Tricia Tuttle lächelt bei einem Pressetermin der Berlinale zur neuen Intendanz neben einem roten Berlinale-Poster © Sebastian Christoph Gollnow/dpa +++ dpa-Bildfunk +++ Foto: Sebastian Christoph Gollnow
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AUDIO: Neue Berlinale-Intendantin: Wer ist Trisha Tuttle? (5 Min)

Neue Berlinale-Intendantin: Wer ist Tricia Tuttle?

Stand: 12.12.2023 18:30 Uhr

Tricia Tuttle aus den USA übernimmt im April 2024 die Intendanz des größten deutschen Filmfestivals - der Berlinale. Sie wird Nachfolgerin des bisherigen Leitungsduos Mariette Rissenbeek und Carlo Chatrian. Einschätzungen zu dieser Personalie von NDR Kultur Filmexpertin Katja Nicodemus.

Was bringt Tricia Tuttle mit an Qualifikationen für die Leitung der Berlinale?

Katja Nicodemus: Sie ist US-Amerikanerin, in North Carolina geboren. Sie spricht mit makellosem britischen Akzent, das konnte man auf der Pressekonferenz hören, wo sie von Claudia Roth vorgestellt wurde. Denn sie lebt schon lange in London. Sie ist 53 Jahre alt und hat 25 Jahre Erfahrung im Film- und Festival-Business, denn sie leitete unter anderem fünf Jahre lang das London Filmfestival - und auch wichtig: das Flair Festival, ein schwul-lesbisches Festival. Das ist interessant, weil sie mit der Erfahrung auch auf den queeren Schwerpunkt der Berlinale trifft. Bei einer kleinen Umfrage unter dem internationalen Festival-Publikum haben sie die meisten Leute als "cool" bezeichnet.

Für welches Kino, für welchen Filmbegriff steht Tricia Tuttle?

Nicodemus: Sie steht in jedem Fall für eine große Bandbreite. Sie hat als Festivalleiterin zum Beispiel in London eine Sektion für Serien eingeführt und auch eine für experimentelles Kino, für Formate, die in die bildende Kunst, in die Videokunst übergehen. Es gibt alle paar Jahre eine Umfrage unter Filmschaffenden oder Filmleuten zu den besten Filmen aller Zeiten. Und bei ihr stehen auf der Liste Filme von Ingmar Bergman, von Pabst, also Klassiker. Aber auch Céline Sciammas "Porträt einer jungen Frau in Flammen" und "The Terminator" von James Cameron mit Arnold Schwarzenegger. Man kann also auf ihren Geschmack neugierig sein.

Es ist in den letzten Jahren nicht so richtig rund gelaufen bei der Berlinale. Vorgänger Carlo Chatrian wurde von der Presse kritisiert - als dann durch das Bundeskulturministerium entschieden worden ist, dass er gehen soll, haben sich allerdings Filmschaffende beschwert. Was war da los?

Nicodemus: Man muss erst mal sagen, dass es auch inhaltliche Probleme bei ihm gab. Chatrian ist Cineast, aber cineastische und kuratorische Kompetenz reicht allein nicht aus, um eine Riesenveranstaltung wie die Berlinale zu managen, um ihr ein Gesicht und auch ein Profil zu geben. Und das wurde von Chatrian erwartet. So eine kuratorische Vision, eine Handschrift, eine Idee zum größten Publikumsfestival der Welt hat sich bei ihm nicht so wirklich herausgebildet. Darauf hat Claudia Roth reagiert - allerdings mit einer kulturpolitischen Kamikaze-Aktion, nachdem die Geschäftsführerin Mariette Rissenbeek, also die eine Seite des Leitungsduos, ihren altersbedingten Rücktritt für das kommende Jahr angekündigt hatte. Da hat Claudia Roth eine Rückkehr zum alten Intendantenmodell verkündet. Chatrian hätte dableiben können, aber nicht als alleinverantwortlicher künstlerischer Leiter. Das war keine elegante Art, einen Leiter zu konfrontieren, und er hat dann hingeworfen.

Das ist also kein so leichtes Erbe für die Neue, für Tricia Tuttle, oder?

Nicodemus: Es ist kein leichtes Erbe, aber das, glaube ich, wird für sie nicht so eine große Last sein, weil sie an diesen Verwerfungen eigentlich nicht beteiligt ist. Die Spannungen betrafen ja das Leitungsduo - Chatrian und Rissenbeck untereinander und ihr Außenverhältnis zum Kultusministerium. Ich glaube, dass die Filmbranche das ziemlich schnell vergessen wird und auch die Berliner Leute jetzt erst mal nach vorne blicken.

Welche Herausforderungen warten noch auf die neue Berlinale-Chefin?

Nicodemus: Man muss sagen, dass die Berlinale in keinem super Zustand ist. Tuttle trifft auf ein Festival, das große strukturelle Probleme hat. Eigentlich kann man allgemein sagen: Die Berlinale muss in der Stadt Berlin neu verankert werden. Das Kino "Arsenal" und "Kinemathek" werden das Filmhaus am Potsdamer Platz verlassen - wegen teurer Mieten und auslaufender Verträge. Es ist nicht sicher, ob der Berlinale Palast, der alljährlich vom Musicaltheater unter enormen Kosten in ein Kino verwandelt wird, weiter beim Festival dabei ist. Der Friedrichstadtpalast ist schon weggebrochen. Allein das muss sie erst einmal lösen und mit der Stadt Berlin und anderen Trägern verhandeln, bevor sie sich überhaupt inhaltlichen Probleme so richtig widmen kann.

Gibt es schon außer "she is cool" weitergehende Reaktionen auf die neue Frau an der Berlinale-Spitze?

Nicodemus: Sie war auch sehr humorvoll bei der Vorstellung, und das Festival ist ja immer auch ein bisschen wie der Mensch, der es leitet. Da wirkte sie wie eine starke Persönlichkeit, aber auch mit Selbstironie. Es gab danach auch Applaus. Was ich jetzt von der internationalen Presse, der angelsächsischen Presse mitbekommen habe: Da herrscht eine große Euphorie. Zum Beispiel hat auch Tilda Swinton sich schon geäußert. Ich glaube, die Leute werden ihr erst mal einen kleinen roten Teppich ausbreiten.

Das Gespräch führte Mischa Kreiskott.

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Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur | Journal | 12.12.2023 | 16:25 Uhr

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