Eindrücke der Ausstellung "Premierenfieber" im Historisches Museum Hannover. © NDR/ Svenja Estner Foto: Svenja Estner

"Premierenfieber": Ist Hannover noch eine Kinometropole?

Stand: 11.11.2022 11:39 Uhr

Im historischen Museum ist die Ausstellung "Premierenfieber" der Kinowelt im Hannover der 1950-Jahre auf der Spur. Und wie steht es heute um die Kino-Landschaft in der Stadt?

von Svenja Estner

Wann waren Sie das letzte Mal im Kino? Also so richtig mit schweren bequemen Sesseln, fernab von Netflix und anderen "On demand"-Anbietern? Das ist bei vielen von uns bestimmt schon ein Weilchen her. Warum also nicht einmal wieder in die Welt von Actionhelden, Romanzen und durchdringendem Kino-Sound eintauchen? Das geht nun in der Ausstellung "Premierenfieber" im historischen Museum in Hannover. Eine Zeitreise.

Hannover: In den 50ern wurden hier viele Filme uraufgeführt

Eindrücke der Ausstellung "Premierenfieber" im Historisches Museum Hannover. © NDR/ Svenja Estner Foto: Svenja Estner
Im improvisierten Kinosaal im historischen Museum Hannover wird ein Ausschnitt vom Kinofilm "Unruhige Nacht" von 1958 gezeigt.

In schwarz-weiß zucken junge Damen in Glockenröcken und kernige Männer in legeren Hemden über die Leinwand in dem kleinen improvisierten Kinosaal des historischen Museums. Die Idee zu der Ausstellung rund um die Kinometropole Hannover kam der Leiterin des Stadtarchivs, Cornelia Regin, bei Vorträgen des Kinoexperten Peter Struck: "In Hannover sind sehr viele Filme in der 50er-Jahren uraufgeführt worden. Davon gab es superschöne Fotos. Und dann habe ich gedacht: Das ist so schön, das sollten wir eigentlich in einer Ausstellung zeigen."

Dafür hat sich das Stadtarchiv mit dem Kinoexperten Struck, dem historischen Museum und dem hannoverschen Filminstitut zusammengetan. Die Museumsbesucherinnen und -besucher werden in die Zeit nach dem 2. Weltkrieg entführt. Damals waren viele der großen Filmpaläste in Hannover zerstört, sagt der Filmexperte und Kurator Struck: "Die ersten Kinos waren sicherlich einfach umgerüstete ältere Gaststätten in den Stadtteilen und Vororten. Tanzetablissements, die zu Kinos umgerüstet wurden. Und natürlich wurden die großen etablierten Kinopaläste der Vorkriegszeit langsam wieder aufgebaut."

Hans Albers, Romy Schneider und Co.: Kino-Stars tummelten sich in Hannover

Dazu gehörte auch das Kino "Weltspiele". Allein hier wurden 40 Filme uraufgeführt: Es war das größte Kino Niedersachsens mit fünf Vorstellungen pro Tag, sieben Tage die Woche - Spätvorstellungen gab es nicht. Neben den Spielzeiten war auch die Ausstattung der hannoverschen Kinosäle in der 50ern sehr eigen, erklärt Struck: "Mit dem Kunststoff Azella wurden die Sessel bespannt, aber auch die Wände - oft gerne auch rautenförmig abgesteppt. Natürlich wurde immer der Service schon mitgedacht: Platzanweiserinnen - allein in den Weltspielen waren 22 Damen, das kann man sich heute kaum noch vorstellen."

Eindrücke der Ausstellung "Premierenfieber" im Historisches Museum Hannover. © NDR/ Svenja Estner Foto: Svenja Estner
Es werden Original-Plakate von Kinofilmen gezeigt, die in Hannover uraufgeführt wurden.

Damit wir uns heute ein Bild vom damaligen Kinoprogramm machen können, zeigt das historische Museum Original-Filmplakate, unter anderem von dem Skandalfilm "Die Sünderin" mit Hildegard Knef oder dem Thriller "Blaubart". In Niedersachsen wurden auch viele Filme produziert: Vor allem in Göttingen und in Bendesdorf in der Lüneburger Heide drehten Stars wie Romy Schneider oder Hardi Krüger.

Sie ließen sich dann zur Filmpremiere gebührend feiern, erzählt Struck: "Zum Beispiel bei Hans Albers weiß man 1952, als er zu Blaubart anreiste, wann dieser Zug einlaufen wird. Und entsprechen groß war das Defilee schon allein am Bahnhof und dann ein Rattenschwanz, der sich vom Bahnhof in Richtung 'Weltspiele' ergoss und anschwoll. Man brauchte Sicherheitskräfte, sehr viel Polizei, um den Stars überhaupt den Weg ins Theater zu ebnen."

Ist Hannover noch die Kino-Stadt von einst?

Einige dieser Filme werden parallel zur Ausstellung im kommunalen Kino in Hannover gezeigt. Für Kinoleiter Ralf Knobloch-Ziegan ist Hannover heute keine Kinometropole mehr: "Aber wie ich finde, wir haben eine ganz gut funktionierende Kinolandschaft hier. Wir haben einige Arthouse-Kinos und wir haben das kommunale Kino. Letztendlich funktioniert das über die Jahre relativ gut."

Doch wie sehen das die kommerziellen Kinos? Frank Kasper ist Geschäftsführer des Astor-Kinos und vom Gegenteil überzeugt: "In Hannover ist eine ziemlich hohe Leinwanddichte - 27, 28 Kinoleinwände, was für 500.000 Einwohner schon sehr viel ist. Generell würde ich Hannover immer noch als Kinometropole bezeichnen, eine sehr filminteressierte und kulturinteressierte Stadt."

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"Premierenfieber": Ist Hannover noch eine Kinometropole?

Im historischen Museum in Hannover ist die Ausstellung "Premierenfieber" der Kinowelt der 1950-Jahre auf der Spur.

Datum:
Ende:
Ort:
Historisches Museum
Pferdestraße 6
30159 Hannover
Telefon:
0511 16843052
Preis:
Erwachsene: 5 €; Ermäßigt: 4 €; Freitags: freier Eintritt
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Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur | Matinee | 11.11.2022 | 09:20 Uhr

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