Sieg gegen Bayern München: Das Fußball-Wunder von Kiel
Sensationell, unglaublich, zu schön, um wahr zu sein: Zweitligist Holstein Kiel besiegt den großen FC Bayern München im DFB-Pokal. Die Freude in der schleswig-holsteinischen Landeshauptstadt kannte keine Grenzen.
von Norman Nawe
Irgendwie wurde es schon vor dem Anpfiff klar: Dieser Pokalabend würde etwas ganz Besonderes werden. Über 100 beleuchtete Drohnen, die aufmunternde Slogans für die Kieler Spieler an den Abendhimmel zauberten, sorgten schon vor dem ersten Pass dafür, dass sich in und über dem Holstein-Stadion eine besondere Atmosphäre ausbreitete. Und doch kam am Ende mehr zusammen, damit aus der Hoffnung auf ein Wunder Realität wurde - der Sensationssieg gegen die großen Bayern.
Bayern-Bossen wurde doppelt kalt
Auf der Tribüne froren den Verantwortlichen des Rekordmeisters um Karl-Heinz Rummenigge nicht nur wegen der Minus-Temperaturen und des einsetzenden Schneefalls mit zunehmender Spieldauer die Gesichtszüge ein. Bayerns Ehrenpräsident Uli Hoeneß wurde selbst unter einer wärmenden Holstein-Decke von Minute zu Minute kälter und kälter. Der Grund hatte schwarze Pokal-Sondertrikots an, auf denen Holstein Kiel stand.
"Störche" meistens auf Augenhöhe
Spätestens als Holstein-Kapitän Hauke Wahl die Kieler in der fünften Minute der Nachspielzeit mit dem 2:2-Ausgleich verdient in die Verlängerung köpfte, war auch dem Letzten im Stadion und an den TV-Geräten klar: Hier liegt was in der Luft. Und so kam es dann auch. Der David aus der Zweiten Liga zwang den Titelverteidiger ins Elfmeterschießen.
Eiskalt vom Punkt
Zehn Elfmeter - fünf auf jeder Seite - fanden ganz sicher den Weg ins Tor. Und dann wurde ein Torwart zum Helden. Es war nicht Bayern-Nationalkeeper Manuel Neuer, sondern Holsteins Ioannis Gelios. Der war eigentlich nur als Schlussmann Nummer Zwei in die Saison gestartet und war plötzlich der wichtigste Mann auf dem Feld. Er hielt den sechsten Strafstoß der Münchner, den Rest besorgte Fin Bartels, der - noch so eine Geschichte - nach zwölf Niederlagen mit verschiedenen Clubs gegen die Bayern endlich seine persönliche Revanche nahm und die Kieler mit seinem verwandelten Strafstoß in den siebten Fußball-Himmel schoss.
Autokorso und Hupkonzert in Kiel
Der Kieler Jubel war anschließend grenzenlos. Und noch während die Holstein-Mannschaft mit Trainern und Betreuern auf dem Feld vor Glück im Schnee tanzte, wurde es vor dem Stadion lauter und lauter. Die Holstein-Fans hielt es nicht mehr in den Fernsehsesseln. Viele sprangen in ihre Autos, drehten rund um die Arena laut hupend ihre Runden und feierten so Corona-konform ihre Fußball-Helden. Alles lief friedlich ab, heißt es von der Polizei. 300 Autos waren bei dem Korso dabei - die Corona-Vorgaben wurden weitgehend eingehalten, so eine Polizeisprecherin.
Große Leistung - kleine Feier
Für die Spieler fiel die ganz große Party dagegen aus. Ein paar Bierchen in der Kabine, mehr ließen die Corona-Regeln trotz des historischen Triumphes nicht zu. Außerdem geht es schon am Sonntag weiter. Dann kommt der Karlsruher SC zum Punktspiel ins Holstein-Stadion, und diese Partie nehmen Trainer Ole Werner und seine Spieler genauso ernst wie das Pokal-Highlight gegen die Bayern. Richtig so! Vielleicht gibt es dann am Saisonende einen noch größeren Grund zum Feiern, nämlich den erstmaligen Aufstieg in die Bundesliga. Dann gäbe es auch ein Wiedersehen mit dem FC Bayern.
