Stand: 16.08.2019 13:24 Uhr

Wie die Fischindustrie Verbraucher austrickst

Fisch und Meeresfrüchte gelten als besonders gesunde Delikatessen und zählen zu den teuren Lebensmitteln. Doch nicht immer ist die Ware ihren Preis tatsächlich wert. Denn manchmal schummeln die Hersteller, um für ihre Ware einen höheren Preis zu erhalten - etwa indem sie das Gewicht manipulieren oder den Fisch einfärben. Und auch die gesunden Inhaltsstoffe sind nicht garantiert, denn zumindest Fisch aus Aquakultur ist häufig mit Schadstoffen belastet. Welche Tricks gibt es und worauf sollten Verbraucher beim Fischkauf achten?

Tricksereien beim Wassergehalt

Tiefkühlfisch ist beliebt: Ein großer Teil des in Deutschland verkauften Fisches stammt aus der Tiefkühltruhe der Supermärkte. Doch nach dem Auftauen sind manche Fischfilets plötzlich deutlich kleiner, wirken labbrig und wässrig. Dies kann ein Hinweis darauf sein, dass dem Fisch künstlich Wasser zugefügt wurde. 

Hersteller machen Fische künstlich schwerer

Eine frische geöffnete Jakobsmuscheln in ihrer Schale liegt neben zwei geschlossenen Jakobsmuscheln. © fotolia.com Foto: Picturefoods
Tiefkühl-Jakobsmuscheln werden mit Wasser "glasiert". Das zugefügte Wasser muss aber auf der Verpackung deklariert werden.

Tiefgekühlter Fisch verliert beim Auftauen einen Teil seines natürlichen Wassergehalts. Deshalb sei es erlaubt, ihn mit Phosphaten zu behandeln, erklärt der Lebensmittelchemiker Prof. Jörg Oehlenschläger. Die Phosphate sollen das natürlicherweise im Fisch enthaltene Wasser binden. "Aber wenn man dann darüber hinaus noch weiteres Wasser einbringt, das ist hart an der Grenze zum Betrug", so Oehlenschläger. Denn durch das sogenannte Fremdwasser lässt sich das Gewicht des Fisches künstlich erhöhen - und so ein höherer Preis erzielen. Das Einspritzen des Wassers ist nur erlaubt, wenn es deutlich auf der Verpackung angegeben wird. Das scheint aber häufig nicht der Fall zu sein, wie ein Labortest mit tiefgekühlten Pangasiusfilets sowie Jakobsmuscheln zeigt: Bei der Hälfte der getesteten Produkte war der Wassergehalt auffällig hoch, ohne dass dies auf der Verpackung deklariert wurde.

Wie gut ist Fisch aus Aqua-Kultur?

Jedes Jahr holt die industrielle Fischerei riesige Mengen Fisch aus den Weltmeeren. Viele Arten gelten längst als überfischt, einige gar als vom Aussterben bedroht. Fisch aus Aquakultur soll hierfür eine Lösung sein: Statt ihn wild zu fangen, wird der Fisch in speziellen Anlagen im Meer oder an Land gezüchtet. Weltweit kommt heute schon mehr als die Hälfte des verzehrten Fisches aus Aquakulturen. Bei Lachs und Doraden sind es sogar 90 Prozent und mehr. Aber ist Fisch aus Aquakultur genauso hochwertig wie Wildfisch?

Weniger gesunde Omega-3-Fettsäuren

Zwei Lachsfilets mit Haut auf schwarzem Untergrund © Fotolia Foto: HLPhoto
Lachs aus Aquakultur ist nicht so gesund wie viele Verbraucher vermuten.

Diese Frage beantwortet Ulfert Focken vom Thünen-Institut für Fischereiökologie mit einem klaren Nein. So enthalte Zuchtlachs nur halb so viel der gesunden Omega-3-Fettsäuren wie Wildlachs und sei damit schlicht nicht so gesund. Das Futter der Zuchtfische bestehe vor allem aus Sojamehl, Pflanzenöl und Getreide und nur zu etwa einem Viertel aus Fischmehl und Fischöl. Dadurch enthalte der Zuchtfisch selbst weniger gesundes Omega-3. "Wenn ich dem Fisch nur Pflanzenöl gebe, dann habe ich keinen positiven Effekt davon, dass ich Fisch esse, auf meine Fettsäurezusammensetzung", so Focken.

Verbotenes Pflanzenschutzmittel im Lachs

Ein Labortest zeigt ein weiteres Problem: Alle Zuchtlachs-Proben enthalten Ethoxyquin. Dabei handelt es sich um ein Pflanzenschutzmittel, das in der EU seit Jahren verboten ist, das allerdings dem Fischfutter weiter zugesetzt werden darf und so auch in den Zuchtfischen landet. Beunruhigend: Laut Edmund Maser vom Institut für Toxikologie der Universität Kiel seien die Höchstwerte, die man zum Beispiel für Schweinefleisch definiert habe, teilweise in den Proben deutlich überschritten.

