Warnschild mit Aufschrift "Künstliche Intelligenz" © imago
Warnschild mit Aufschrift "Künstliche Intelligenz" © imago
Warnschild mit Aufschrift "Künstliche Intelligenz" © imago
AUDIO: Tee mit Warum: KI - Wie hoch ist der Preis? (38 Min)

Künstliche Intelligenz: Was ist Gefahr, was übertriebene Furcht?

Stand: 29.06.2023 06:00 Uhr

Künstliche Intelligenz wird die Menschheit verändern. Einige fürchten sogar das Ende der Menschheit. Was ist dran an dystopischen Ängsten? Und was sind reale Gefahren? Diesen Fragen widmen sich Denise M'Baye und Sebastian Friedrich im Philosophie-Podcast Tee mit Warum.

"Es sollte weltweite Priorität haben, die Risiken der Ausrottung der Menschheit durch KI zu verhindern", heißt es in einem Offenen Brief für ein KI-Memorandum, den zahlreiche Techunternehmer und KI-Forscher unterzeichnet haben - etwa Twitter-Chef Elon Musk, OpenAi-CEO Sam Altman oder Apple-Mitbegründer Steve Wozniak. Mercedes Bunz, Professorin für Digitale Kulturen und Gesellschaft am King's College in London, hat zu diesen dystopischen Endzeitszenarien eine klare Meinung: "Das ist Quatsch", sagt sie im Philosophie-Podcast Tee mit Warum. "Jedes Mal, wenn wir den Zugriff auf Informationen verändern, gibt es viel Unruhe in der Gesellschaft. Dann kommen diese Dystopien hoch." Das sei kein neues Phänomen, sondern kulturhistorisch eindeutig belegt. "Ein schönes Beispiel ist um 1800 das Aufkommen des Romans. Damals wurde von der sogenannten Lesesucht gesprochen. Wenn die Leute anfangen, so viel zu lesen, dann lebten sie nicht mehr in der Realität, sondern in der Romanwelt."

Weitere Informationen
Mann und Frau sitzen am Tisch und trinken Tee. © NDR Foto: Christian Spielmann

Tee mit Warum in der ARD Audiothek

Denise M‘Baye und Sebastian Friedrich sprechen über die großen Fragen des Lebens und stellen dabei immer wieder den Bezug zum alltäglichen Leben her. extern

Eine Frage der Anwendung

Timo Daum © Timo Daum
Timo Daum ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter bei der Forschungsgruppe "Digitale Mobilität und gesellschaftliche Differenzierung" am Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung.

Das Problem sei nicht die Technologie, sondern die Frage, wie sie angewendet wird, meint Timo Daum. Er forscht am Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung zum Zusammenwirken von Technologie und Gesellschaft. In der Tee-mit-Warum-Folge "KI - Wie hoch ist der Preis?" zieht er einen historischen Vergleich zum Auto. "Das ist ja auch ein Gefährt, das erstmal nicht ungefährlich ist", schildert er. Die Gesellschaft habe nach und nach Rahmenbedingungen für den Autoverkehr geschaffen. "Wir machen ein Tempolimit, wir entwickeln Verkehrsregeln und führen so etwas wie den TÜV ein. Damit haben wir die negativen Auswirkungen eingedämmt. Es gibt trotzdem noch Verkehrstote, aber wir sind uns als Gesellschaft relativ einig, dass wir da ein gutes Gleichgewicht zwischen den Verkehrstoten und dem gesellschaftlichen Nutzen des Autos gefunden haben."

Weitere Informationen
Ein Roboter nimmt eine Denkerpose ein. © picture alliance / ZUMAPRESS.com | La Nacion

Künstliche Intelligenz: Wo bleibt die Moral?

Wie müssen wir den Möglichkeiten von Künstlicher Intelligenz begegnen? Diese Frage stellen sich Denise M'Baye und Sebastian Friedrich im Philosophie-Podcast Tee mit Warum. mehr

KI-generierte Fakes haben hohes Zerstörungspotenzial

Mercedes Bunz © Creative Commons BY-SA 3.0
Die Philosophin Mercedes Bunz ist Professorin für Digitale Kulturen und Gesellschaft am King's College in London.

Einen solchen gesellschaftlichen Rahmen brauche es auch für die Künstliche Intelligenz. Zwar sind Weltuntergangsszenarien oder die Machtübernahme der Künstlichen Intelligenz laut Mercedes Bunz weit hergeholt, aber es gebe konkrete Gefahren, die schon jetzt reale Auswirkungen haben - beispielsweise die Manipulation der öffentlichen Meinung durch die Erzeugung von sogenannten Deepfakes. "In unserem öffentlichen Leben, in der Politik, im Fernsehen, im Internet sind Videos und Fotos ein unglaublich wichtiges Medium, um Realität zu zeigen", erklärt Mercedes Bunz. "Dass Realität jetzt so einfach manipuliert werden kann, das braucht eigentlich eine Diskussion für sich."

Auch die Unterzeichner des Offenen Briefes warnen davor, dass "Maschinen unsere Informationskanäle mit Propaganda und Unwahrheiten" überfluten. Mercedes Bunz hält es für wichtig, die Unternehmen zu einem Herkunftsnachweis zu verpflichten, wenn eine Plattform öffentlich zugänglich ist. "Damit wir wissen: Dieser Text, dieses Bild, dieses Video - das wurde maschinengeneriert."

