Eine Tänzerin springt in die Luft © Staatstheater Braunschweig

"Der BigMac der Musikliteratur": Carmina Burana feiert Premiere

Stand: 05.11.2023 10:52 Uhr

Mit Carmina Burana schuf Carl Orff 1935/36 eines der populärsten Werke des 20. Jahrhunderts. Und polarisierte. Von den einen wurde sein Werk gefeiert, von den anderen verschmäht. Heute gilt es als Klassiker und wird nun im Staatstheater in Braunschweig aufgeführt.

Es ist ein gewaltiges Bühnenerlebnis im Großen Haus des Braunschweiger Staatstheaters, das Tanz, Gesang und Rhythmus miteinander vereint. Orffs Liedtextsammlung besticht durch einen intuitiven Zugang zum Klang, zeichnet sich aus durch mitreißende Rhythmen, verwoben mit volkstümlichen Klängen, erklärt Choreograph Gregor Zöllig: "Das ist ein Feuerwerk von ganz vielen unterschiedlichen Emotionen, nicht nur tänzerisch, sondern auch musikalisch. Das ist sozusagen der BigMac der großen Musikliteratur. Wir kennen diese Musik, das sind so viele bekannte Melodien. Wir kennen sie aus der Werbung und es verhandelt halt weltliche Themen, die menschliches Zusammenleben ausmachen."

Alte Sprache, die bis heute nichts an Bedeutung verloren hat

Und zwar weltliche Themen, die die Menschen damals bewegten. Die Texte in mittelhochdeutscher, lateinischer und französischer Sprache stammen zwar aus dem 11. und 12. Jahrhundert, sie haben aber bis heute nichts an ihrer Bedeutung verloren. Zöllig und sein Team wollten genau das auf die Bühne bringen. "Wir haben die Texte gelesen, die Musik gehört und versucht, Bilder dafür zu finden, die uns heute betreffen. Damals hat man geliebt und heute hat man das auch. Damals hat man ein Bedürfnis nach Sicherheit gehabt und heute hat man das auch. Damals gab es wechselhafte Zeiten und heute gibt es das auch", so Zöllig.

Weitere Informationen
Theatersitze © picture alliance / dpa Foto: Patrick Pleul

Theater: Aktuelle News, Kritiken und Interviews

Was wird gespielt auf den Bühnen im Norden? Welche Haltung nimmt das Theater zu aktuellen Fragen ein? Und, wie kommen die Produktionen beim Publikum an? NDR.de gibt Antworten. mehr

Bewegungen übersetzen Themen wie Ausgrenzung und Leidenschaft

Eine Tänzerin springt in die Luft © Staatstheater Braunschweig
An der Inszenierung des Werkes haben 180 Menschen mitgewirkt, darunter 15 Tänzer:innen und 100 Sänger:innen.

Und das ist ihnen kunstvoll gelungen. 15 Tänzerinnen und Tänzer bewegen sich mit eindrucksvoller Körperspannung und Ausdauer aufeinander zu, voneinander weg und übersetzen eine Bandbreite an Themen, wie Gemeinschaft und Ausgrenzung, Leidenschaft, Trauer und Abhängigkeit in spannungsgeladene Bewegung. Dramaturgin Ira Goldbecher: "Wir haben hier einen Kometen, oder eine Gruppe definiert, Identitäten findet, aber eben auch ausgrenzet, dieser Komet beeinflusst alles. Und das ist der äußerliche Rahmen und der hält natürlich auch alles, was inhaltlich in den Liedern passiert und in der Choreographie transportiert wird."

