Wolfram Weimer als Kulturstaatsminister: Berufung mit Zündstoff
Der Journalist und Medienunternehmer Wolfram Weimer soll Kulturstaatsminister der künftigen Bundesregierung werden. Der 60-Jährige steht für konservative Positionen und polarisiert - nicht nur in der Kulturszene.
Joe Chialo, Carsten Brosda oder Christiane Schenderlein - in den vergangenen Wochen waren es diese Namen, die als mögliche Nachfolge-Kandidaten für Claudia Roth im Amt des Kulturstaatsministers gehandelt wurden. Jetzt ist klar: Der Medienunternehmer Wolfram Weimer soll das Amt übernehmen. Dies hat die CDU bei einer Präsidiumssitzung in Berlin mitgeteilt.
Wolfram Weimers konservative Ansichten
Wolfram Weimer, 60 Jahre alt, ist Verleger, Publizist und Gründer des konservativen Magazins "Cicero". Er ist ein Mann aus dem Medienbusiness, bislang ohne politische Ämter. Weimer steht für klar konservative Positionen, wie sein Buch "Das konservative Manifest. Zehn Gebote der neuen Bürgerlichkeit" aus dem Jahr 2018 zeigt. Dort formuliert er seine Ideen von einer neuen Bürgerlichkeit - und sprach darüber unter anderem bei "Markus Lanz". Dort sagte er: "Es gibt gerade eine große Strömung hin zu alten Werten. Die Leute wollen wieder Anständigkeit, Ehrlichkeit, Aufrichtigkeit. So ganz altmodische Dinge, die eine Zeit lang ziemlich verrufen waren."
Kritik an "Multi-Kulti"
In einem Meinungsbeitrag für "Cicero" mit dem Titel "Die Multi-Kulti-Lüge" kritisiert Weimer einen "naiven Multikulturalismus" und schreibt: "Was als geistiger Karneval der Kulturen begann, ist inzwischen ein Halloween der Entfremdung." In einem Buch äußerte er sich kritisch über das Outing homosexueller Menschen. Viele seiner Äußerungen gelten als streitbar.
Friedrich Merz und Boris Pistorius als "strenge Elternfiguren"
Warum sich Friedrich Merz für Weimer entschieden haben soll, ist bislang nicht offiziell bekannt. Weimer gilt als Merz-Fürsprecher. In den vergangenen Wochen äußerte er sich wiederholt positiv über den CDU-Chef, ebenso über SPD-Verteidigungsminister Boris Pistorius. Die Ampel-Regierung hingegen kritisierte er scharf, etwa bei einer Diskussionsrunde des Senders Phoenix. Dort zog er folgenden Vergleich: "Stellen wir uns vor, eine jugendliche Party gerät außer Rand und Band. Irgendwann kommen die Eltern rein, machen das Licht an und die Party ist aus." Die "Ampelparty" sei im Chaos gescheitert. "Und jetzt kommen sozusagen zwei ernste Elternfiguren. Es kommt eine Phase der neuen Ernsthaftigkeit. Und sowohl Boris Pistorius als auch Merz stehen für diesen Gestus der neuen Ernsthaftigkeit."
Stefan Koldehoff, Chefreporter Kultur beim Deutschlandfunk, vermutet über die Hintergründe der Entscheidung: "Friedrich Merz als möglicher neuer Kanzler scheint Kräften gefolgt zu sein, die der Meinung sind, dass in der Kulturpolitik in den letzten Jahren viel zu viel Linkes stattgefunden hat. Und das übrigens nicht nur unter Claudia Roth, sondern angeblich auch schon unter Monika Grütters, die ja eher als liberale Konservative gegolten hat." Weimer könne daher für einen Kulturwandel in der Bundesrepublik stehen.
Bisher kein besonderes Interesse an Kultur?
In den sozialen Netzwerken fielen erste Reaktionen deutlich kritisch aus. "Was für eine Fehlbesetzung!", schrieb etwa der deutsche Soziologe und Hochschullehrer Armin Nassehi auf X. Auch erste Kommentare in den Medien äußern Zweifel an der Eignung Weimers für das Amt des Kulturstaatsministers. Die "Süddeutsche Zeitung" stellt fest, dass dieser bislang nicht für ein besonderes Interesse an Kultur bekannt gewesen sei. Der "Tagesspiegel" spekuliert, dass der neuen Regierung unter Merz Medienpolitik womöglich wichtiger sei als Kulturpolitik.
Jürgen Kaube: "Falscher Mann am falschen Platz"
Besonders scharf fällt ein Kommentar in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" aus: Mitherausgeber Jürgen Kaube bezeichnet Weimer als jemanden, dem "ein Interesse an irgendeiner Kunst oder Geist zu unterstellen, spekulativ" sei. Mit Blick auf das "Konservative Manifest" schreibt Kaube: "Weimer macht sich demographische Sorgen um die 'Fortdauer des eigenen Bluts' und die 'biologische Selbstaufgabe' Europas, trauert der Kolonialepoche mit der bedauernden Formulierung nach, Europa habe 'keine Expansionskraft" mehr'". Weimers Verständnis von Kultur und Geschichte, so Kaube, weise darauf hin, "dass er der falsche Mann am falschen Platz wäre".
Reaktionen aus der Kulturszene selbst stehen bislang noch aus. Doch angesichts der klar konservativen Prägung Weimers ist absehbar, dass seine Berufung Zündstoff liefern dürfte.