Allerdings gibt es für Fisch bislang keine definierte Höchstmenge, sodass der hohe Ethoxyquin-Gehalt völlig legal ist. Man müsse aber "davon ausgehen, dass, wenn man zu viel von diesem Lachs isst, gesundheitliche Beeinträchtigungen bekommen kann", so Maser. Zwar glaube er, dass keine akute Gefahr bestehe, solange man den Fisch in Maßen genieße. Aber: "Über die gesundheitlichen Auswirkungen beim Mensch haben wir sehr wenig Erfahrung, was das Ethoxyquin betrifft".

Die gute Nachricht: Ab 2020 ist der Einsatz von Ethoxyquin im Fischfutter EU-weit verboten. Wer bis dahin sicher gehen will, dass das Lachsfilet auf dem Teller unbelastet ist, sollte allerdings statt zu Zuchtlachs ausschließlich zu Wildlachs greifen. Denn auch die Proben von Biolachs aus Aquakultur enthielten bei dem Labortest Ethoxyquin, allerdings nur in geringen Mengen.

Färbetricks beim Thunfisch

Besondere Vorsicht ist in jüngster Zeit beim Thunfischkauf geboten. Offenbar kommt es vor, dass minderwertiger Thunfisch, der etwa zur Weiterverarbeitung zu Dosenthunfisch gedacht ist, rot eingefärbt und als hochwertige Ware, wie sie etwa zur Zubereitung von Sushi oder Sashimi verwendet wird, weiterverkauft wird. Das haben EU-Ermittler herausgefunden. "Der Thunfisch, der industriell gefischt wird und als Konserve vorgesehen ist, hat einen Wert von fünf bis sieben Euro pro Kilo. Er wird aber verkauft als frischer Thunfisch, der traditionell gefischt wird. Für diese Ware liegt der Preis bei zehn bis zwölf Euro pro Kilo", erklärt Enrico Brivio von der EU-Kommission. Das ist EU-weit verboten. Dennoch kursieren nach Schätzungen der Industrie derzeit auf dem Markt etwa 20.000 Tonnen auf diese Weise behandelter Thunfisch.

Frisches Thunfisch-Steak © picture alliance/Photocuisine.de
Appetitlich rot, so präsentiert sich hochwertiges Thunfischfleisch. Doch manche Hersteller helfen bei der Farbe nach.

Andere Methoden sind dagegen erlaubt. So darf Thunfisch etwa mit Antioxidantien behandelt werden. Diese sorgen dafür, dass sich die frische rote Farbe länger hält. Allerdings sei ihr Einsatz nur in sehr kleinen Mengen erlaubt, betont Enrico Brivio. Die Gefahr für den Verbraucher: Er kann nicht auf Anhieb erkennen, ob es sich wirklich um ein Stück frischen Fisch handelt. So sah der behandelte Fisch in einem Test nach zehn Tagen Lagerung deutlich frischer aus als unbehandelter Vergleichsfisch. Zum Verzehr waren aber weder der behandelte Fisch mit der appetitlich roten Farbe noch der unbehandelte Vergleichsfisch noch geeignet.  

Auch Restaurants schummeln beim Fisch

Doch nicht nur Konzerne, auch viele Restaurants schummeln beim Fisch:

  • Günstiger Fisch statt Seezunge: Restaurantgäste sollten misstrauisch werden, wenn ein hochpreisiger Fisch wie Seezunge für einen auffallend günstigen Preis angeboten wird. Denn dann kommt möglicherweise statt der echten Nordsee-Seezunge Pangasius oder eine tropische Seezungenart wie etwa Limandes auf den Teller. An der Konsistenz lässt sich eine "falsche" Seezunge übrigens sofort erkennen: Oft ist das Filet zu flach, das Fleisch zu weich.

  • Garnelen statt Scampi: Auch bei Meeresfrüchten wird gern geschummelt: So servieren einige Restaurants Garnelen statt der wesentlich teureren Scampi

  • Tiefkühlware statt frischer Fisch: Selbst in direkter Küstennähe servieren Restaurantbesitzer statt fangfrischem Fisch häufig Tiefkühlware. Gäste erkennen eingefrorenen Fisch an einer wässerigen Konsistenz und eventuellen Verfärbungen des Fleisches. Frischer Fisch hingegen hat eine feste Struktur und ist meist schneeweiß (ausgenommen Wildlachs). Auch ein leicht traniger Geschmack deutet auf einen über längere Zeit eingefrorenen Fisch hin, da sich das Fett des Tieres trotz der Minusgrade in der Tiefkühlung langsam zersetzt.

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Dieses Thema im Programm:

Markt | 19.08.2019 | 20:15 Uhr

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