Kommentar zur Bundesliga: Anpfiff ohne Applaus
Die Politik hat entschieden: Die Fußball-Bundesligen können die Saison ab Mitte Mai mit Geisterspielen fortsetzen. Allzu großen Applaus sollten Politiker und Funktionäre allerdings nicht erwarten.
Ein Kommentar von Jörg Tegelhütter, NDR Info
Vorhang auf! Der Profi-Fußball kehrt also zurück auf die große Bühne. Mit Geisterspielen im Eilverfahren soll die Saison beendet und vor allem finanziell gerettet werden. Die Entscheidung von Kanzlerin und Ministerpräsidenten pro Bundesliga ist keine große Überraschung mehr. Zu oft hörte man in den vergangenen Tagen von dem Recht auf freie Berufsausübung, von den knapp 60.000 Arbeitsplätzen, die es im Profifußball zu erhalten gelte, und vor allem vom - Zitat Markus Söder - hervorragenden Spielbetriebskonzept der Deutschen Fußball Liga.
Dessen professionelle Umsetzung darf allerdings bezweifelt werden. Als beim 1. FC Köln am vergangenen Wochenende drei positive Corona-Tests bekannt wurden und sich ein Spieler um seine Gesundheit sorgte, bekam er einen Maulkorb und die Liga mit einer allgemeinen Informationssperre die Situation noch in den Griff. Dass der FC zuvor offenbar in Zwölfer-Gruppen trainierte und dabei wie zuvor schon Ligarivale Düsseldorf gegen ligainterne Abmachungen verstieß, fiel nicht weiter ins Gewicht.
Dumm nur, dass Anfang der Woche Hertha-Profi Salomon Kalou ein Live-Video postete, in dem im Trainingstrakt der Berliner munter abgeklatscht, in der Kabine gemeinsam über den Gehaltsverzicht gelästert und am Ende noch ein Corona-Test selbst gefilmt wurde. Wer angesichts dieser Bilder noch an einen seriösen Umgang der gesamten Profibranche mit dem Thema Corona-Virus glaubt, ist selber schuld.
Egal, denn mit dem ersten Anpfiff spielen Abstände, Kontaktverbote oder Schutzmaßnahmen eh keine Rolle mehr, beim Stellen von Freistoßmauern, bei Zweikämpfen oder beim Strafraumgerangel vor Eckbällen. Wie man es auch dreht und wendet: Aus medizinischer Sicht wird das Infektionsrisiko erhöht - für die schönste Nebensache der Welt. Von möglichen Langzeitschäden für die Spieler ganz zu schweigen.
Bleiben noch die Deutschen selbst. Bislang gibt es keine einzige Umfrage, in der sich eine klare Mehrheit der Menschen für die Fortsetzung der Profiligen ausspricht. Viele haben eigene zum Teil existentielle Sorgen, anderen ist es schlichtweg egal und manche werden sich nun fragen, warum sie ungetestet in Rettungswagen, Schulen oder Polizeirevieren ihren Dienst tun, während ein paar hundert Fußballprofis bevorzugt werden.
Trotzdem heißt es: Vorhang auf. Allzu großen Applaus sollten Politiker und Funktionäre allerdings nicht erwarten.
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