Installation von Grit Richter in der Ausstellung "Alchemie der Stadt" © Alchemie der Stadt

Ausstellung "Alchemie der Stadt": Zwischen Kloster und Jeansladen

Stand: 17.10.2022 12:45 Uhr

Anfang des Jahres erklärte sich Lübecks Overbeck-Gesellschaft zu einem Ort des Dialogs. Damals begann das Projekt "Alchemie der Stadt". Darin wird gefragt: Was ist Lübeck? Was bedeutet es, hier zu leben? Nun gibt es eine Ausstellung dazu.

von Frank Hajasch

Wo draußen bei Overbeck renommierte Kunst wartet - wie die immer noch farbstarke Wandbild-Geometrie von Lothar Götz -, sieht es im Pavillon zunächst unspektakulär aus. Auf verschieden hohen Metallpodesten liegen ein Teddy, ein Brief, eine Kette, Löffel - aber alle mit Ausstellungstext. Und Oliver Zybok, Leiter des Hauses, lacht auch gleich über den erstaunten Blick des Reporters: "'Ist das Kunst, ist das nicht?', hat sich, sage ich, zumindest im Kunstkontext erübrigt - seit dem berühmten Urinal von Marcel Duchamp. Wir haben schon mit dem Projekt "Precious Plastic", das wir vor drei Jahren gemacht haben - wo es um Recycling ging und bei dem man hier vor Ort arbeiten konnte -, über den Tellerrand hinaus geschaut", sagt Zybok.

Langer Vorlauf für die Ausstellung "Alchemie der Stadt"

Nochmal zurück zu den Anfängen von "Alchemie der Stadt" - und zu Jan Stassen vom beteiligten Museum für Werte in Berlin. "Mit Alchemie der Stadt bringen wir Menschen über Werte ins Gespräch", erzählt er. "Was früher vielleicht Kirchen und Marktplätze waren, können heute auch Orte der Kunst sein. Und wir wollen diese Orte so beleben, dass sie Dialoge auslösen und Begegnungsmomente schaffen."

Für Alchemie der Stadt gab es einen längeren Vorlauf. So waren die Ausstellungsmacher zunächst an Orten der Lübecker Stadtgesellschaft: "in der evangelischen Kirchengemeinde in Moisling, im Europäischen Hansemuseum, im Geschichtserlebnisraum Roter Hahn. Gleichzeitig haben wir unterschiedlichste Postkarten und Dinge ausgelegt, wo sich Gesellschaft trifft, das heißt in Friseursalons, überall, wo man sich aufhält", sagt Stassen.

Kunst als verbindendes, gemeinschaftsbildendes Element

Für das Thema Offenheit wurden gut 30 Gegenstände und Geschichten für Hörstationen ausgewählt. Unter den Objekten fällt ein knallroter Tischtennisschläger auf. Und wer so ein Ding mal geschwungen hat, vielleicht sogar draußen, weiß, wie sozial und gruppendynamisch so eine Kelle wirken kann. Jan Stassen erinnert sich gut an die Geschichte eines jungen Lübeckers dazu: "Er beschreibt darin, welche Rolle Kirche, Sport, aber auch der Austausch mit anderen Menschen bei ihm auf der Straße oder in der Nachbarschaft spielen: dass alle eigentlich hilfsbereit sind, wenn sie sich kennen und sich austauschen und offen miteinander umgehen. So beschreibt er seinen Bezug zu seinem eigenen Stadtteil und wie offen alle miteinander umgehen."

Es sei erstaunlich, wie schnell die Leute ins Gespräch kommen, sagt Jan Stassen, - erst bei den Treffen vor Ort, danach vor den Objekten und Geschichten in der Schau. Das werde auch beim Thema Offenheit so sein, meint er: "Wenn man jemanden nicht mag, hat das was damit zu tun, weil jemand etwas repräsentiert. Aber in dem Moment, in dem ich den kennen lerne, baut man eine Verbindung auf. Und ich glaube, darin kann Kunst eine wichtige Rolle spielen: dass das ein Verbindungselement ist und nicht nur ein ausstellendes, reflektives, sondern ein wahnsinnig gemeinschaftsbildendes Element sein kann."

Ausstellung der Overbeck-Gesellschaft: Zwischen Kloster und Jeansladen

Die Hamburgerin Künstlerin Grit Richter wurde eingeladen, eine Art Rahmen für die Objekte und Geschichten zu schaffen. Jetzt überzieht ein weites Raster die Wände, spielt mit der kubischen Pavillonarchitektur. Dazu stehen im Raum Neonobjekte, die mit ihren grellen Farblinien freie Formen bilden. Und unter allem liegt ein quittengelber Teppichboden. "Als diese räumliche Erfahrung, wie es hier aufgebaut ist, funktioniert es sehr gut", erklärt Jan Stassen das Konzept. "Wir sagen immer ein bisschen salopp: 'Wir sind eine Mischung aus Kloster und Jeansladen.' Wir haben was Sakrales, was Tiefes, was dich bewegen soll. Aber gleichzeitig wollen wir auch eine gewisse Lockerheit behalten, um für die Leute zugänglich zu bleiben."

Und genau da überfrachtet die Kunst Grit Richters nicht. Ihre Kunst wird vom Alltag genauso beeinflusst, wie der Alltag der Lübecker und Lübeckerinnen deren Objekte und Geschichten prägt. "Kunst und Alltag gehören zusammen", findet der Leiter der Overbeck-Gesellschaft Oliver Zybok. "Das ist doch die gemeinsame Schnittstelle. Und darum geht es auch - den Menschen zu zeigen: 'Ihr seid kreativ! Macht was!' Wenn man sie dann gleichwertig mit der Kunst präsentiert, ist das eine Aufwertung für alle Beteiligten: einerseits wird der Alltag mehr zur Kunst, auf der anderen Seite diese Kreativität, die sich in jedem Menschen in irgendeiner Form befindet."

Ausstellung "Alchemie der Stadt": Zwischen Kloster und Jeansladen

Anfang des Jahres begann das Projekt, das fragt: Was bedeutet es, in Lübeck zu leben? Nun gibt es eine Ausstellung dazu.

Art:
Ausstellung
Datum:
Ende:
Ort:
Overbeck-Gesellschaft
Königstraße 11
23552 Lübeck
Preis:
3 Euro, ermäßigt 2 Euro
Öffnungszeiten:
Dienstag bis Sonntag 11 bis 17 Uhr
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Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur | Klassisch in den Tag | 15.10.2022 | 06:40 Uhr

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