Ruth Slenczka Dirketorin des Pommerschen Landesmuseum posiert © picture alliance/dpa | Stefan Sauer Foto: Stefan Sauer

Leiterin sieht großes Potenzial für Pommersches Landesmuseum

Stand: 30.07.2022 10:52 Uhr

Die Historikerin Ruth Slenczka ist seit Anfang des Jahres neue Direktorin des Pommerschen Landesmuseums in Greifswald. Die über 50-Jährige hat viel vor und freut sich auf das bevorstehende Caspar-David-Friedrich-Jubiläum 2024.

von Anina Pommerenke

Schon früh hegte Ruth Slenczka einen originellen Berufswunsch: Sie wollte Museumsdirektorin werden. Ein Berufswunsch, der neben anderen herausstach. Die Begeisterung für Museen kam nicht von ungefähr. "Die Museumsbesuche mit meinem Vater und meinen Geschwistern gehören zu meinen schönsten Erinnerungen", so Slenczka. Ihr Vater hätte sich viel Zeit genommen und ihnen ganz neue Welten eröffnet, besonders habe sie naturkundliche Museen geliebt, erinnert sich Slenczka zurück. "Wir haben immer nur einige Exponate angeschaut, aber es war unendlich spannend."

Die Museumsbesuche hätten ihre Neugier geweckt und hätten nachhaltig Wirkung gezeigt, so sei sie als Jugendliche mit Freunden auch selbst gerne in Museen gegangen. Besonders der Sammlungskultur konnte und kann sie viel abgewinnen, auch wenn das heute etwas aus der Zeit gefallen wirke. Diesen Kindheitstraum konnte sich Slenczka also erfüllen. Im Februar 2022 hat die Historikerin die Leitung des Pommerschen Landesmuseums in Greifswald übernommen.

Weg zur Direktorin am Pommerschen Landesmuseum

Slenczka ist in Köln geboren worden und hat Geschichte, Kunstgeschichte und evangelische Theologie in Mainz, Bonn und in Göttingen studiert, wo sie 1994 auch promoviert hat. Zuvor war sie Leiterin der Wittenberger Museen mit dem Luther- und dem Melanchthonhaus. Ein geradliniger Weg sei es jedoch nicht gewesen bis zu ihrer heutigen Stelle. Die Studienfächer habe sie zwar entsprechend gewählt, sodass die Option bestehen blieb, doch vieles habe sich auch zufällig ergeben: "Ich habe im Studium zwei prägenden Professoren gehabt, die beide im Museum verankert waren."

Das sei zum einen in Göttingen Hartmut Boockmann gewesen, der nach der Wiedervereinigung das Deutsche Historische Museum in Berlin mitaufgebaut habe. Später hatte Slenczka eine Stelle an der Humboldt-Universität in Berlin und war dort dem Lehrstuhl von Heinz Schilling zugeordnet, der am Deutschen Historischen Museum die Abteilung für die Frühe Neuzeit mitkonzipiert hat. "Solche Zufälle spielen eine große Rolle. Schon im Studium, aber auch danach, habe ich immer wieder an Ausstellungskonzeptionen mitgearbeitet." Schnell merkte Slenczka, dass ihr das mehr Spaß brachte als alles andere. Hauptberuflich stieg sie erst 2015 in die Museumswelt ein.

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Karrierestart mitten im Leben

Dass sie nun - verhältnismäßig spät - Karriere mache, sei auch auf eine längere Familienauszeit zurückzuführen, reflektiert die heute Mitte 50-Jährige. Slenczka hat vier Kinder und entschied damals gemeinsam mit ihrem Mann, dass seine Karriere an einem Punkt war, an dem er nicht zuhause bleiben konnte. Das sei weniger einer Mann/Frau-Thematik, sondern der derzeitigen Lebenssituation geschuldet gewesen. "Ich habe ihm damals beruflich den Rücken freigehalten, das hat mich karrieretechnisch schon etwas ausgebremst."

Sich zum Beispiel noch neben vier Kindern zu habilitieren, wenn der Mann beruflich stark eingespannt ist, das hätte nicht geklappt, räumt Slenczka ein. Sie promovierte, als ihr erstes Kind auf die Welt kam: "Das hat sich gegenseitig befruchtet. Es war schön, wenn man sich um die Kinder gekümmert hat und wusste, in ein paar Stunden kann man wieder in die Bibliothek gehen und andersherum." Zudem habe sie stets in Projekten gearbeitet und bei ihrem beruflichen Wiedereinstieg gemerkt, dass sie dabei nicht nur Zeit verloren hatte.

