Alena Schröders neuer Roman über eine Mutter-Tochter-Beziehung

Stand: 13.08.2023 13:27 Uhr

"Bei euch ist es immer so unheimlich still" ist ein unterhaltsamer wie bewegender Roman, ohne sprachliche Eitelkeiten, auf Augenhöhe mit Leserinnen und Lesern, schnörkellos, aber nicht trocken. Die Vorgeschichte eines anderen Romans von Alena Schröder.

von Danny Marques Marcalo

"Junge Frau, am Fenster stehend, Abendlicht, blaues Kleid": Mit diesem Roman gelang Alena Schröder vor zwei Jahren ein großer Erfolg. Nun veröffentlicht sie die Vorgeschichte. "Bei euch ist es immer so unheimlich still" heißt das Buch. Wie der erste Band spielt auch dieser auf zwei Zeitebenen. Zum einen im Jahr 1989, als eine Frau aus West-Berlin zurück in ihr schwäbisches Heimatdorf kommt. Außerdem in den 1950er-Jahren, als ihre Mutter sich den Gegebenheiten der Zeit unterwerfen muss.

Silvia kehrt zurück in ihre Heimat

West-Berlin, 1989, kurz vor der Wende. Silvia ist gerade Mutter geworden. Der Vater hat sich aus dem Staub gemacht. In der Stadt hält sie es nicht mehr aus, packt das Baby ein und fährt los, in die schwäbische Provinz. 15 Jahre hat sie sich dort nicht mehr blicken lassen.

Sie war einem archaischen Impuls gefolgt, einem Gefühl, an das sie sich kaum noch erinnern konnte, so lange hatte sie es nicht mehr gespürt. (…) Da hatte Silvia es erst nur gedacht und dann leise geflüstert. "Ich will meine Mama." Leseprobe

"Ich glaube, wenn man ein Kind bekommt, ist das ein sehr starker Impuls, sich mit der eigenen Mutter auseinanderzusetzen und vielleicht auch auf eine Art zu versöhnen. Ich glaube, das ist etwas sehr Archaisches, dass man in einem Moment größter Verletzlichkeit diese Verbindung spüren möchte", sagt Autorin Alena Schröder. Silvia und vor allem ihre Mutter, die Ärztin Evelyn, kennt man aus Schröders vorherigem Buch "Junge Frau, am Fenster stehend, Abendlicht, blaues Kleid."

Weitere Informationen

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Zweite Zeitebene erzählt von Evelyns Vergangenheit

Im neuen Buch gibt es eine zweite Zeitebene, die erzählt, wie Evelyn einst von der Ostsee in die Nähe von Stuttgart kommt. Diese Kapitel riechen nach alter BRD, Klosterfrau Melissengeist, Bienenstich und einem großen Schweigen über die Vergangenheit.

Sie war nicht wie die Frauen hier, da konnte sie sich noch so viel Mühe geben. Wenn sie beim Bäcker oder beim Metzger anstand, wurden die Gespräche plötzlich leiser. Wie man sie "Frau Doktor" nannte, mit dieser ganz leichten Herablassung in der Stimme, eine vergiftete Respektsbezeugung. Leseprobe

Schröder lässt Protagonistinnen ohne viele Worte kommunizieren

Sehr elegant verwebt Alena Schröder die Geschichten von Mutter und Tochter über die nach und nach verlaufenden Jahrzehnte. In einem Ton, der sich zwischen Unterhaltungsliteratur und differenzierter Analyse bewegt. Im ersten Buch gab es die Suche nach einem Gemälde, was sich wie ein roter Faden durchzog. So ein Stilmittel gibt es diesmal nicht. Das macht das Buch möglicherweise noch besser als den gelungenen ersten Roman. Besonders stark, wenn Silvia und Evelyn kommunizieren, ohne viel zu reden.

Evelyn seufzte. So recht konnte Silvia dieses Seufzen nicht deuten. Normalerweise hätte sie es als klassisches Enttäuschungsseufzen aufgefasst (…) Aber jetzt war sie sich nicht sicher. "Gleich fängt "Lindenstraße" an", sagte Evelyn schließlich (…) "Ich habe Aufschnitt da, ich kann uns Brote machen. Hast du Hunger?" Leseprobe

Unterhaltsam und bewegend - ein tolles Buch

"Ich glaube, dass das am schwierigsten ist, mit den Leuten, die uns am Nächsten sind, wirklich offen zu sprechen. Da ist noch so viel drumherum, dass es manchmal schwierig ist, präzise auf den Punkt zu kommen. Dass da Angst ist, wenn man bestimmte Dinge ausspricht, sie nicht mehr zurücknehmen zu können", sagt Alena Schröder. Die Frauen finden einen Weg miteinander. Das ist rührend, aber nicht kitschig. Dieses Buch sei ihrer schwerer gefallen als das erste, gibt die Autorin zu.

Doch das merkt man nicht. Es ist ein durchweg unterhaltsamer wie bewegender Roman, ohne sprachliche Eitelkeiten, auf Augenhöhe mit Leserinnen und Lesern, schnörkellos, aber nicht trocken. Ein tolles Buch. Alena Schröder spielt mit dem Gedanken, einen dritten Roman in diesem Kosmos spielen zu lassen.