"Wie ein Mann nichts tat...": Wahre Geschichte eines Wunders
Der Schweizer Autor Lukas Maisel erzählt in seinem Roman "Wie ein Mann nichts tat und so die Welt rettete", wie der sowjetische Offizier Stanislaw Petrow an einem Septembermontag 1983 den Dritten Weltkrieg verhinderte.
Wenn Sie diese Geschichte lesen, wissen Sie schon, wie sie ausgehen wird: Dass Sie leben, ist der Beweis dafür, dass sie gut ausgegangen ist. Leseprobe
Stanislaw Petrow lebte in einem der geheimen sowjetischen Militär-Städtchen, wie es damals einige gab. Er arbeitete dort beim Raketenabwehrzentrum, sollte also Atomangriffe auf die Sowjetunion so rechtzeitig melden, dass ein Gegenschlag möglich wäre. Am 26. September 1983 muss Petrow für einen kranken Kollegen einspringen. Und dann passiert, wovor alle im Abwehrzentrum immer Angst hatten:
Um null Uhr fünfzehn ging der Alarm los. Die Sirene schrillte, die Beleuchtung ging an. Das Neonlicht schmerzte in seinen Augen, er nahm alles in stechender Klarheit wahr. Als würde man aus dem Tiefschlaf gerissen, so fühlte es sich an: wenn man sich erschrocken umsieht und nicht weiß, ob man noch träumt oder schon wach ist. Leseprobe
Der Alarm bedeutet, dass amerikanische Atomraketen Richtung Moskau fliegen könnten. Petrow ist in diesen Minuten, die er hat, um zu reagieren, vollkommen klar, was auf dem Spiel steht. Das erzählt er später in einer Dokumentation: "Totale Auslöschung allen Lebens. (...) Die Atombomben von Hiroshima und Nagasaki wirken wie Spielzeuge im Vergleich zu den 11.000 nuklearen Sprengköpfen, die damals eingesetzt worden wären."
Im Abwehrzentrum bricht Panik aus, alle warten auf den Befehl Petrows. Und der zweifelt, denn er vertraut dem eigenen Großrechner M-10 nicht. Und war nicht auch den Amerikanern vollkommen klar, dass sie diesen Erstschlag nicht überleben würden?
Ein Bauchgefühl, das sich als richtig erwies
Lukas Maisel beschreibt diesen unfassbaren und vielleicht schwersten Konflikt, in den ein Mensch geraten kann, nüchtern, fast dokumentarisch. Und das ist ein kluger Schachzug, denn die Emotionen entstehen durch den Druck, durch die Entscheidung zwischen Leben und Tod, und benötigen keine sprachliche Verstärkung.
Die Lage im Abwehrzentrum scheint sich unterdessen weiter zu verschärfen. Angeblich fliegen jetzt fünf Raketen auf die Sowjetunion zu. Petrow folgt seinem Gefühl und tut - nichts:
"Wir haben einen Fehlalarm", ließ Petrow seinen Vorgesetzten Ogarkow wissen. Wenn Petrow seine Entscheidung jetzt mit handfesten, nachvollziehbaren Argumenten begründen müsste, würde er ins Stammeln kommen. Seine Entscheidung beruhte auf einem Bauchgefühl. Leseprobe
Und dieses Gefühl ist vollkommen korrekt, die Fehlalarme waren durch eine seltene Ausrichtung des Sonnenlichts auf hochgelegene Wolken ausgelöst worden. Stanislaw Petrow verhinderte am 26. September 1983 den Dritten Weltkrieg: "Ich nahm das Mikrofon in die Hand und sprach allen über Lautsprecher meine tiefe Dankbarkeit aus. Was für eine Freude. Ich fühlte mich wie neugeboren."
Lukas Maisels Roman "Wie ein Mann nichts tat und so die Welt rettete" ist ein sehr schmaler Band von 120 Seiten. Maisel zeigt einen Menschen in einer absoluten Ausnahmesituation. Er bleibt nah am Geschehen, aber um die Brisanz wirklich verstehen zu können, bekommt man als Leserin nicht allzu viel Hintergrund. Es schadet deshalb nicht, einen kleinen privaten Internet-Exkurs in die Zeit des Kalten Krieges zu machen. Um zu begreifen, was Stanislaw Petrow wirklich getan hat.
Wie ein Mann nichts tat und so die Welt rettete
- Seitenzahl:
- 128 Seiten
- Genre:
- Roman
- Verlag:
- Rowohlt
- Bestellnummer:
- 978-3-498-00730-0
- Preis:
- 23 €
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Romane
