So krempelt Van-Bommel-Nachfolger Kohfeldt den VfL Wolfsburg um
Nach gerade einmal neun Bundesliga-Spieltagen musste Trainer Mark van Bommel beim VfL Wolfsburg gehen, Florian Kohfeldt übernahm. Wie hat sich das Spiel der "Wölfe" seitdem verändert - und ist es besser geworden? Eine Datenanalyse.
Kohfeldt legte in Wolfsburg einen ähnlich furiosen Start wie van Bommel hin: mit zwei Ligasiegen in Leverkusen sowie gegen Augsburg und dem zwischenzeitlichen Champions-League-Erfolg gegen Salzburg. Van Bommel hatte mit dem VfL in der Bundesliga gleich vier Auftaktsiege gefeiert. Einem Unentschieden folgten dann aber vier Niederlagen hintereinander und letztlich die Beurlaubung des Niederländers.
Die von Kohfeldt ausgelöste Auftakt-Euphorie wurde durch das Remis in Bielefeld und die Niederlagen gegen Sevilla und Borussia Dortmund etwas gedämpft. Unabhängig von den nackten Ergebnissen lässt das Kohfeldtsche Wolfsburg allerdings eine vollkommen andere Trainer-Handschrift erkennen.
"Ich lege Wert darauf, strukturiert nach vorne zu spielen und Tempo-Aktionen zu kreieren. Grundsätzlich wollen wir mehr zielstrebigen Kombinationsfußball spielen." VfL-Trainer Florian Kohfeldt
Dreier- statt Viererkette: Systemumstellung unter Kohfeldt
Augenfällig ist die Systemumstellung. Van Bommel setzte in der Abwehr stets auf eine Viererkette und vorne auf einen Angreifer. Kohfeldt ließ bei seinem Debüt in Leverkusen eine Fünferkette auflaufen, seitdem verteidigt hinten eine Dreierkette - mit dem etatmäßigen Sechser Josuha Guilavogui im Zentrum. Gegen Augsburg und in Bielefeld liefen zudem jeweils mit Wout Weghorst und Lukas Nmecha zwei Mittelstürmer auf.
Das hat sich ausgezahlt, der VfL ist unter Kohfeldt effektiver vor dem Tor. Zwar erspielen sich die Wolfburger unter dem neuen Trainer mit durchschnittlich 5,3 Torchancen pro Spiel weniger Möglichkeiten als zuvor (5,8 unter van Bommel), aber die werden dann besser genutzt. Die Chancenverwertung liegt bei 28,30 Prozent - zuvor waren es nur 17,24 Prozent.
Die Schussgenauigkeit (heißt: wie viele Abschlüsse pro Partie aufs Tor kommen) ist signifikant gestiegen, von 36,63 auf 53,85 Prozent. Der VfL macht aktuell aus 1,51 "Expected goals" 1,5 Tore pro Spiel, liegt also genau im Soll. Bei van Bommel schlug hier ein Missverhältnis von 1,64 zu 1,00 zu Buche.
Ein Faktor dabei ist ohne Zweifel Nmecha, der in den jüngsten sechs Partien als Stammspieler vier Tore markiert hat und zuletzt sein Nationalmannschafts-Debüt feiern durfte - verdientermaßen, wie die Daten zeigen.
Personalrochaden und verbessertes Flügelspiel
Kohfeldts Umstellung auf ein 3-4-3-System gepaart mit personellen Rochaden haben zudem das Flügelspiel der "Wölfe" gestärkt. Die Effizienz der Angriffe sowohl über links - von 7,59 auf 10 Prozent - als auch über rechts (10,69 auf 12,69) ist gestiegen. Renato Steffen, zuvor auf links positioniert, hat Kohfeldt auf die rechte offensive Seite geschoben. Der Schweizer oder zuletzt Dodi Lukebakio bilden mit Backup Ridle Baku die rechte Flügelzange. Über links machen nun Paulo Otavio oder Jerome Roussilon zusammen mit Nmecha Dampf.
Pressing-Effizienz deutlich gestiegen
Der Tabellensiebte ist nun kompakter aufgestellt. Zudem ist die Pressing-Effizienz seit der Übernahme des Ex-Werder-Coaches deutlich gestiegen - von 47,37 Prozent unter van Bommel auf 61,54 bei Kohfeldt. Vor allem um den Mittelkreis herum ("tiefes Pressing") hat der VfL zugelegt. Im "hohen Pressing" waren die Niedersachsen ohnehin schon gut, unter van Bommel sogar besser als bei Kohfeldt (58,33 zu 55 Prozent).
Auch das Spieltempo von Maximilian Arnold und Co. hat sich gesteigert, zumindest ein bisschen, von 18,24 Pässen pro Minute auf 18,78. Kohfeldt will seinen "Wölfen" offensichtlich die Behäbigkeit aus der Van-Bommel-Zeit austreiben. Da lag die durchschnittliche Laufleistung pro Spiel bei schlechten 110,47 Kilometern, jetzt sind es 112,58. Das ist allerdings noch immer unterer Liga-Durchschnitt. Die besten Teams reißen pro Partie bis zu 122 Kilometer ab.
"Es geht darum, aufeinander abgestimmte Bewegungen auszulösen - im richtigen Moment in gewisse Räume zu spielen." Florian Kohfeldt
Die Daten zeigen es, das Spiel der Wolfsburger ist nun anders angelegt: Weg vom dominanten Fußball der niederländischen Schule à la van Bommel (57 Prozent Ballbesitz, pro Spiel 28,73 Minuten), hin zur Kohfeldtschen Pressing-Maschine mit schnellem, mutigem Spiel nach vorne, aber weniger Ballbesitz (51 Prozent, 25,67 Minuten).
Zu viele Ballverluste in der eigenen Hälfte
Ist unter dem neuen Trainer also alles Gold, was glänzt in Wolfsburg? Sicher nicht, das hat nicht nur die jüngste Ergebnis-Flaute gezeigt. Sein risikoreicher Stil fordert Fehler heraus, die auf diesem Niveau oft bitter bestraft werden. 19 Ballverluste in der eigenen Hälfte pro Spiel sind zu viele, bei van Bommel waren es nur 13.
"Es gibt für mich überhaupt keinen Grund, nervös zu werden", sagte Kohfeldt nach dem 1:3 gegen Dortmund. "Ich sehe schon Fortschritte, gerade im Offensivspiel." Die sind in der Tat sichtbar, aber der Hebel zu mehr Konstanz dürfte weiter hinten anzulegen sein.
Nächste Bewährungsprobe gegen Mainz
"Wir haben jetzt wichtige Spiele in der Liga, um den Anschluss nach oben zu halten. Das ist unser Ziel", so Kohfeldt. Am Sonnabend in Mainz (15.30 Uhr, im NDR Livecenter) werden seine Wolfsburger Umbauarbeiten erneut auf die Probe gestellt. Dass sie noch nicht abgeschlossen sind, ist offensichtlich. Ob sie sich auf lange Sicht auszahlen, bleibt abzuwarten.
Der "Performance score" der "Wölfe", also die aktuelle Leistungsstärke, liegt unter Kohfeldt bei 59,33 - mit van Bommel waren es 60,22. Beides Werte, die unteren Bundesliga-Durchschnitt beschreiben. Die ersten Eindrücke und die Daten lassen allerdings die Prognose zu, dass der Wolfsburger Weg mit Kohfeldt erfolgversprechender ist.
