HSV-Profi Ludovit Reis (l.) versucht, den Ball gegen St. Paulis Marcel Hartel zu behaupten. © Witters

Datencheck St. Pauli - HSV: So stehen die Chancen im Derby

Stand: 14.10.2022 16:38 Uhr

Heute steht in der zweiten Fußball-Bundesliga das prestigeträchtige Hamburger Stadtderby an. Spitzenreiter HSV gastiert am Millerntor beim FC St. Pauli, der im Tabellenkeller auf Platz 14 rangiert. Ist die Favoritenrolle also klar verteilt? Die Fakten im Datencheck.

von Johannes Freytag

Die Stimmung jedenfalls könnte bei beiden Clubs besser sein. St. Pauli wartet seit sieben Spielen auf einen Sieg und geht angeschlagen wie lange nicht mehr in das Derby. Stürmer Igor Matanovic stellte nach der 1:2-Last-Minute-Niederlage in Braunschweig treffend fest, es sei "im Großen und Ganzen einfach scheiße". Dieses Wort wählte auch HSV-Trainer Tim Walter nach dem 1:1 gegen den 1. FC Kaiserslautern, wodurch die Hanseaten den sechsten Dreier in Serie verpassten.

Dabei gibt es eigentlich beim HSV kaum Gründe, wirklich unruhig zu werden oder gar in Panik zu verfallen. Denn die Mannschaft ist, wie auch Mittelfeldspieler Jonas Meffert im NDR Sportclub konstatierte, "stabiler" als in der Vorsaison: 17:7 Tore und 25 Punkte schlagen zu Buche, in der vergangenen Spielzeit waren es zum gleichen Zeitpunkt 18:13 Tore und lediglich 18 Punkte.

St. Paulis Bilanz fällt im Jahresvergleich deutlich schlechter aus: Waren die Kiezkicker im Oktober 2021 mit 27:10 Toren und 25 Punkten souveräner Spitzenreiter, so stecken sie jetzt mit lediglich 15:17 Toren und elf Zählern tief im Tabellenkeller.

Starke HSV-Achse mit vier Schlüsselspielern

Die stabile Verfassung des HSV lässt sich vor allem an seinen Schlüsselspielern festmachen: Vor Torwart Daniel Heuer Fernandes bilden Sebastian Schonlau (GSN-Index 63,12), Meffert (65,71), Ludovit Reis (68,20) und Robert Glatzel (66,01) eine starke Achse, die nicht nur in allen Saisonspielen auf dem Platz stand, sondern bei den GSN-Daten Werte auf Bundesliga-Niveau vorweist. Reis' möglicher GSN-Index liegt mit 75,72 sogar im Bereich der internationalen Klasse.

Über eine Achse von Schlüsselspielern verfügt im Prinzip auch St. Pauli mit Leart Paqarada, Jakov Medic, Jackson Irvine und Marcel Hartel - allerdings fehlt dabei ein zuverlässiger Knipser, wie ihn der HSV in Glatzel hat. Zudem fielen Paqarada und Irvine jüngst verletzt aus. Auffällig im Vergleich zur HSV-Quartett ist auch: Nur Paqarada (GSN-Index 62,28) und Hartel (65,04) bringen Bundesliga-Niveau mit, Irvine (58,86) und Medic (57,26) bieten lediglich gehobenes Zweitliga-Niveau.

Welche Möglichkeiten hat St. Pauli?

Dennoch gibt es Möglichkeiten für St. Pauli, gegen den HSV zu bestehen. So wären Eric Smith oder Afeez Aremu zweikampfstarke Kandidaten, die HSV-Regisseur Reis aus dem Spiel nehmen könnten. Defensiv-Allrounder Meffert, der sehr gut antizipiert und so viele Situationen bereinigt, ohne in Zweikämpfe zu müssen, müsste im Verbund unter Druck gesetzt und zu Fehlern gezwungen werden. Auch hier wären Smith und Aremu, aber auch Irvine gefragt.

Zudem könnte der schnelle Angreifer Etienne Amenyido HSV-Kapitän Schonlau Probleme bereiten, dessen einziges Defizit das Tempo ist. Für Torjäger Glatzel wäre Medic mit seiner Physis und seiner Kopfballstärke der ideale Gegenpart.

Welche Möglichkeiten hat der HSV?

Allerdings könnte St. Paulis Abwehrmann mit kleineren, wendigeren Spieler wie Ransford-Yeboah Königsdörffer oder Sonny Kittel Schwierigkeiten bekommen. Auch "aggressive leader" Irvine fehlen Tempo und etwas die Handlungsschnelligkeit, davon könnten trickreiche Spieler wie Reis oder Kittel profitieren.

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Um den offensivstarken Paqarada aus dem Spiel zu nehmen, müssen Königsdörffer und Bakery Jatta derart für Wirbel auf dem Flügel sorgen, dass St. Paulis Linksverteidiger nicht aus der Defensivarbeit herauskommt. Hartel, der mit einer Laufleistung von insgesamt 132,10 Kilometern den Liga-Bestwert stellt, benötigt aus HSV-Sicht einen "Schatten", der ihm überall hin folgt und ihm mit Physis zusetzt - eine mögliche Aufgabe für Meffert.

HSV effizienter als St. Pauli

Mit einem GSN Performance Score von 58,35 ist der HSV die Nummer eins der Liga, St. Pauli liegt mit 52,62 auf Platz zehn. Und auch ein anderer Wert macht den Unterschied zwischen den Stadtrivalen deutlich: Zwar hat die Mannschaft von Trainer Timo Schultz mit 859,64 Aktionen pro Spiel die meisten aller Zweitligisten, lediglich 669,91 (77,93 Prozent) davon sind allerdings erfolgreich (Rang drei). Beim HSV ist es umgekehrt: Die Walter-Elf gestaltete 679 ihrer 844,27 Aktionen erfolgreich (80,42) - nur der SC Paderborn ist in dieser Hinsicht besser.

Ebenso sieht es bei den Torschüssen aus: Mit im Schnitt 14,73 Schüssen pro Partie gibt St. Pauli die zweitmeisten der Liga ab, nur 4,82 davon gehen allerdings auch aufs Tor (32,72%). Der HSV kommt auf 14,27 Schüsse, ist dabei aber deutlich zielorientierter (6,27/43,94%). Entsprechend haben die Rothosen bei den "Expected Goals" einen Wert von 1,96, die Braun-Weißen nur einen von 1,71.

Meffert: "Das wird ein Derby, wie man es sich vorstellt"

Nichtsdestotrotz werden die Karten am Freitagabend neu gemischt: "Das wird ein Derby, wie man es sich vorstellt. Wir sind heiß und freuen uns darauf", sagte Meffert - und das werde den Spielern des FC St. Pauli nicht anders gehen. In der Tat: "Ein Derby ist genau das, was wir im Augenblick brauchen. Es ist das beste Spiel, das man nach so einer Niederlage haben kann", sagte St. Paulis Eric Smith: "Wir werden versuchen, das Momentum auf unsere Seite zu holen."

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Eine Fußballtabelle vor eine Fußballmotiv © Colourbox Foto: Pressmaster

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Dieses Thema im Programm:

Hamburg Journal | 10.10.2022 | 19:30 Uhr

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