Datencheck: So stehen die Aufstiegschancen des HSV
Der Hamburger SV ist mit dem 2:0-Erfolg gegen den 1. FC Heidenheim auf Rang drei geklettert - und hat vermeintlich nur noch ein schwieriges Spiel vor der Brust. Gelingt dem HSV dieses Jahr die Rückkehr in die Bundesliga? Eine mögliche Antwort geben die Daten.
Die Hamburger haben in den vergangenen drei Jahren selbst schmerzlich erfahren müssen, wie viel sich im Saisonendspurt noch ändern kann. Zweimal waren sie zu diesem Zeitpunkt der Saison Erster, 2020 Zweiter - am Ende stand jeweils Rang vier. In diesem Jahr scheint der HSV das Feld von hinten aufzurollen und hat vom Papier her ein sehr leichtes Restprogramm.
Am kommenden Sonnabend (13.30 Uhr/im NDR Livecenter) gastieren die Hanseaten zum Beispiel beim Tabellen-15. Doch schon der Name des Gegners - SV Sandhausen - dürfte so manchem Fan einen kalten Schauer über den Rücken laufen lassen. Sowohl unter Dieter Hecking (2019/2020) als auch unter Daniel Thioune (2020/2021) verloren die Hamburger gegen die Sandhäuser.
Die Auswertung der Daten, die im Folgenden genauer erläutert werden, sprechen eine klare Sprache: Die Aufstiegschance des HSV war nach dem 22. Spieltag der zweiten Fußball-Bundesliga noch nie so schlecht wie unter Tim Walter in dieser Saison. Betrug der berechnete Wert 2019 (72 Prozent), 2020 (75) und 2021 (70) jeweils mindestens 70 Prozent, liegt dieser nun lediglich bei 53 Prozent.
"Performance-Score" des HSV auf Niedrigstand
Für diese schlechten Aussichten sorgen neben der Tatsache, dass der HSV bisher im Vergleich der Jahre bis dato nach Punkten seine schlechteste Saison spielt, auch andere Aspekte: Eine entscheidende Rolle spielen zunächst die "Expected Goals" und auch die "Expected Points" (erwartete Tore und Punkte). Nach diesen Parametern ist die Liga viel enger beisammen als in den Jahren zuvor.
Aber auch der "Performance-Score" lässt unter Walter insgesamt noch zu wünschen übrig: 54,52 beträgt dieser aktuell - und liegt damit bei den Hamburgern so tief wie noch nie zu diesem Zeitpunkt in einer Zweitliga-Saison. Am stärksten hatte sich der Club zu diesem Zeitpunkt der Saison übrigens 2019/2020 unter Dieter Hecking präsentiert (58,67).
Statistische Bestwerte unter Trainer Walter
Ein tieferer Blick in die Vergleichsdaten zeigt, was der HSV unter Walter besonders gut, aber auch schlechter als in den Vorjahren macht. Die meisten Werte liegen allerdings sehr nah bei denen unter Hannes Wolf, Hecking und Thioune.
Mit durchschnittlich 62 Prozent Ballbesitz hat der HSV in dieser Saison so viel wie noch nie (bisheriger Bestwert 60 Prozent unter Wolf 2018/2019). Mit 85,36 Prozent kommen die meisten Pässe an (85,27 unter Hecking). Das gilt auch für die Standards, von denen 41 Prozent beim Mitspieler ankommen und damit überhaupt erst für Gefahr sorgen können (39 unter Hecking).
Druckvolles Spiel - gern über die Außenbahnen
Rechtsaußen Bakery Jatta und Co. schlagen mit 18 pro Spiel mit Abstand die meisten Flanken (15 unter Thioune 2020/2021) und haben auch dabei mit 32,78 Prozent die größte Genauigkeit (29,33 unter Thioune). Insgesamt kommen die Hamburger mit 49-mal pro 90 Minuten auch am häufigsten in das letzte Drittel des Spielfeldes (48 unter Hecking).
Seitdem Walter im vergangenen Sommer das Zepter übernommen hat, attackiert der HSV den Gegner auch am frühsten. Nur noch durchschnittlich 4,2 Pässe warten die "Rothosen" ab, bis es zum ersten Versuch kommt, den Ball zurückzuerobern (5,0 unter Thioune). Zudem liegt die Pressing-Effizienz mit 47,06 Prozent auf dem Höchstwert der Vorsaison.
Chancenverwertung des HSV lässt zu wünschen übrig
Doch es ist längst nicht alles Gold, was glänzt. Nur unter Wolf (30) hatte der HSV zu diesem Saisonzeitpunkt weniger Tore erzielt als jetzt (41). Zu Thioune'schen Zeiten waren es satte sieben mehr - bei derselben Anzahl an Chancen. So schlecht wie jetzt mit 23,3 Prozent war die Chancenauswertung noch nie.
