Schadstoffe in der Elbe: Die Warnungen der Wasserflöhe

Stand: 19.08.2022 08:00 Uhr

Das Fischsterben in der Oder hat eindrücklich gezeigt, wie wichtig es im Ernstfall ist, Schadstoffe im Fluss schnell zu entdecken. Wie sieht das Frühwarnsystem an der Elbe aus? Ein Besuch in der Messstation Bunthaus in Hamburg.

von Marc-Oliver Rehrmann

Wer wissen will, wie es um die Wasser-Qualität der Elbe steht, ist bei Werner Blohm genau richtig. Der Hamburger hat seit mehr als 30 Jahren im Blick, wie es dem Fluss gerade geht. Er leitet das Wassergütemessnetz (WGMN), dass neun Messstationen in Hamburg betreibt. Die Messstation Bunthaus an der Elbe liegt am Ostzipfel der Wilhelmsburger Insel im Hamburger Süden. Rund um die Uhr wird Elbwasser durch die Leitungen im Container gepumpt. Die Geräte messen automatisch Wassertemperatur, Salzgehalt, Sauerstoff-Gehalt und pH-Wert - und wie trüb das Wasser ist. Die aktuellen Daten der Messstation sind stets beim Hamburg Service und auf der Informationsplattform Undine einzusehen. Menschen sind nicht vor Ort. In der Regel kommt nur einmal in der Woche ein Mitarbeiter des Wassergütemessnetzes vorbei, um die Geräte zu pflegen und zu warten.

Wasserflöhe reagieren schneller auf Schadstoffe als Fische

Die wichtigsten "Mitarbeiter" in der Messstation sind eigens gezüchtete Wasserflöhe. Die Krebstiere kommen auch in der Elbe vor. In einem 70.000 Euro teuren Gerät schwimmen einige Wasserflöhe in zwei Kammern, die vom aktuellen Hamburger Elbwasser durchströmt wird. Die Bewegungen der Wasserflöhe werden aufgezeichnet und ausgewertet. "Normalerweise schwimmen die Flöhe munter durcheinander", erzählt Werner Blohm.

Wenn sie aber hektisch umherschwimmen oder deutlich langsamer werden, deutet dieses Verhalten auf Verschmutzungen in der Elbe hin. Die Wasserflöhe reagieren viel schneller als Fische auf mögliche Schadstoffe wie etwa Quecksilber. "Bis auf der Fluss-Oberfläche tote Fische zu sehen sind, vergehen zwei bis drei Tage", sagt Blohm. Mithilfe der Wasserflöhe könnten die Behörden viel schneller auf Schadstoffe reagieren.

Auch Algen sind wichtige Alarmgeber

Algen reagieren auf andere Stoffe als die Wasserflöhe und sind für viele typische Schadstoffe noch empfindlicher als die Flöhe. Ein spezielles Gerät - ein Algentoximeter - kann erkennen, wenn die Algen im Hamburger Elbwasser Schaden nehmen. Algen und Wasserflöhe bilden auf diese Art und Weise zusammen ein biologisches Frühwarnsystem.

Sobald irgendwelche Daten der Messstation aus der Reihe fallen, werden die Experten automatisch per SMS und E-Mail informiert. Die Daten können dann aus der Ferne bewertet werden, so lassen sich die möglichen Ursachen genauer eingrenzen. Befinden sich größere Mengen an Pflanzenschutzmitteln im Elbwasser? Oder andere Industrie-Chemikalien? Gegebenenfalls wird Alarm ausgelöst. Das heißt: Die zuständigen Behörden sowie die weiteren Messstationen entlang der Elbe werden über die Auffälligkeiten informiert.

Im Labor geht die Suche weiter

Für die genaue Analyse werden drei Sorten von Wasserproben ins Labor geschickt - aus der Zeit vor dem Alarm, während des Alarms und danach. "Wir haben also drei verschiedene Sorten von Proben, so dass wir sie miteinander vergleichen können", erklärt Blohm. "Das hilft dem Labor, deutlich zu unterscheiden, ob ein Giftstoff oder ein Schadstoff im Wasser vorhanden ist."

Für den Ernstfall gibt es einen Alarm-Plan

Auf deutscher Seite gibt es entlang der Elbe insgesamt elf Messstationen, von denen die meisten zum Messnetz der Internationalen Kommission der Elbe (IKSE) gehören. Von Hamburg aus gesehen liegt die nächstgelegene Station flussaufwärts in Schnackenburg - 135 Kilometer entfernt. Hinzukommen einige Anlagen in Tschechien. Damit keine Melde-Panne wie an der Oder geschieht, liegt ein internationaler Warn - und Alarm-Plan für die Elbe vor. Solche Vereinbarungen gibt es beispielsweise auch für den Rhein, die Donau - und die Oder. Aber der beste Plan nützt nichts, wenn er im Ernstfall nicht angewendet wird. Das weiß auch Werner Blohm. "Was natürlich wichtig ist, dass, wenn die Kollegen an den anderen Messstationen flussaufwärts entdecken, dass etwas nicht in Ordnung ist, dass sie das auch melden."

Im Idealfall sollen Meldungen aus Tschechien innerhalb eines Tages die Hamburger Behörden erreichen. Übungen hätten gezeigt, dass dies auch gut funktioniere, so Blohm.

Weitere Informationen
Polen, Krajnik Dolny: Tote Fische werden von der Wasseroberfläche des deutsch-polnischen Grenzflusses Oder beseitigt. ©  Marcin Bielecki/PAP/dpa +++ dpa-Bildfunk +++ Foto:  Marcin Bielecki/PAP/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

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NDR Info | 17.08.2022 | 21:45 Uhr

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