Stand: 17.10.2022 00:00 Uhr

"November": Terroranschlag in Paris aus Sicht der Polizei

von Walli Müller

Der 13. November 2015 war der Tag, an dem islamistische Attentäter im Pariser Ausgehviertel und im Theater Bataclan ein Blutbad anrichteten. Sieben Jahre später scheint die Zeit reif, das Trauma in Filmen aufzuarbeiten.

Gleich drei Filme über die Anschläge von 2015 in Paris kommen bis Jahresende noch ins Kino. Der erste heißt schlicht "November" und startet diesen Donnerstag.

Perspektive der Polizei

Es ist etwa 21.30 Uhr, als an diesem Abend bei den Pariser Polizei-Dienststellen die Telefone heiß laufen: "Okay, Schüsse. In welchem Arrondissement? Im Zehnten." - "Wie viele Kommandos, ist unklar. Wir haben ein Team am Stade de France und eines im Zentrum. Schüsse auf der Rue du Charles beim Le Carrion." - "Severine, Du und Dein Team, Ihr fahrt zum Stade de France." - "Terroristen sind ins Bataclan eingedrungen - mitten im Konzert!"

Paris im Ausnahmezustand - aber der Film begibt sich nicht an die Orte des Grauens, sondern in die Einsatzzentrale der französischen Antiterror-Abteilung. "November" nämlich erzählt konsequent aus der Perspektive der Polizei. Während draußen auf den Straßen die Hölle los ist, müssen die Einsatzkräfte Ruhe bewahren und mit Bedacht vorgehen: "Wir sind auf so etwas vorbereitet. Aber wem die emotionale Belastung zu groß ist, darf gerne zur Seite treten. Persönliche Gefühle können wir jetzt hier nicht gebrauchen."

Teamwork statt Alleingang

Jean Dujardin, der als Stummfilm-Star in "The Artist" einen Oscar gewann, ist hier als Chef der Anti-Terror-Einheit im Einsatz. Kein klassischer Film-Held, der den Fall nun brillant im Alleingang löst, sondern nur derjenige, der ein ganzes Räderwerk zum Laufen bringen muss. Polizeiarbeit als Teamwork: "Sarah übernimmt die Arbeitsgruppe Observation. Ihr arbeitet im direkten Austausch mit der Gruppe Ermittlung. Die Arbeitsgruppe Cyber-Sicherheit übernehmen Julian und Melanie. Ihr betreibt sowohl Beobachtung als auch Infiltration und informiert uns über alle Posts, die den IS unterstützen, okay? Die Gruppe von Margot schließlich kümmert sich um die Opfer. Identifizierung und in welche Krankenhäuser eingeliefert."

Minutiös rekonstruiert Regisseur Cédric Jimenez die Ermittlungsarbeiten der kommenden fünf Tage. Denn so lange muss nach zwei flüchtigen Attentätern gefahndet werden, die jederzeit wieder zuschlagen könnten. Jede Zeugenaussage muss überprüft werden, die telefonisch eingeht - tausend täglich! Darunter irgendwann die entscheidende: "Ich weiß, wo die beiden Terroristen sind."

Drehbuch angenehm zurückhaltend

Jimenez' Film vermittelt einen spannenden Einblick in die Ermittlungen von damals - auch die Fehler, die gemacht wurden. "Der Vorteil eines Spielfilms ist ja, dass ich Dinge erzählen kann, die ich in der Realität so nicht filmen könnte", so der Regisseur. Die Anti-Terror-Abteilung sei ein sehr geheimer Dienst, da könne man nicht einfach mit der Kamera reinspazieren. "Auch Journalisten und Fotografen haben keinen Zutritt. Die einzige Möglichkeit, diese Arbeit zu zeigen, ist, dies auf fiktionale Weise zu tun", erklärt Jimenez.

Das Drehbuch ist dabei angenehm zurückhaltend. Zwar wird deutlich, dass alle Ermittelnden eine große Verantwortung spüren und zunehmend unter Schlafmangel leiden. Aber es geht weder um Heroisierung noch um die psychologische Verfassung einzelner, sondern um die gemeinsame Leistung des Kollektivs. Für das Publikum ist das etwas ungewohnt, weil sich - trotz bekannter Gesichter wie Jean Dujardin oder Sandrine Kiberlain in tragenden Rollen - keine direkte Identifikationsfigur anbietet. Aber gerade das hat Dujardin am Stoff überzeugt: "Ich denke, es ist wichtig, sich an diese Ereignisse zu erinnern und die Leistung der Sicherheitsbehörden zu würdigen. Sie sind da, um uns zu verteidigen. Ohne sie würde das reinste Chaos herrschen."

Erfolgreicher Filmstart in Frankreich

Wie sehr das Thema die Menschen in Frankreich sieben Jahre nach der Terror-Nacht immer noch bewegt, zeigen die Besucherzahlen von "November" dort: Über eine halbe Million schon in der Startwoche. Und schon bald folgt die Geschichte von Antoine Leiris, der seine Frau beim Anschlag aufs Bataclan verloren und ein bewegendes Buch mit dem Titel "Meinen Hass bekommt ihr nicht" darüber geschrieben hat. "Am Freitagabend habt ihr das Leben eines ganz besonderen Menschen gestohlen. Die Liebe meines Lebens. Die Mutter meines Sohnes", bemerkt Leiris in der Verfilmung.

"November" funktioniert wie ein Polizei-Thriller. Nur, dass hier nichts dazu erfunden oder überdramatisiert werden muss. Die Realität ist dramatisch genug und die Jagd auf die Täter von Minute zu Minute spannender.

Weitere Informationen
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"November"

Genre:
Drama
Produktionsjahr:
2022
Produktionsland:
Frankreich
Zusatzinfo:
Mit Jean Dujardin, Anaïs Demoustier, Sandrine Kiberlain, Lyna Khoudri u.v.a.
Regie:
Cédric Jimenez
Länge:
100 Minuten
FSK:
ab 12 Jahre
Kinostart:
ab 20. Oktober 2022

Dieses Thema im Programm:

NDR Info | Kultur | 17.10.2022 | 07:55 Uhr

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Spielfilm

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