Anna Blässe und Ewa Pajor (v.l.) vom VfL Wolfsburg halten den DFB-Pokal in den Händen, dahinter jubel Alexandra Popp © IMAGO / Eibner

Double trotz Umbruch: VfL-Frauen feiern ihre bemerkenswerte Saison

Stand: 29.05.2022 18:38 Uhr

Der VfL Wolfsburg hat mit dem Gewinn des DFB-Pokals seine ohnehin schon grandiose Saison gekrönt. Zahlreiche Fans feierten am Sonntag ihre Heldinnen beim Empfang am Rathaus. Das Double war nach dem großen Umbruch im Sommer nicht unbedingt zu erwarten gewesen.

von Hanno Bode

Bereits seit zehn Jahren trägt Alexandra Popp nun das Trikot der "Wölfinnen". Sieben deutsche Meisterschaften, zwei Champions-League-Siege und nun neun Erfolge im DFB-Pokal hat die Nationalspielerin in dieser Dekade mit den Niedersächsinnen gefeiert. Triumphe sind für die Allrounderin, die "nebenbei" mit der DFB-Auswahl 2016 noch Olympia-Gold gewann, also inzwischen Routine - könnte man jedenfalls beim Blick auf ihre Titelsammlung meinen. Denn wer Popp nach dem Pokalfinale am Sonnabend in Köln gegen Turbine Potsdam (4:0) beobachtete, musste zwangsläufig den Eindruck gewinnen, dass dieser Sieg ein ganz besonderer für sie war.

Überraschendes Double hat enormen Stellenwert

Die 31-Jährige war nach der Siegerzeremonie einfach überall. Wenn ein Fotograf gerade ein Foto von einigen ihrer Mannschaftskameradinnen machen wollte, sprang Popp ins Bild. Als Keeperin Almuth Schulth ein Interview gab, gesellte sich die Kapitänin dazu, stimmte ein "VfL, VfL" an und verschwand daraufhin mit zwei Flaschen Melonenlikör in der Kabine, um dort bei den Feierlichkeiten den Ton anzugeben.

Popps überschwängliche Freude zeugte davon, dass dieses Double für sie und den VfL einen enormen Stellenwert hat, weil es eben durchaus überraschend kam.

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Bundesliga-Novize Stroot sofort gefordert

"Ich habe nicht erwartet, dass wir in einem Jahr des Umbruchs so viel erreichen", sagte Coach Tommy Stroot. Der 33-Jährige hatte im vergangenen Sommer beim Werksclub die Nachfolge von Stephan Lerch angetreten, der die U17-Junioren der TSG Hoffenheim übernahm. Die Verpflichtung des gebürtigen Nordhorners war durchaus als Wagnis zu bezeichnen. Zwar hatte Stroot zuvor erfolgreich beim FC Twente in den Niederlanden gearbeitet, doch die Bundesliga war Neuland für ihn. Zudem konnte Stroot nominell nicht mehr auf so einen starken und erfahrenen Kader wie sein Vorgänger zurückgreifen.

Langjährige Leistungsträgerinnen wie Lara Dickenmann und Zsanett Jakabfi beendeten ihre Karrieren oder erhielten keinen neuen Vertrag (Lena Goeßling). Andere Spielerinnen (Ingrid Syrstad Engen, Fridolina Rolfö) folgten dem Lockruf des Geldes und wechselten ins Ausland. Und weil der VfL bereits in den Vorjahren eigentlich unverzichtbare Akteurinnen wie Sara Björk Gunnarsdóttir, Noelle Maritz, Pernille Harder, Nilla Fischer oder Caroline Graham Hansen verloren hatte, war vor Saisonbeginn schwer einzuschätzen, ob der Werksclub nach diesem Substanzverlust noch die Qualität für Titelgewinne haben würde.