Größte Produktion in der Geschichte des Staatstheaters

Mit mehr als 180 Beteiligten, darunter neben den Tänzern 65 Musiker und 100 Sänger, ist die Carmina Burana die größte Produktion in der Geschichte des Staatstheaters Braunschweig - zumindest, wenn man auf die Zahl der Mitwirkenden schaut. Für Dramaturgin Ira Goldbecher eine Herausforderung: "Natürlich ist so spartenübergreifendes Arbeiten total schön, aber es ist auch ein extrem anstrengendes Arbeiten. Weil natürlich die Prozesse in den einzelnen Gewerken, in den einzelnen Abteilungen optimiert sind. Und jeder Künstler oder Künstlerin hat andere Bedürfnisse. Im Tanz haben wir ganz andere Bedürfnisse als das Orchester, als das Sängerensemble, und deswegen ist natürlich das schwierige in den Prozessen, die hinter und vor der Bühne passieren, da auf einen gemeinsamen Nenner zu kommen." Der Besucher merkt davon nichts. Das Zusammenspiel von Musik und Tanz, von Vergangenheit und Gegenwart wirkt ansteckend, und lohnt sich, anzuschauen.

Die szenische Kantate "Carmina Burana" können Sie bis zum 18. Februar im Staatstheater in Braunschweig erleben.

Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur | 04.11.2023 | 14:20 Uhr

Schlagwörter zu diesem Artikel

Tanz

Szene aus einer "Carmnina Burana" Aufführung von Carl Orff (1895 - 1982) des Württembergischen Staatstheaters Stuttgart am 27. Februar 1941, Inszenierung von Gustav Deharde, Bühnenbild Axel Bopp. © picture-alliance / akg-images
15 Min

8. Juni 1937: Carl Orffs "Carmina Burana" werden uraufgeführt

Die "Lieder aus Beuren" für einen gigantischen Chor und Orchester wurden zum erfolgreichsten Werk klassischer Musik des 20. Jahrhunderts. 15 Min

Eine Frau im Jackett lächelt in die Kamera. © Staatstheater Braunschweig Foto: Volker Conradus

"Die Welt als veränderbar zeigen": Theaterintendantin Schlingmann

Menschen können im Theater ihre Realität neu denken - ein Essay von Dagmar Schlingmann, Intendantin des Staatstheaters Braunschweig mehr

Eine Frau in einem roten Kleid und einem Umhang vor grauem Hintergrund © Kerstin Schomburg / Schauspiel Hannover Foto: Kerstin Schomburg

Gott ist nicht-binär: Theater spielen mit Geschlechtsidentitäten

Wie gehen Theater im Norden mit der Debatte um Geschlechtsidentitäten sowie mit nicht-binären Darstellenden um? mehr

Der Arm einer Frau bedient einen Laptop, der auf einem Tisch in einem Garten steht, während die andere Hand einen Becher hält. © picture alliance / Westend61 | Svetlana Karner

Abonnieren Sie den NDR Kultur Newsletter

NDR Kultur informiert alle Kulturinteressierten mit einem E-Mail-Newsletter über herausragende Sendungen, Veranstaltungen und die Angebote der Kulturpartner. Melden Sie sich hier an! mehr

NDR Kultur App Bewerbung

Die NDR Kultur App - kostenlos im Store!

NDR Kultur können Sie jetzt immer bei sich haben - Livestream, exklusive Gewinnspiele und der direkte Draht ins Studio mit dem Messenger. mehr

Mann und Frau sitzen am Tisch und trinken Tee. © NDR Foto: Christian Spielmann

Tee mit Warum - Die Philosophie und wir

Bei einem Becher Tee philosophieren unsere Hosts über die großen Fragen. Denise M‘ Baye und Sebastian Friedrich diskutieren mit Philosophen und Menschen aus dem Alltag. mehr

Mehr Kultur

Der Filmemacher Andreas Dresen steht vor einer Plakatwand des Filmkunstfestes Mecklenburg-Vorpommern. © Filmkunstfest Mecklenburg-Vorpommern Foto: David Harms

Filmpreis "Fliegender Ochse" geht an "In Liebe, Eure Hilde"

Regisseur Andreas Dresen hat beim Filmkunstfest MV in Schwerin den Hauptpreis im Spielfilmwettbewerb verliehen bekommen. mehr