Hamburger Theaterfestival: Donnernder Applaus für Burgtheater

Stand: 18.05.2023 07:48 Uhr

Zum 15. Mal findet das Hamburger Theaterfestival statt. Nun ging es los - Hamburg feierte das Burgtheater mit donnerndem Applaus. Bis zum 15. Juni stehen zahlreiche Aufführungen in verschiedenen Theatern auf dem Programm.

Ein Mann im blauen Sakko schaut mit weit aufgerissenen Augen nach rechts © Andreas Pohlmann Foto: Michael Maertens
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von Peter Helling

Seit 2009 lädt das Hamburger Theaterfestival die größten und bekanntesten Bühnen im deutschsprachigen Raum, Theater-Stars und wuchtige Stoffe nach Hamburg ein. Den Auftakt zum diesjährigen Festival macht am Dienstagabend eine Produktion des Wiener Burgtheaters in Koproduktion mit der Ruhrtriennale: Arthur Schnitzlers "Das weite Land" polarisiert - und erntet doch donnernden Applaus: Auf der Bühne des Deutschen Schauspielhauses verbeugt sich ein glänzendes Ensemble, Birgit Minichmayr, Bibiana Beglau, Michael Maertens, um nur drei zu nennen.

Viel Stillstand auf der Bühne

Es ist Theater wie von einem anderen Stern. Das ist nicht ausschließlich positiv gemeint: Denn einerseits spielen die Schauspielerinnen und Schauspieler in einer eigenen Liga, ein Fest des präzisen psychologischen Bühnenkunst. Andererseits - wird hier im eleganten Cocktailkleid und grauen Anzug ganz schön viel gestanden, geschwiegen, zwei Meter vor, drei zurückgetreten.  

Die Resonanz beim Publikum ist dementsprechend durchwachsen: Von "lahm" über "ganz schlecht" bis zu "langweilig" reichen die Urteile. Aber auch positive Rückmeldungen gibt es: "Es war mal wieder Theater, wie man es so von früher kennt", sagte ein Zuschauer nach der Vorstellung. 

Messerscharfe Dialoge in Schnitzlers Tragikomödie

"Das weite Land" von Arthur Schnitzler, eine Tragikomödie mit messerscharfen Dialogen. Im Zentrum steht Friedrich Hofreiter, ein lebensmüder Glühlichter-Fabrikant - ausgebrannt, süchtig nach Liebe, die er seiner Ehefrau nicht gönnt. Michael Maertens ist ein hohläugiges Ereignis, ein Silberrücken: Er beißt die junge männliche Konkurrenz wie ein alter Gorilla förmlich tot. "Es ist überhaupt dumm eingerichtet auf der Welt. Mit 40 sollte man jung werden, dann hätte man erst was davon", so Maertens als Hofreiter.

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Publikum sieht Dinosauriern beim Sterben zu

Die Bühne ist mit einem Ascheteppich bedeckt, darin stehen schwere Ledersessel, die Möbel des Patriarchats. Und da hat Barbara Freys statische Regie plötzlich Sinn: Wir sehen Dinosauriern beim Aussterben zu. Wer betrügt hier wen? Und wen kümmert das überhaupt noch? Sie, Hofreiters Ehefrau - wunderbar gespielt von Birgit Minichmayr, die für die erkrankte Katharina Lorenz eingesprungen ist - wird von Otto, dem Sohn einer Freundin, umworben. Nervös und lebenshungrig, gespielt von Felix Kammerer, dem gefeierten Hauptdarsteller im Film "Im Westen nichts Neues".

Theater, das zum Nachdenken anregt

"Ich finde es vor allen Dingen super, dass es nicht dieser Klamauk ist, der im Vordergrund war, sondern dass es wirklich Theater ist, das zum Nachdenken anregt", findet eine Zuschauerin. "Es ist anders, als was wir sonst so im Schauspielhaus sehen. Ich musste mich ehrlich gesagt etwas umgewöhnen, da fehlen so ein bisschen die großen Installationen, irgendein Feuerwerk auf der Bühne", bemängelt ein anderer Besucher.

Stattdessen erheben sich hinter einem durchsichtigen Vorhang plötzlich die mondbeschienenen Dolomiten. Als der Vorhang aufgeht, sieht man einen gigantischen Tunnel-Bohrkopf, der die Bühne durchfräst wie den Gotthard. Die alte Welt ist morsch.

Intendant Besch: "Kunst schafft eine neue Welt"

Nikolaus Besch, Initiator des Hamburger Theater Festivals © Theater Festival
Nikolaus Besch, Intendant des Hamburger Theaterfestivals, bringt jedes Jahr hochkarätige Theaterproduktionen aus dem deutschsprachigen Raum nach Hamburg.

"Kunst schafft eine neue Welt und bringt die kaputte alte oft wieder in Ordnung, das ist doch groß!", sagt Intendant Nikolaus Besch zur Begrüßung. Das Hamburger Theaterfestival ist ein Who's who der Bühne, gediegen, erstklassig. Dem Publikum hat es gefallen: "Diese unterschiedlichen Theater aus dem deutschsprachig-europäischen Raum, die machen einfach Spaß", findet ein Zuschauer. Eine andere Zuschauerin lobt das "wirklich superhohe Niveau".

Es kommen in den folgenden Wochen noch einige große Namen, vor allem aus Berlin. Stefanie Reinsperger etwa vom Berliner Ensemble, vom selben Haus Matthias Brandt in "Mein Name sei Gantenbein", außerdem Joachim Meyerhoff und die große Angela Winkler von der Schaubühne.

Hamburger Theaterfestival: Donnernder Applaus für Burgtheater

Mit Schnitzlers "Das weite Land" startete das Hamburger Theaterfestival - mit Michael Maertens und Birgit Minichmayr.

Datum:
Ende:
Ort:
Verschiedene Theater in Hamburg

Hamburg
E-Mail:
info@hamburgertheaterfestival.de
Preis:
18 - 69 Euro
Kartenverkauf:
https://hamburgertheaterfestival.de/tickets
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Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur | 17.05.2023 | 08:20 Uhr

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Theaterfestival

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