In der Bundesliga eine Klasse für sich

Titel seien natürlich "immer das Ziel", hieß es dann vor dem Start in die neue Serie von Stroot und dem Sportlichen Leiter Ralf Kellermann. Als unbedingten Anspruch formulierte das Führungsduo den Gewinn von Meisterschaft und/oder Pokal ob des Umbruchs aber nicht. Zumindest nicht öffentlich. So wurde die neu formierte und verjüngte Mannschaft nicht unter Druck gesetzt und konnte in Ruhe zusammenwachsen. Dieser Prozess ging erstaunlich schnell. Denn nach dem durchaus erwarteten ruckeligen Saisonbeginn mit einem Remis und einer Niederlage in den ersten sechs Bundesliga-Partien gewannen die Niedersächsinnen 15 der verbleibenden 16 Erstliga-Spiele und lösten den FC Bayern München wieder als deutschen Meister ab.

"Wir hatten eine Herausforderung, die wir als Team unglaublich gut gemeistert haben." Alexandra Popp

Und auch im Pokal schaltete der VfL seinen größten nationalen Widersacher in der Vorschlussrunde auswärts mit 3:1 aus und gewann den Titel nun zum achten Mal in Folge.

"Bin enorm stolz auf die ganze Gruppe"

Dass in der Champions League das Aus im Halbfinale gegen den FC Barcelona kam, schmälerte die tolle Wolfsburger Saison nicht. "Ich bin enorm stolz auf die ganze Gruppe. Was da die letzten Monate passiert ist, macht einen Trainerstab komplett stolz", sagte Stroot. Sein Team ließ sich am Sonntag beim Empfang am Rathaus auf der Bühne feiern, zeigte den Anhängern Schale und Pott und trug sich ins goldene Buch der Stadt ein.

Wolfsburg setzt auf deutsche Spielerinnen

Stroots Premieren-Saison als VfL-Coach verdient zweifellos das Prädikat "ausgezeichnet", auch wenn das I-Tüpfelchen, der Sieg in der "Königsklasse", ausblieb. Im Konzert der viel zahlungskräftigeren internationalen Clubs war Wolfsburg aber eben auch nur in der Rolle des Mit- und nicht Topfavoriten. Das dürfte auch in der kommenden Saison so bleiben. Denn anders als Vereine wie Chelsea, Arsenal oder Barcelona kann der Werksclub sich die europäischen Topstars nicht leisten. Stattdessen setzen Stroot und Kellermann primär auf noch entwicklungsfähige oder gestandene Bundesliga-Spielerinnen.

In Marina Hegering und Kristin Demann wurden zwei erfahrene Verteidigerinnen für die kommende Serie geholt. Hinzu kommt Potsdams gerade einmal 21 Jahre alte Kapitänin Sara Agrež, die zwei Jahre jüngere Jule Brand von der TSG Hoffenheim sowie Keeperin Merle Frohms.

Stamm des Teams bleibt fast komplett zusammen

Die 27-Jährige wird Almuth Schult ersetzen, die nach 15 Titeln mit dem VfL zum Angel City FC in die USA wechselt. Die Nationaltorhüterin ist bis jetzt die einzige Stammspielerin, die ihren Abgang angekündigt hat. Somit dürfte Wolfsburgs junge Mannschaft nach dem Prozess des Zusammenwachsens in dieser Serie in der neuen Saison noch besser sein. "Wolfsburg gelingt es immer wieder, einen sehr breiten Kader aufzustellen. Es ist ja schwer, in diese Postion zu kommen und dann dort oben zu bleiben. Und das machen sie einfach richtig gut", lobte ARD-Expertin Nia Künzer den Wolfsburger Weg.

"Wölfinnen" ist Triple zuzutrauen

An dessen Ende muss nicht zwingend "nur" das Double stehen. Ein VfL-Triple ist keine Utopie, wenn die Verantwortlichen weiterhin mit Weitsicht, Akribie und Ruhe arbeiten und das Team sein ganzes Potenzial abruft. Aber wie hatte "Feierbiest" Popp bereits vor dem Finale am Sonnabend treffend gesagt: "Man fängt immer wieder bei Null an." Und so gilt es für die "Wölfinnen" zunächst einmal, diese Saison zu bestätigen.

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Sportclub | 29.05.2022 | 22:30 Uhr

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