Martin Kind, Geschäftsführer bei Hannover 96 © imago images/Joachim Sielski

Kommentar: Hannover 96 und Kind - Ehekrach mit fataler Wirkung

Stand: 28.07.2022 16:45 Uhr

Geht er oder geht er nicht? Die schwierige Ehe zwischen Fußball-Zweitligist Hannover 96 und seinem (Noch-?)Geschäftsführer Martin Kind ist um eine weitere Episode reicher. Mit ungewissem Ausgang. Unbeschadet wird der Club sie wohl nicht überstehen.

Ein Kommentar von Tiede Thedinga

Es ist das nächste Kapitel in einer nicht enden wollenden Posse. Hannover 96 prüft rechtliche Schritte gegen - Hannover 96. Eine Posse, die wohlgemerkt sehr unlustig enden könnte. In der einen Ringecke: Mitglieder des Stammvereins, die um ihren Einfluss auf die Geschicke des Profi-Fußballs kämpfen, auf der anderen Seite ein Geldgeber, der um seinen Einfluss auf die Geschicke des Profi-Fußballs kämpft. Die Beweggründe mögen einleuchten. Dass Investoren so weit wie möglich bestimmen wollen, was mit dem Geld geschieht, das sie in einen Fußballclub stecken, ergibt Sinn.

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Martin Kind steht in einem Stadion. © picture alliance/dpa/Swen Pförtner Foto: Swen Pförtner

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Profi-Fußball ist kostspielig und risikoreich, schnell sind Millionen-Investitionen verbrannt, da reicht ein Blick in die Bundeshauptstadt Berlin auf das jüngste Beispiel, den selbst ernannten "Big City Club" Hertha BSC. Darum versucht Martin Kind neben anderen seit vielen Jahren, die berühmt-berüchtigte 50+1-Regel zu kippen. Diese besagt, dass Geldgeber nicht die volle Kontrolle in einer Profisparte ausüben dürfen. Doch je weniger Mitspracherecht Investoren haben, desto weniger attraktiv erscheint ein Engagement und desto größer ist die Gefahr, dass ein Club wirtschaftlich den Anschluss verliert.

Finanzielle Abhängigkeiten und Angst vor dem Fall

Dass auf der anderen Seite Mitglieder eines Sportvereins fürchten, sich der Lust und Laune eines oder weniger Investoren auszuliefern, ist aber ebenso verständlich. Was, wenn der Mäzen plötzlich das Interesse am Fußball verliert, pleite geht oder gar stirbt? Zahllose Beispiele im bezahlten Sport zeugen davon, wie schnell ein Verein aufsteigen und noch schneller wieder fallen kann. Dann zieht der hochbezahlte Profi-Tross weiter, während die Mitglieder die Scherben zusammenkehren müssen.

Einsicht auf beiden Seiten nötig

Was sie bei Hannover 96 erkennen müssen: Der Profi-Fußball-Club ist schon abhängig von Investoren wie Martin Kind. Wird er komplett rausgedrängt oder hört von selbst auf und löst eine Kettenreaktion aus, wird es eng. Dass der Rauswurf Kinds womöglich gar nicht rechtssicher ist, macht die Sache nur noch erstaunlicher.

Was Martin Kind erkennen muss: Einen finanziell angeschlagenen Club zu stabilisieren, wie er es mit 96 seit seinem Antritt vor zweieinhalb Jahrzehnten zweifellos geschafft hat, bedeutet noch lange kein Freifahrtschein. Vor allem geleitet von unternehmerischem Kalkül und mit vielen Alleingängen, ist ein Profi-Fußball-Club nicht zu managen.

Vielleicht steht Hannover 96 vor einer Zerreißprobe, vielleicht passiert am Ende auch nicht viel. Aber das Bild, das der Traditionsverein in diesen Tagen abgibt, ist auf jeden Fall fatal.

Anmerkung der Redaktion: Liebe Leserin, lieber Leser, die Trennung von Meinung und Information ist uns besonders wichtig. Meinungsbeiträge wie dieser Kommentar geben die persönliche Sicht der Autorin / des Autors wieder. Kommentare können und sollen eine klare Position beziehen. Sie können Zustimmung oder Widerspruch auslösen und auf diese Weise zur Diskussion anregen. Damit unterscheiden sich Kommentare bewusst von Berichten, die über einen Sachverhalt informieren und unterschiedliche Blickwinkel möglichst ausgewogen darstellen sollen.

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Sport aktuell | 28.07.2022 | 17:17 Uhr

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