"Feinde" in der ARD: Ein Fall - zwei Perspektiven
Was ist Recht? Und was ist Gerechtigkeit? Diese Fragen nimmt kaum einer so meisterlich auseinander wie der Bestsellerautor und Jurist Ferdinand von Schirach. So auch in seinem neuen Fernsehprojekt "Feinde", das am 3. Januar in Das Erste um 20.15 Uhr läuft.
Der Clou diesmal: Der Kriminalfall - die Entführung einer Teenagerin - wird aus zwei Perspektiven erzählt. Ein Film folgt dem ermittelnden Beamten, der andere dem Strafverteidiger. Und am Ende dürfen die Zuschauer entscheiden, ob er hier richtig gehandelt wurde.
Nach der ersten Szene trennen sich die Erzählwege
Die Entführungsszene ist in beiden Filmen gleich, aber kurz danach trennen sich ihre Erzählwege. "Feinde - Gegen die Zeit" folgt im Ersten dem ermittelnden Kommissar Nadler, gespielt von Bjarne Mädel. Nadler hat schnell einen Verdächtigen ausgemacht und fürchtet um das Leben des entführten Mädchens. Er sieht nur einen Weg, um an Informationen zu kommen: Gewalt.
Realer Entführungsfall Jakob von Metzler als Vorbild
Vorbild für das Szenario war der reale Entführungsfalls des Bankierssohns Jakob von Metzler. Damals erzwang der damalige Vize-Polizeipräsident Wolfgang Daschner mit Gewaltandrohung die Aussage des Verdächtigen. Daschner musste sich danach strafrechtlich verantworten. Im Film heißt er Nadler - und Schauspieler Bjarne Mädel kann sein Verhalten absolut nachvollziehen: "Der Polizist, den ich spiele steht exemplarisch für alle Eltern. Diese würden alles machen, um ihr Kind zu retten."
Krimi im Ersten, Justizdrama in den dritten Programmen
Das sieht Strafverteidiger Biegler - gespielt von Klaus Maria Brandauer - ganz anders. Seine Perspektive unter dem Titel "Feinde - Das Geständnis" wird ebenfalls um 20.15 Uhr gesendet - auf allen dritten Programmen. Darin wird eine ganz andere Geschichte erzählt. Der Film im Ersten erzählt einen Krimi, der Film in den dritten Programmen ein Justizdrama. "Es gibt einen entscheidenden Punkt, der mich zum Nachdenken gebracht hat. Es ist die Frage des Anwalts: Wer entscheidet denn im konkreten Fall, ob man Gewalt anwenden darf, um Informationen zu erhalten und ob man das nicht darf?" Der Film mache deutlich, dass schnell eine Tür zu Machtmissbrauch und Willkür geöffnet werden könne. "In so einem Land wollen wir auch nicht leben", so Mädel.
Am Ende ist das Publikum gefragt: Freispruch oder nicht?
Was beide Filme und die Geschichten von Schirach allgemein immer wieder ausmachen: die Frage nach Recht und Gerechtigkeit. Egal, für welche Version sich die Zuschauerinnen und Zuschauer entscheiden, beide Perspektiven bieten eine hohe Spannung. Nur wenige Szenen doppeln sich - wie etwa die Entführung oder das Gespräch mit den Eltern - ansonsten ist jede Version eine ganz eigene Geschichte. Am Ende, egal ob man nun den Krimi oder das Justizdrama gesehen hat, ist wieder das Publikum gefragt: Soll Nadler freigesprochen oder verurteilt werden?
