Taliban verbrennen Musikinstrumente: "Systematische Bekämpfung der Kultur"
Am Wochenende haben die Taliban in Afghanistan Musikinstrumente auf einem Scheiterhaufen verbrannt. Die offizielle Begründung die Förderung von Musik führe zu moralischer Verdorbenheit. Ein Gespräch mit dem ARD-Korrespondenten Peter Hornung.
Herr Hornung, vor fast zwei Jahren haben die Taliban die Macht in Afghanistan übernommen - jetzt dieser Scheiterhaufen. Ist das grausame Tagesroutine im Land?
Peter Hornung: Ja, ich glaube, das geschieht immer wieder, davon muss man ausgehen. Aber das wird nicht immer so öffentlich und so dokumentiert wie jetzt am Wochenende - und dann auch über soziale Medien verbreitet. Es gab schon Mitte Juli eine ähnliche Verbrennung, die aber nicht so bekannt geworden ist. In dem jetzigen Fall scheint es mir so, als ob die Bilder absichtlich verbreitet wurden, um die Bevölkerung zu warnen, zur Abschreckung. Was wir da sehen, ist im Grunde etwas, was seit August 2021, seit die Taliban die Macht übernommen haben, zur grausamen Realität in Afghanistan gehört.
Werden nur westliche Instrumente zerstört oder auch einheimische, traditionelle Instrumente?
Hornung: Es geht tatsächlich um Musikinstrumente allgemein. Es geht auch um Geräte, mit denen man Musik abspielen kann: Verstärker, Lautsprecher und so weiter. Verbrannt wurden jetzt Gitarren, ein Harmonium, aber auch Tablas, also kleine Trommeln, wie sie auch für afghanische Musik genutzt werden. Ich habe vor einiger Zeit in Kabul mal einen alten Straßenmusiker gesprochen, der da saß und Flöte gespielt hat. Er hat erzählt, dass die Taliban ein paar Tage vorher seine schönste Flöte zerbrochen haben. Da kam eine Streife vorbei, hat gesehen, dass er Musik macht und hat ihm die Flöte abgenommen und sie zerbrochen. Aber als wir mit ihm gesprochen haben, saß er schon wieder da und hat wieder Musik gemacht. Das war allerdings schon einige Zeit her. Als ich das letzte Mal in Kabul war, Anfang des Jahres, da habe ich keine Straßenmusiker mehr gesehen.
Was bekommen Sie denn aus den Musikschulen mit, aus den Konzerthäusern? Werden auch da Instrumente systematisch konfisziert? Wird überhaupt noch Musik gemacht? Vielleicht heimlich?
Hornung: Das kann sein. Ganz vieles passiert inzwischen in den eigenen vier Wänden in Afghanistan, heimlich. Es gibt selbst Demonstrationen, die so stattfinden, die gefilmt werden und bei Social Media verbreitet werden. Musikschulen, Konzerthäuser - das ist alles geschlossen. Es gibt ja zum Beispiel das nationale Musikinstitut von Afghanistan, dessen Leiter schon vor zwei Jahren befürchtet hatte, dass die Taliban Musik verbieten werden, so wie in den 90ern, im ersten Regime. Und das ist inzwischen passiert. Der Mann ist längst außer Landes. Wenn überhaupt, dann wird Musik nur noch heimlich gespielt. Als ich Anfang des Jahres das letzte Mal in Afghanistan war, da hieß es, Musik bei Hochzeiten zu spielen, sei schon gefährlich. Lange Zeit nach der Machtübernahme ging das, aber das macht man jetzt besser nicht mehr. Diese Musikinstrumente, die da verbrannt wurden, wurden aus Hochzeitssälen konfisziert. Daran sieht man, wie das weitergeht.
Wie sieht es aus, wenn wir auf die anderen Künste schauen: Wird ein Bild an der Wand auch schon automatisch konfisziert? Werden Theatersäle abgerissen?
Hornung: Das sind Dinge, die oft nicht dokumentiert werden. Social Media und das Internet werden in Afghanistan immer mehr kontrolliert. Die Taliban wollen auch das Bild nach außen immer mehr kontrollieren und verhindern, dass irgendwelche Bilder, irgendwelche Videos, die ihnen schaden könnten, verbreitet werden. Man kann davon ausgehen, dass es keine Kunst jenseits der islamischen Kunst gibt, die von den Taliban toleriert wird. Es geht gegen alles, was unislamisch ist - wobei die Definition von unislamisch, von der Führung der Taliban kommt, vom Amir al-Mu'minin.
Sie haben gesagt, dass diese Instrumenten-Verbrennung auch ein Signal nach innen sei. Ist das auch ein Versuch, da eine Geschlossenheit zu demonstrieren?
Hornung: Ja, so kann man das sehen. Ich interpretiere das als Signal der Radikalen in Richtung der Gemäßigten und der Bevölkerung, um sie einzuschüchtern. Die Gemäßigteren sitzen in Kabul, die Kabulis. Da sind viele dabei, die westliche Bildung haben, die in der Zeit der vorigen Regierung in Katar waren, die eigentlich die Welt kennen. Teilweise studieren die Frauen und Töchter oder haben studiert. Ganz anders als die Radikalen und deren oberster Führer Akhundzada - die sitzen in Kandahar im Süden von Afghanistan, und die setzen sich immer mehr durch. Die ganzen Verbote der vergangenen anderthalb Jahre, die Einschränkungen für Frauen, für Kunst, für Musik - das waren diese Kandaharis.
Das Interview führte Friederike Westerhaus.