Herausforderung in Greifswald kam zu einem günstigen Zeitpunkt

Wenn sie heute schaue, wer nun wirklich sehr erfolgreich die großen Kultur-Institutionen führe, dann seien das oft Männer, auch wenn sie in ihrem eigenen Netzwerk besonders eng mit Frauen zusammenarbeite. "Da gibt es schon Typen, die so breitbeinig dastehen und einen großen Ellenbogen haben - die erfüllen dann schon oft die Klischees", lacht Slenczka. Ein Habitus, der ihr völlig fremd sei. Sich in männerdominierten Kreisen zu bewegen, habe sie aber selbst nie gestört, denn schließlich gebe es auch immer eine sehr starke Sachebene.

Als Slenczka erfuhr, dass sie die Stelle der Direktorin am Pommerschen Landesmuseum erhalten würde, war das erstmal ein Moment der Freude: "Das ist ein tolles Haus mit einer tollen Sammlung, tollen Ausstellungen und tollen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern." Und die neue Herausforderung kam zu einem günstigen Zeitpunkt: Ihr jüngstes Kind hatte gerade das Haus verlassen, so Slenczka: "Dann noch einmal so einen Gestaltungsraum zu bekommen, wo man sich noch einmal so voll einbringen kann, das finde ich toll."

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Große Chance dank Caspar-David-Friedrich-Jubiläum in Greifswald

Nach den ersten Monaten kann sie eine positive Bilanz ziehen, jeden Tag gehe eine neue Tür mit noch mehr Möglichkeiten auf. Zunächst versuche sie das Potenzial des Hauses auszuloten und einen gemeinsamen Weg zu finden, den sie mit ihrem Team gehen kann, erläutert sie ihre Vorgehensweise. Wie es mit dem Haus weitergehe, stoße bei der Stadt Greifswald, dem Land aber auch im Bund auf großes Interesse: "Da ist so viel Aufbruch - das ist faszinierend und großartig!"

Gleichzeitig habe sie die vergangenen Monate seit dem Ausbruch des Krieges in der Ukraine als sehr belastend empfunden, weil gerade der Kultursektor finanzielle Engpässe sofort zu spüren bekommen habe - etwa infolge der hohen Preise für das Heizen und sonstige Energiekosten. Gleichzeitig muss Slenczka sich mit einem großen Bauprojekt befassen. 2024 wird das große Caspar-David-Friedrich-Jubiläum in Greifswald gefeiert, denn dann steht der 250. Geburtstag des Malers an. Die Galerie der Romantik erhält bis dahin einen kleinen Neubau, das Haupthaus wird grundsaniert und zum Geburtstag mit einer neuen Ausstellung bespielt. "In diesem Jubiläum steckt eine riesige Chance, das gesamte Haus nach vorne zu bringen."

Grundfragen für kulturelle Bildung

Gerade um den Bildungs- und Vermittlungsbereich weiter auszubauen, sei das Jubiläum eine tolle Möglichkeit, um viele Partner zu gewinnen, ist Slenczka überzeugt: "Das Museum soll auch noch viel stärker zu einem Forum für Initiativen und Vereine werden." Das Ganze betrachte sie als riesige Aufgabe und Herausforderung: Die Besucherinnen und Besucher sollen heimisch werden, Beziehung zu dem Land pflegen, in dem sie leben und verstehen, was die Exponate mit ihrer eigenen Geschichte zu tun haben: "Ganz grundsätzlich glaube ich, dass wir einen Kulturverlust in unserer Gesellschaft haben. Die Dinge, die uns umgeben, nehmen wir als selbstverständlich wahr und haben uns abgewöhnt, Fragen daran zu stellen."

Wie man dieser Entwicklung als Museum entgegentreten könne, da fehle es ihrem Team nicht an kreativen Ideen. Und gerade als Mutter von vier Kindern kann Slenczka da von ganz persönlichen Erfahrungen profitieren - denn ihre Kinder wollten bei gemeinsamen Museumsbesuchen auch immer wissen, warum sie sich das anschauen sollen und was das mit ihnen zu tun habe. Diese Frage habe sie bei ihrer Arbeit immer im Kopf: "Das sind die Grundfragen für kulturelle Bildung - wenn die nicht beantwortet werden, wird es ja auch beliebig."

 


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Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur | Klassikboulevard | 30.07.2022 | 14:20 Uhr

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