"Expected Goals" als Knackpunkt im Aufstiegskampf?
Besonders interessant ist die Statistik bei den "Expected Goals" ("xGoals"). Unter Wolf (1,36 zu 1,38) und Hecking (2,09 zu 2,1) schoss der HSV fast genauso viele Tore wie erwartet. Unter Thioune lag das Team zu diesem Zeitpunkt mit 2,18 Toren pro 90 Minuten deutlich über den Erwartungen von 1,87. Unter Walter haben die Hanseaten mit 2,2 "xGoals" zwar den höchsten Wert erspielt, sie sind mit im Schnitt 1,86 erzielten Treffern aber erstmals auch deutlich schlechter, als bei den Chancen drin gewesen wäre.
Auf der anderen Seite gestattet der HSV seinen Gegnern mit 1,48 "xGoals" auch so viele wie nie zuvor in seiner Zweitliga-Geschichte. Tatsächlich kassiert hat Walters Team bisher lediglich 20 Treffer - und profitiert bei erwarteten 32,56 Gegentoren häufig von der schlechten Chancenverwertung der Gegner. Was nicht zuletzt beim jüngsten 2:0-Erfolg gegen Heidenheim zu bestaunen war.
Darauf, dass es so weitergeht, sollte sich der HSV tunlichst nicht verlassen. Gleichzeitig müssen die Spieler unbedingt - wie in den jüngsten Spielen bereits zu sehen - weiterhin konsequenter die eigenen Großchancen verwerten.
Nur noch das Topspiel gegen Werder Bremen
Bleibt der Blick aufs Restprogramm: Nach dem Spiel in Sandhausen folgt mit dem Nordderby zu Hause gegen Werder Bremen (27. Februar/13.30 Uhr) nach jetzigem Tabellenstand das letzte Topspiel. Überhaupt stehen nur noch drei weitere Spiele gegen Teams aus der oberen Hälfte des Tableaus auf dem Programm (Plätze sieben bis neun). Hingegen trifft der HSV noch auf alle Teams, die aktuell die Ränge 13 bis 18 belegen, einzig das zwölftplatzierte Dynamo Dresden (1:1) fehlt als Gegner aus der zweiten Tabellenhälfte. Aber ist das wirklich ein Vorteil für die Hamburger?
Leichtes Restprogramm? Aus Tradition Nein!
Besonders in der vergangenen Saison unter Thioune und an den letzten drei Spieltagen unter Horst Hrubesch haben die Spiele gegen die "Kleinen" dafür gesorgt, dass der HSV nicht aufgestiegen ist.
Während es im Saisonendspurt im Schnitt noch 1,8 Punkte gegen die Gegner aus der oberen Tabellenhälfte gab, waren es nur 1,0 gegen die Teams aus der zweiten Hälfte. Unter Wolf (1,17) und Hecking (1,4) war die Ausbeute gegen die "Kleinen" besser als gegen die "Großen" (0,83/0,86) - aber auch die vermeintlich leichten Aufgaben wurden zu oft zum Stolperstein.
Walters Bilanz gegen die "Großen" deutlich besser
Und unter Walter sieht es bisher nicht anders aus. Aus den neun Spielen gegen Mannschaften, die zum Zeitpunkt des Duells in der zweiten Tabellenhälfte standen, gab es 14 Punkte - also 1,56 im Schnitt. Wohingegen in den 13 vermeintlich schwierigeren Duellen im Schnitt 2 Punkte eingefahren wurden.
Auch wenn sich der HSV im Saisonendspurt darauf verlassen kann, dass sich die direkten Konkurrenten im Kampf um den Aufstieg gegenseitig die Punkte wegnehmen werden, erscheint es fast als Nachteil, dass für die "Rothosen" nach dem Bremen-Spiel keine Topspiele mehr anstehen.
Selbstvertrauen mitnehmen - und kleinste Chance nutzen
Was die Daten natürlich nicht berücksichtigen können, ist das sicher gesteigerte Selbstvertrauen, das sich die HSV-Spieler mit den Siegen gegen den FC St. Pauli (2:1), beim SV Darmstadt 98 (5:0) und gegen Heidenheim zuletzt geholt haben.
Die Aufstiegschance mag statistisch so gering sein, wie noch nie zu diesem Zeitpunkt der Saison. Kapitän Sebastian Schonlau, Topscorer Sonny Kittel, Torjäger Robert Glatzel und ihre Mitspieler wollen sie auf jeden Fall nutzen.
