Hellmuth Karasek - mehr Liebhaber als Papst
Er war einer der prägenden Kritiker und Intellektuellen der bundesdeutschen Nachkriegszeit. Doch Hellmuth Karasek, jahrzehntelang Leiter des Kulturressorts beim "Spiegel" und dann Mitherausgeber des Berliner "Tagesspiegel", scheute auch nie die Nähe zum Boulevard. Seine Fernsehkarriere begann 1988 mit dem "Literarischen Quartett".
Ein "Turbokarpfen", geprägt von Billy Wilder
Einen "schillernden Turbokarpfen im Teich der grauen Kritikerhechte" hat ihn die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" einmal genannt, eine Bezeichnung, mit der Hellmuth Karasek gut leben konnte. Schließlich sah er sich immer auch als Entertainer. Prägend war für ihn in diesem Zusammenhang die Begegnung mit Billy Wilder, über den der bekennende Cineast auch eine viel beachtete Gesprächsbiografie verfasste. Wilder verkörperte für Karasek - wie George Gershwin - die gelungene Symbiose aus E und U, Ernst und Unterhaltung: "Ich denke, dass Gershwin für mich deshalb auch wichtig war, weil ich immer nach Punkten gesucht habe, wo sich U und E vermischt und berührt, wo sie zusammenkommen, ohne dass ein Teil dabei verliert."
Kein Wunder, dass Karasek auch ein begnadeter Witze-Erzähler war: Er hörte sich gerne reden, wusste aber immer im rechten Moment die Pointen zu setzen: "Es ist sozusagen mein Türöffner in die Herzen der Frauen. Manchmal geht das auch schief, manchmal geht das auch mit Absicht schief. Man muss den Witz nämlich sehr weit treiben."
Zwei große Umbrüche im Leben

Karasek scheute sich im Rentenalter nicht, Witzbücher herauszubringen, in Rateshows im Fernsehen aufzutreten und für die Springerpresse Glossen zu schreiben. Das war ungewöhnlich für einen, der sich nach der Flucht aus der DDR 1952 im Westen schnell einen Namen gemacht hatte als links-intellektueller Kritiker. Jahrzehntelang war Karasek Kulturredakteur zunächst bei der "Zeit", dann beim "Spiegel" und zuletzt als Mitherausgeber beim Berliner "Tagesspiegel": "Ich habe zweimal große Umbrüche in meinem Leben erlebt, den ersten, den Zusammenbruch Deutschlands 1945, und dann habe ich das Ende dieser Phase erlebt, mit der Wiedervereinigung. Ich saß in der Nacht am Fernsehen, und ich habe wirklich geheult wie ein Schlosshund. Und das ist schön, das in einem Leben beides erlebt zu haben."
Anders als Marcel Reich-Ranicki, an dessen Seite er als Einziger von Anfang bis Ende im "Literarischen Quartett" ausharrte, hat der eher sanftmütig auftretende Karasek nie wirklich polarisiert. Ihm fiel die Rolle des Vermittlers zu.
Autor unter Pseudonym
Bereits Mitte der 80er-Jahre hatte Karasek begonnen, unter dem Pseudonym Daniel Doppler Theaterstücke zu schreiben. 1998 veröffentlichte er den Roman "Das Magazin", in dem er seine Erfahrungen beim Spiegel verarbeitete, und 2001 folgte der Roman "Der Betrug". Durchweg positiv wurde 2006 die Autobiografie "Süßer Vogel Jugend" aufgenommen, eine abgeklärt-humorvolle Auseinandersetzung mit dem Alter: "Das Leben liegt hinter einem und man kann zurückblicken und die Augen ein bisschen zumachen und sagen, hoffentlich merken die Leute nicht die blinden Flecken und die fauligen Ecken. Und dann ist man ganz froh, wenn man einigermaßen mit sauberer Weste durch dieses Tor gekommen ist."
Kritiker bis zuletzt
Hellmuth Karasek war - so bescheinigte es ihm der "Spiegel" anlässlich seines 80. Geburtstags 2014 - "unter allen clownesken Erscheinungen die melancholischste". Als Kritiker war er immer eher Liebhaber als Papst, und das tat dem manchmal reichlich bärbeißigen deutschen Feuilleton richtig gut.
