in Südamerika und schlimmstenfalls im Nahen Osten.“ Die AfD in Mecklenburg-Vorpommern scheint weiter eine Partei des ängstlichen "Neins" und der Ausgrenzung.

Weitere Informationen
Plakat der Alternative für Deutschland (AfD), Landesverband Mecklenburg-Vorpommern © dpa-Bildfunk Foto: Wüstneck, Bernd

AfD-Landeschef zieht sich zurück

Der Landesverband der AfD ist zu seinem vierten Parteitag in Greifswald zusammengekommen. Noch vor Beginn kündigte AfD-Landeschef Holger Arppe an, nicht mehr für sein Amt kandidieren wollen. mehr

Dieses Thema im Programm:

NDR 1 Radio MV | 30.11.2014 | 07:00 Uhr

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