Weitere Informationen
Sebastian Friedrich und Denise M'Baye © NDR
41 Min

KI - Werkzeug oder Feind? Mit Mercedes Bunz und Jeremy Bentham

KI verändert alles. Aber ist KI deshalb abzulehnen oder müssen wir nur lernen, mit ihr umzugehen? Denise und Sebastian gehen der Sache auf den Grund. 41 Min

EU verhandelt derzeit über gesetzlichen Rahmen

Darüber dass es gesellschaftliche Rahmenbedingungen für den Einsatz künstlicher Intelligenz braucht, gibt es einen breiten Konsens. "In dieser Phase stecken wir derzeit komplett drin", so Daum. "Egal ob wir in die USA, nach China oder in die EU schauen - es gibt Versuche, das zu regulieren und transparenter zu machen. Und es gibt eine Debatte über Anwendungsgrenzen."

In der EU verhandeln derzeit EU-Mitgliedstaaten und EU-Parlament über ein KI-Gesetz. Ziel ist es, bis Ende des Jahres eine Einigung zu erzielen. Das Parlament fordert unter anderem ein Verbot von Systemen zur Gesichtserkennung in Echtzeit im öffentlichen Raum. Auch Systeme zur Kategorisierung von Menschen - beispielsweise nach Geschlecht, Ethnie oder Religion sollen unterbunden werden.

Generative KI-Systeme wie ChatGPT müssen nach der Postion des Parlaments künftig Transparenzanforderungen erfüllen. Sie müssen offenlegen, dass Inhalte KI-generiert sind, was auch dazu beitragen soll, sogenannte Deepfake-Fotos von echten Abbildungen zu unterscheiden. Zudem sollen die Unternehmen in die Verantwortung genommen werden, dass keine rechtswidrigen Inhalte mit ihren Produkten erzeugt werden.

Weitere Informationen
Eine digitale Hand berührt eine Menschenhand © Fotolia Foto: peshkova

EU-Parlament fordert strengere Regeln für Künstliche Intelligenz

Keine Gesichtserkennung im öffentlichen Raum und mehr Transparenz - das EU-Parlament will das Gesetz der Kommission zur Reglementierung von Künstlicher Intelligenz verschärfen. extern

Wem soll Künstliche Intelligenz dienen?

Mercedes Bunz wünscht sich, dass schon bei der Forschung und Entwicklung von Künstlicher Intelligenz nicht das Profitinteresse der Unternehmen, sondern der gesellschaftliche Nutzen im Mittelpunkt steht. "Wir ziehen uns da ziemlich zurück und sagen: Das sollen die Firmen mal unter sich ausknobeln. Dass die hauptsächlich daran interessiert sind, Profit zu machen, ist kein Wunder, weil sie im Bereich der Ökonomie tätig sind und nicht im Bereich des Sozialwesen", sagt Bunz. Die Politik müsse sich die Frage stellen, wie sie KI-Forschung, die den gesellschaftlichen Nutzen im Blick hat, besser fördern kann. Auch Timo Daum wünscht sich ein aktiveres Gestalten der Politik: "Wollen wir, dass wichtige Entscheidungen über die Entwicklung von Künstlicher Intelligenz in Konzernspitzen getroffen werden?"

Weitere Informationen
Mann und Frau sitzen am Tisch und trinken Tee. © NDR Foto: Christian Spielmann

Tee mit Warum - Die Philosophie und wir

Bei einem Becher Tee philosophieren unsere Hosts über die großen Fragen. Denise M‘ Baye und Sebastian Friedrich diskutieren mit Philosophen und Menschen aus dem Alltag. mehr

Eine Frau und ein Mann in weißen Kitteln blicken auf eine Maschine. © picture alliance / Westend61 | Infinite Lux

Was unterscheidet künstliche Intelligenz von der menschlichen?

Der Begriff Künstliche Intelligenz sorgt für eine Gleichsetzung von Mensch und Maschine. Dabei funktioniert das maschinelle Lernen ganz anders als das menschliche. mehr

Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur | Tee mit Warum - Die Philosophie und wir | 29.06.2023 | 06:00 Uhr

Schlagwörter zu diesem Artikel

Künstliche Intelligenz (KI)

Der Arm einer Frau bedient einen Laptop, der auf einem Tisch in einem Garten steht, während die andere Hand einen Becher hält. © picture alliance / Westend61 | Svetlana Karner

Abonnieren Sie den NDR Kultur Newsletter

NDR Kultur informiert alle Kulturinteressierten mit einem E-Mail-Newsletter über herausragende Sendungen, Veranstaltungen und die Angebote der Kulturpartner. Melden Sie sich hier an! mehr

NDR Kultur App Bewerbung

Die NDR Kultur App - kostenlos im Store!

NDR Kultur können Sie jetzt immer bei sich haben - Livestream, exklusive Gewinnspiele und der direkte Draht ins Studio mit dem Messenger. mehr

Mann und Frau sitzen am Tisch und trinken Tee. © NDR Foto: Christian Spielmann

Tee mit Warum - Die Philosophie und wir

Bei einem Becher Tee philosophieren unsere Hosts über die großen Fragen. Denise M‘ Baye und Sebastian Friedrich diskutieren mit Philosophen und Menschen aus dem Alltag. mehr

Mehr Kultur

Zwei Frauen lehnen an einem Auto © Real Fiction

Von Hamburg nach Parchim: Zwei Schauspielerinnen leben ihren Traum

Der Dokumentarfilm "Dann gehste eben nach Parchim" ist eine Liebeserklärung an das regionale Stadttheater. mehr