Hannovers Club-Boss Martin Kind steht mit verschränkten Armen auf der Tribüne des Stadions in Hannover. © IMAGO / Joachim Sielski

Beben bei Hannover 96: Martin Kind abgesetzt

Stand: 28.07.2022 08:01 Uhr

Martin Kind ist nicht mehr Geschäftsführer der Management GmbH bei Hannover 96. In einer knappen Mitteilung gab der Verein am Mittwochabend die überraschende Abberufung des 78-Jährigen bekannt.

"Martin Kind wurde als Geschäftsführer der Hannover 96 Management GmbH mit sofortiger Wirkung aus wichtigen Gründen abberufen. Die Gremien werden zeitnah über die Neubestellung der Geschäftsführung entscheiden. Der Vorstand Hannoverscher Sportverein von 1896 e.V.", hieß es in einer Mitteilung, die der Vorstand des Muttervereins Hannover 96 e.V. am Mittwochabend verschickte.

Die Profiabteilung wollte den Vorgang am Mittwochabend auf Nachfrage nicht kommentieren. Wie Kind, der weiterhin Mehrheitsgesellschafter des ausgegliederten Profibereichs ist, auf die Abberufung reagiert, ist unklar.

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Martin Kind steht in einem Stadion. © picture alliance/dpa/Swen Pförtner Foto: Swen Pförtner

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Kritik von Schatzschneider und Neururer

Vereinsikone Dieter Schatzschneider kritisierte die überraschende Abservierung deutlich. "Wenn dieser Vorstand jetzt die Profis übernimmt, ist das das Ende des Profifußballs von 96. Ich bin sauer, weil immer nur draufgehauen wird auf Martin Kind, gerade vom Vorstand des Gesamtvereins", sagte der 64-Jährige der HAZ.

Auch der frühere 96-Trainer Peter Neururer kann den Beschluss schwer nachvollziehen. "Ohne Martin Kind wäre 96 längst von der Fußballlandkarte verschwunden. Hoffentlich wissen die handelnden Personen genau, was sie da machen und wen sie da in Zukunft ersetzen müssen", sagte der 67-Jährige.

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Kompliziertes Konstrukt bei Hannover 96

Die "Hannover 96 Management GmbH" entsendet gleichzeitig den Geschäftsführer der "Hannover 96 GmbH & Co. KGaA", die in dem komplizierten 96-Konstrukt die Profiabteilung der Niedersachsen führt. Diese KGaA gehört zu 100 Prozent der "Hannover 96 Sales & Service GmbH & Co. KG", deren Gesellschafter zu mehr als 50 Prozent Martin Kind sowie Gregor Baum und der Drogerie-Unternehmer Dirk Roßmann sind.

Die Vereinsstruktur von Hannover 96 © Hannover 96
Die Club-Struktur von Hannover 96.

Die "Hannover 96 Management GmbH" gehört wiederum zu 100 Prozent dem Mutterverein. Dadurch ist sichergestellt, dass die 50+1-Regel auch bei den Niedersachsen greift. Denn diese Regel schreibt vor, dass die Stimmenmehrheit immer beim eingetragenen Verein bleiben muss, wenn er seine Profifußball-Abteilung in eine Kapitalgesellschaft ausgliedert.

Verein hat offenbar schon einen Nachfolger gefunden

Nach Informationen der "Hannoverschen Allgemeinen Zeitung" (HAZ) sei Kind am Mittwoch ins Vereinszentrum bestellt worden. "Er hat es kommentarlos zur Kenntnis genommen", wird Vereinspräsident Sebastian Kramer zitiert, der mehr dazu nicht sagen wollte, "weil es sich um ein schwebendes Verfahren handelt". Allerdings bestätigte er auf Nachfrage, dass der e.V. bereits einen Nachfolger für Kind gefunden habe.

Konflikte nach Antrag für Ausnahmegenehmigung von 50+1-Regel

Kind wurde 1997 noch zum Präsidenten von Hannover 96 gewählt, als der Club in der Dritten Liga spielte. Unter ihm gelang die Rückkehr in die Bundesliga, der Umbau des Stadions in eine WM-Arena - und die Ausgliederung des Profibereichs. Als Kind nach 20-jähriger Förderung seines Clubs genau wie der VfL Wolfsburg, Bayer Leverkusen und 1899 Hoffenheim eine Ausnahmegenehmigung von der 50+1-Regel bei der Deutschen Fußball Liga (DFL) bekommen wollte, spitzten sich die Konflikte bei 96 zu. Kinds Antrag wurde abgelehnt, die Opposition im Verein immer stärker.

Als sich der langjährige Clubboss als Präsident des Muttervereins zurückzog, um sich nur noch um den Profifußball zu kümmern, wählten die Mitglieder 2019 lauter Kind-Gegner und 50+1-Befürworter an die Spitze des Hannover 96 e.V.. Von da an arbeiteten Kapital- und Vereinsseite mehr gegen- als miteinander.

Schäfer als Kind-Nachfolger abgelehnt

Beide Seiten konnten sich nie auf einen gemeinsamen Kandidaten für die Kind-Nachfolge an der Spitze der Profifußball-Gesellschaft einigen. Den von Kind und Roßmann erst 2021 verpflichteten Robert Schäfer lehnte die e.V.-Spitze dafür ab. Die Konflikte schienen sich vorerst beruhigt zu haben, weil Kind mit seinem Geld die Verluste der Corona-Zeit ausglich und in diesem Sommer eine hochambitionierte neue Mannschaft zusammenstellte. Doch diese Ruhe ist nun vorbei. Zumal weiteres Chaos droht, sollten Kind und seine Mitstreiter ihr Kapital zurückziehen. Der Mutterverein müsste für potente Alternativen sorgen.

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Dieses Thema im Programm:

NDR 2 Sport | 27.07.2022 | 23:03 Uhr

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