"Walchensee Forever": Frauen-Generationen im Wandel der Zeit
Im Dokumentarfilm "Walchensee Forever" erzählt Janna Ji Wonders ihre Familiengeschichte. Und nebenbei vom gesellschaftlichen Wandel im Laufe eines Jahrhunderts.
Manchmal muss eine Regisseurin gar nicht lange suchen, um geeigneten Filmstoff zu finden. Die Dokumentarfilmerin Janna Ji Wonders fand ihn bei sich zu Hause: Ihre Familie betreibt seit 100 Jahren ein Café am oberbayerischen Walchensee. Und speziell die Geschichte der Frauen, die hier in der Küche standen und aus der Küche flohen, erzählt vom gesellschaftlichen Wandel im 20. Jahrhundert.
Janna Ji Wonders' Mutter erzählt die Familiengeschichte
Das Interesse am Fotografieren und Filmen hat Janna Ji Wonders von ihrer Mutter geerbt - zusammen mit einem Schatz an Fotos, Briefen, Tagebüchern und Film-Aufnahmen, die nun in diesen Dokumentarfilm einfließen. Sie selbst posierte schon als Kind häufig vor der Kamera der Mutter. 30 Jahre später nimmt nun Mutter Anna Platz vor der Kamera der Tochter.
Anna Werner ist als besonnene Erzählerin der Ruhepol in dieser bewegten Familienchronik, die mit der Eröffnung des Cafés am Walchensee 1924 beginnt - und mit den patriarchalen Strukturen damals. "Die Bewirtung haben meistens die Frauen gemacht. Die Küche war das Hoheitsgebiet der Frauen in der Familie", erzählt Anna Werner. Ihre Mutter bleibt nach gescheiterter Ehe in dieser Küche als Alleinherrscherin zurück.
Von der bayerischen Provinz ins Hippie-Leben

Wie so viele Männer seiner Generation hatte der Vater die verdrängten Kriegserlebnisse und seinen Groll mit nach Hause in die Familie gebracht. Keine geborgene Atmosphäre für die beiden Töchter Anna und Frauke. Die zwei Mädchen brechen mit Anfang 20 aus, lassen das enge Heimatdorf hinter sich und bereisen Mexiko.
Berauscht von ihren Erlebnissen und voller Lebenshunger geraten die zwei dann mitten hinein in den "Summer of Love" 1968 in San Francisco. "Europa ist eine malerische, aber enge Welt. Deutschland schläft im Vergleich zu Kaliforniens Leben", schreibt die bereits verstorbene Frauke in einem Brief aus dieser Zeit.So erklärt der Film, der in der Gediegenheit der bayerischen Provinz beginnt, plötzlich die Beweggründe der Hippie-Generation. Anna Werner hat noch ganz andere Geschichten auf Lager: Von ihrer Pilger-Reise durch Indien oder ihrer Zeit im Harem von Rainer Langhans.
"Walchensee Forever": Zerrissenheit vererbt sich
Diese Familiengeschichte ist wahrlich einzigartig - und zugleich universell. Denn sie beinhaltet auch Traumata, mit denen viele Familien fertig werden müssen. Der frühe Tod ihrer Schwester Frauke lastet bis heute auf Anna Werner und unterbewusst auch auf der Tochter Janna. Es geht in "Walchensee Forever" um Familien-Bürden, die über Generationen weitervererbt werden. Und um den Widerspruch zwischen Fernweh und Heimatliebe, den auch die Regisseurin kennt. Ihr Vater ist Amerikaner und führt bis heute sein Hippie-Leben in den USA. Die Mutter zog es dann doch zurück an den Walchensee. "Ich glaube, diese Zerissenheit hat sich in mir fortgesetzt", sagt die Regisseurin. "Genau deshalb war Oma so wichtig für mich, Oma war einfach immer da."
Mit dem Tod der Großmutter, die sich mit 105 Jahren noch von der Enkelin filmen lässt, und der Geburt von Janna Ji Wonders' Tochter schließt sich der Kreislauf des Lebens. Fünf Frauen-Generationen hat man am Ende kennengelernt. Und dabei miterlebt, wie im Laufe eines Jahrhunderts gesellschaftliche Korsette gesprengt worden sind.
Walchensee Forever
- Genre:
- Dokumentarfilm
- Produktionsjahr:
- 2020
- Produktionsland:
- Deutschland
- Regie:
- Janna Ji Wonders
- Länge:
- 120 Minuten
- FSK:
- ab 6 Jahren
- Kinostart:
- 21. Oktober 2021
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