Cover des Bildbandes "Pandemie" © ATP Verlag

Berührende Bilder: "Pandemie. Chronik eines Weltgeschehens"

Stand: 14.11.2021 08:44 Uhr

Die Corona-Pandemie produziert keine schönen Bilder. Marielle Eudes hat in dem Band "Pandemie. Chronik eines Weltgeschehens" Fotos der Agentur AFP versammelt - eine Dokumentation der Pandemie mit Szenen aus der ganzen Welt.

von Benedikt Scheper

Nach wie vor dominiert die Corona-Pandemie die gesamte Welt. Vor allem im Jahr 2020 waren das Virus und die Folgen prägend für alle Menschen auf dem Globus. Die französische Nachrichtenagentur AFP hat jeden Tag Fotografien zur Pandemie produziert und gesammelt. Aus 500 Aufnahmen hat Herausgeberin Marielle Eudes die "Chronik eines Weltgeschehens" erstellt. Sicherlich kein Buch, das man sogleich "bildschön" nennen würde. Und doch ein wertvoller Bildband, der eindrücklich vor Augen führt, was für ein Jahr wir alle hinter uns haben.

Szenen wie aus Science-Fiction-Filmen

Ein Motiv - tausendfach fotografiert: Männer in voller Schutzmontur sprühen Desinfektionsmittel auf die Straße, sind fast vollständig umgeben von einer Art Dampfwolke. Ob in Kenia oder Kolumbien - überall entstehen Bilder, die an Szenen aus Science-Fiction-Filmen erinnern. Ihre individuelle Vielfalt bei gleichzeitiger Ähnlichkeit zeige das Ausmaß der Krise, erklärt die Herausgeberin Marielle Eudes: "Die größte Herausforderung war, dieses historische Ereignis zu dokumentieren, eine Chronik der Pandemie zu gestalten. Es war nicht einfach, das während der Pandemie zu machen, um einen globalen Blick zu ermöglichen, alles zu covern, was zeigt, wie die ganze globale Gemeinschaft durchgeschüttelt wurde."

Wie schnell die silbernen Nadeln der nordkoreanischen Nähmaschinen in den grünen Stoff schießen und wieder hinausgleiten, verschwimmt in der Unschärfe. Gestochen scharf: der konzentrierte Blick einer Frau, die gemeinsam mit vielen anderen in einer großen Halle in Pjöngjang an ihrem Arbeitsgerät sitzt. Alle Näherinnen tragen rote Hemden, blau-rosa Pelzjacken und rote Mützen. Auf ihren Tischen stehen vergilbte Nähmaschinen, mit denen sie Stoffmasken fertigen. Deren Produktion war Anfang 2020 plötzlich auf der ganzen Welt zu sehen. Die Krise löste Trends aus, die schnell von Menschen rund um den Globus verfolgt wurden.

Künstlerische Perspektiven auf die Pandemie

Die Nachrichtenagentur AFP hat ein Netzwerk von 450 Fotografen, die all das abbildeten. Sie produzierten weltweit dreitausend Fotos pro Tag, so Marielle Eudes. Durch die Pandemie gab es für sie kaum noch ein anderes Thema. Neben vielen Fotos des Leides, von Tränen, Toten und Massengräbern bietet der Band auch künstlerische Perspektiven. So trägt ein Brasilianer über seinem freien Oberkörper eine aus Plastikflaschen und Sardinendosen gebaute Skulptur, die wie ein überdimensionaler Schutzanzug aussieht.

Ruhig scheint Jodi den Bogen auf ihrem in der Sonne funkelnden Cello zu führen. Was sie spielt? Niemand weiß es. Die Geste zählt. Die ältere Amerikanerin mit schlohweißem Haar sitzt auf ihrer hellblau gestrichenen Veranda mit weißen Säulen. Vor ihr, im leicht verwilderten Garten, hockt ein Paar und lauscht der Nachbarin beim Spiel. Eine weitere Frau kniet mit gebührendem Abstand auf dem Bürgersteig und blickt ebenfalls auf diese Bühne der Abwechslung im Lockdown.

Fotos zeigen Diskrepanz in medizinischer Versorgung

"Auf der ganzen Welt sahen wir Solidarität, Bewegungen, Kreativität, aber in vielen Bildern auch das gleiche Leid, die gleiche Furcht, die gleichen Gesten. Die Fotos beleuchten aber gleichzeitig auch die Diskrepanz zwischen denen, die Zugang zu medizinischer Versorgung hatten, und denen, die nicht mal eine Flasche Sauerstoff in die Hände kriegten", erklärt Marielle Eudes.

In einem Zimmer in Madagaskar liegt ein Mann. Er ist an eine große Sauerstoff-Flasche angeschlossen. Eine zweite steht schon parat. Die Not des Mannes ist offensichtlich. "Jedes Foto zollt Tribut, den Toten, dem medizinischen Personal, dem Leben, den Älteren, der Stärke, in einer Krise zusammenzuhalten. Es zeigt auch, dass es eine gemeinsame Krisenerfahrung war - vom Regenwald bis zu den Straßen von Dakar, von den Mega-Citys bis zu den kleinsten Bergdörfern."

Fotografen und Herausgeber wollten mit einem Bildband möglichst detailliert abbilden, was die Pandemie für Menschen rund um den Globus bedeutet. Das ist ihnen technisch, vor allem aber ethisch durch eine pietätvolle Auswahl gelungen.

Pandemie. Chronik eines Weltgeschehens

von Marielle  Eudes (Hg.), übersetzt von Ingrid Hacker-Klier
Seitenzahl:
432 Seiten
Genre:
Bildband
Zusatzinfo:
Hardcover, 22 x 28 cm, gebunden, 432 Seiten, mit 500 farbigen Abbildungen
Verlag:
Knesebeck
Bestellnummer:
978-3-95728-583-6
Preis:
50,00 €

Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur | Neue Bücher | 14.11.2021 | 17:20 Uhr

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