Machtkampf bei Hannover 96: 50+1 und Lizenz stehen auf dem Spiel
Vor dem Gerichtstermin zwischen dem Stammverein Hannover 96 e.V. und dem von ihm abberufenen Profifußball-Geschäftsführer Martin Kind wird deutlich, wie wackelig das Hannover-96-Konstrukt ist - die 50+1-Regel und damit die Lizenz stehen auf dem Spiel.
"Die Management GmbH ist zwischengeschaltet, gerade um die 50+1 zu halten, damit man sagen kann: das gehört mir, mir Mutterverein, mir e.V. - und dadurch habe ich eine Verfügungsgewalt über die Lizenzspielerabteilung", sagte der Anwalt für Sportrecht, Kolja Hein, dem NDR. Mit anderen Worten: Sollte Clubchef Kind, der vor dem Landgericht in Hannover auf "Anspruch auf Fortführung seiner Tätigkeit als Geschäftsführer" eben jener Management GmbH klagt, am 16. August Recht bekommen und gegen den Willen des e.V. im Amt bleiben, wäre diese Verfügungsgewalt und damit die 50 +1 Regel ausgehebelt.
Wie reagieren Investoren, wenn Kind entmachtet wird?
Allerdings ist auch unklar, wie es bei einem gegenteiligen Urteil weitergehen soll: Wieviel Lust hätte ein Investor, Geld in einen Verein zu pumpen, in dem er nicht mehr das Sagen hat? Auch aus diesem Grund hatte Mitgesellschafter Dirk Roßmann das Vorgehen der Führung des Muttervereins bereits kritisiert: "Die Position, die einen zahlen - in meinem Fall einen zweistelligen Millionenbetrag - und die anderen bestimmen, wo es langgeht, hat noch nie funktioniert", sagte er den Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland (RND).
96-Struktur unter der Lupe
Kinds Klage dürfte auf jeden Fall dafür sorgen, das die komplizierte 96-Struktur mit mehreren Gesellschaften und damit auch die Lizenz für den Fußball-Zweitligisten zumindest einer genaueren Prüfung unterzogen wird. Zu klären wäre, ob Weisungsrecht bedeutet, dass der e.V. den Geschäftsführer ohne mehrheitliche Zustimmung des Aufsichtsrats abberufen kann. Und auch, ob durch eine etwaige Blockade des Kontrollgremiums 50+1 verletzt wäre.
Im Falle der Abberufung Kinds sprach der Verein von "wichtigen Gründen", unter anderem soll die Kapitalseite um Kind vertraglich vereinbartes Geld nicht an den e.V. überwiesen haben. Zudem wurde die Intransparenz bei wirtschaftlichen Entscheidungen bemängelt. Hier gibt es viel Spielraum für Interpretation: "Was ist Intransparenz? Muss ich jeden Tag was erläutern, was besprochen wurde, oder mache ich das jede Woche? Jeden Monat? Müssen nur die Basic Infos weitergeleitet werden, da müsste man sich mal genau den Vertrag angucken was da vereinbart wurde", sagte Jurist Hein.
Kompromiss mit zwei Geschäftsführern?
Nach Informationen der "Neuen Presse" werden in Hannover offenbar erste Hintergrund-Gespräche über eine mögliche Kompromisslösung in der Zukunft geführt. Eine Idee ist demnach, die ausgegliederte Profifußball-Gesellschaft künftig von zwei Geschäftsführern leiten zu lassen, von denen einer in diesem Fall der aktuelle Sportdirektor Marcus Mann sein soll.
Auf einen gemeinsamen Geschäftsführer und Kind-Nachfolger haben sich Vereins- und Kapitalseite bislang nie einigen können. Der von Kind und Mit-Gesellschafter Roßmann eingesetzte Robert Schäfer wurde von der e.V.-Führung abgelehnt. Umgekehrt lehnt Kind in Andreas Rettig den Favoriten der Gegenseite ab. Aber zunächst sind am 16. August die Richter am Landgericht in Hannover am Zug.