Eine Roboterhand bedient einen Drehknopf und wählt zwischen Englischer, Französischer und Deutscher Sprache. © picture alliance / Zoonar Foto:  Alexander Limbach
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AUDIO: Google, ChatGPT und Mensch: Wie übersetzt wer was? (4 Min)

Google, ChatGPT und Mensch: Wie übersetzt wer was?

Stand: 23.06.2023 06:00 Uhr

Künstliche Intelligenz ist im Moment in aller Munde. Wo kann die Maschine dem Menschen helfen, und wo ist sie Bedrohung - zum Beispiel für Arbeitsplätze? Das Übersetzen mithilfe Künstlicher Intelligenz birgt viele Herausforderungen.

von Jens Büchsenmann

Eine Hilfe im Alltag mag sie ja sein, die KI, etwa beim Übersetzen: Man sitzt in der Taverne in Griechenland und kann die Karte nicht lesen. Oder will in Paris nach dem Weg zum Louvre-Museum fragen. Rasch ist das Handy zur Hand, darauf die App, die beim Übersetzen hilft. Entweder man liest den Text vor. Oder lässt sein Smartphone sprechen. Auf Französisch, auf Griechisch ... aber kann sie mehr, diese KI, kann sie ganze Texte, vielleicht sogar Literatur, Romane, oder Gedichte übersetzen?

Übersetzungsprogramme als Bedrohung einer ganzen Zunft

Heide Franck ist Übersetzerin in Berlin. Gerade ist der von ihr übersetzte Fantasy-Bestseller "Babel" erschienen. Ein Roman, in dem es - wie der Titel nahelegt - um Sprachen geht, um die Geheimnisse ihrer Übersetzung, mehr noch: um die Magie von Sprache und die Macht von Worten. Im Moment aber hat es Heide Franck, wie viele ihrer Zunft, mit einer ganz anderen Macht zu tun: mit den Übersetzersprogrammen von Google, ChatGPT und Co. Werkzeugen der Künstlichen Intelligenz also, die das Übersetzen automatisieren und in Sekundenschnelle Texte und Töne zaubern.

Wenn die KI an ihre Grenzen kommt

"Every literary text has a claim." So klingt der Anfang eines Gesprächs mit Heide Franck und so, wenn ihn die Google-Übersetzer-Maschine spricht: "Jeder literarische Text hat einen Anspruch." Aber so hat es die Übersetzerin aus Berlin eigentlich gemeint: "Jeder literarische Text hat einen Anspruch, weil es gestaltete Sprache ist." Heide Franck fügt hinzu: "Da kommt die KI an ihre Grenzen." Wobei diese Grenzen gerade verschoben werden. Immerhin hat man bei der EU schon 450 Fach-Übersetzer und -Übersetzerinnen eingespart, die Gesetzesvorlagen in die 24 europäischen Arbeitssprachen übertragen.

Spezialfall "Literarisches Übersetzen"

Heide Franck erzählt weiter: "Abgesehen vom literarischen Anspruch geht es beim Literatur übersetzen auch meistens nicht um Präzision, sondern um ganz andere Dinge. Es geht um Stimmungen, um Klang, um Rhythmus, um Humor, Poesie, um Bezüge zu anderen Texten, zur Welt - oder auch zu dem, was eine Seite zuvor gesagt wurde." Auch von diesem Satz jagen wir einen Ausschnitt durch die Maschinen. Google übersetzt, dann macht ein Tool namens Narakeet aus dem Text ein Audio: "And apart from that, literary translation is really about moods, about sound, about rhythm, about humor, poetry, about references to other texts. (pause) To the world." Das Spiel hat etwas Verführerisches. Ich könnte den Satz auch auf Albanisch sagen lassen oder in drei verschiedenen chinesischen Dialekten. Wie mag aber wohl bei den Übersetzermaschinen Literatur klingen - zum Beispiel bei "DeepL", der gerade heiß diskutierten Übersetzer-Software?

Kafka aus der Maschine

Deep, englisch für tief, L für Language, also Sprache. Aber wie tief ist diese Maschinen-"Sprache" denn nun wirklich? Ein Test mit einer der berühmtesten Stellen der Weltliteratur. "When Gregor Samsa awoke one morning from restless dreams, he found himself transformed into a monstrous vermin in his bed" entstammt Kafkas Erzählung "Die Verwandlung" - und so klingt das Original: "Als Gregor Samsa eines Morgens aus unruhigen Träumen erwachte, fand er sich in seinem Bett zu einem ungeheuren Ungeziefer verwandelt." Was ein Schauspieler mit Gefühl, Betonung und Timbre auslösen kann, fehlt bei maschinengemachten Übersetzungen vollkommen. Die können nicht einmal zwischen Duzen und Siezen im Deutschen unterscheiden.

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Künstliche Intelligenz doch nicht so intelligent

Heide Franck fällt noch ein anderes typisches Beispiel ein. Im Original steht "the size of my body". Der Output von DeepL lautet: "Die Größe meines Körpers." Franck erklärt: "Das ist sehr präzise übersetzt. Denkt man aber einen Moment darüber nach, merkt man: Im Deutschen redet man nicht von der Größe des Körpers, sondern von Körpergröße." Hinzukommt, dass es in diesem Text um Fettleibigkeit geht. Sie hätte "size of my body" mit "Körperumfang" übersetzt. Kurzum: Wirklich "intelligent" ist die Künstliche Intelligenz noch nicht so richtig. Heide Franck sieht die KI höchstens als Hilfsmittel an, das viele Kolleginnen und Kollegen ganz bewusst bei bestimmten Fragen einsetzen, ähnlich einem Wörterbuch, um Varianten eines Wortes oder einer Satzwendung nachzuschlagen.

Die Zukunft der Übersetzerinnen und Übersetzer

"Aber trotzdem ist es noch meine Denkleistung, meine Kompetenz, die ich mir erarbeitet habe durch mein Studium, meine Lektüre, mein Leben, und dafür möchte ich auch gut vergütet werden." An diesem Punkt geht die Diskussion erst richtig los. Nämlich ganz sicher beim "Wolfenbütteler Gespräch", der jährlichen Tagung der Übersetzer und Übersetzerinnen, die heute begonnen hat und wo das maschinelle Übersetzen in der Literatur auch auf dem Programm steht. Sie geht noch bis einschließlich Sonntag. Der Workshop von Heide Franck ist übrigens angekündigt mit dem Titel "Cybersetzen und Maschinenliteratur. Experimente mit Kollektiver Intelligenz".

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Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur | Klassisch in den Tag | 23.06.2023 | 06:40 Uhr

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Romane

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