Prozess: Mutmaßlicher Reichsbürger räumt Umsturzpläne ein

Stand: 27.05.2024 18:08 Uhr

Ein mutmaßlicher Reichsbürger aus der Nähe von Bad Bramstedt hat vor dem Hanseatischen Oberlandesgericht in Hamburg gestanden, unter anderem eine terroristische Vereinigung unterstützt zu haben.

Der 66-Jährige aus dem Kreis Segeberg soll "ein hochverräterisches Unternehmen vorbereitet" haben. Er hat laut Staatsanwaltschaft Anfang 2022 damit begonnen, die sogenannte Kaiserreichsgruppe zu unterstützen. Ihm wird vorgeworfen, an mehreren Treffen teilgenommen und neue Mitglieder angeworben zu haben. Der Mann sagte, er habe sich schon immer für Geschichte interessiert - vor allem für Preußen und das Deutsche Reich. Während der Corona-Pandemie begann er nach eigenen Angaben, mit den Maßnahmen der Bundesregierung zu hadern.

Umsturzgedanken während der Pandemie

In Chatgruppen mit Namen wie "Deutsches Reich intern" tauschten sich die Mitglieder der Gruppe offenbar darüber aus, das Deutsche Reich von 1871 wieder auszurufen. Die Mitglieder sollen demnach Waffen organisiert haben und auch eine konstituierende Sitzung nach der Machtergreifung vorbereitet haben - der Mann aus dem Kreis Segeberg räumte am Montag ein, daran mitgewirkt zu haben. Die Anklagevorwürfe seien zutreffend, hieß es in einer Erklärung, die seine Verteidigerin Ina Franck-Holst vor dem Staatsschutzsenat verlas.

Segeltörn nach Russland: Putins Unterstützung erhofft

Für die Machtergreifung soll sich die Gruppe unter anderem Hilfe von Russland erhofft haben: Der 66-Jährige wollte demnach mit einem Segelschiff in russische Gewässer einfahren, um den Präsidenten Wladimir Putin persönlich um politische und militärische Unterstützung bei der Gründung eines neuen Staates zu bitten.

Der Beschuldigte soll innerhalb der Gruppierung damit beauftragt worden sein, Waffen und Munition zu beschaffen. In seinem Wohnmobil soll der Mann eine Pistole und Munition für mehr als 100 Schüsse aufbewahrt haben. Bei der Verhaftung wurde außerdem auch Gewehrmunition im Keller der Wohnung gefunden.

Blackout und Entführung von Karl Lauterbach geplant

Nach Angaben der Hamburger Generalstaatsanwaltschaft wollte die Vereinigung einen flächendeckenden Stromausfall in Deutschland herbeiführen. Zudem sollte Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) während einer Live-Talkshow entführt werden. Der Bundeskanzler und Bundespräsident sollten dann von der Gruppierung für abgesetzt erklärt werden. Verschiedene Mitglieder der Gruppierung sollen sich mit dem Angeklagten einig gewesen sein, dass die nachfolgende Staatsform eine parlamentarischen Monarchie sein sollte.

Nach Geständnis: Abkehr von der Szene

Allerdings soll der 66-Jährige aus dem Kreis Segeberg nicht alle Pläne befürwortet haben. Der Plan für einen großen Stromausfall sei ihm zu weit gegangen. Waffen habe er zwar besorgen wollen, aber nicht für den Umsturz. Er habe beim Verfassungsschutz angerufen, um die Behörde zu warnen. Nach Angaben eines Gerichtssprechers hat der Angeklagte zweimal mit dem Verfassungsschutz Kontakt aufgenommen - jedoch ohne dass dies weiter verfolgt wurde. Die Angaben seien der Behörde "zu unspezifisch" erschienen.

Der Mann erklärte am Montag vor Gericht, sich nun von der Reichsbürgerszene zu distanzieren. "Ich bin immer mehr in diese Kreise reingeraten", so der Angeklagte. Heute möchte er nach eigenen Angaben nichts mehr mit der Szene zu tun haben.

ARD-Experte für Terrorismus und Innere Sicherheit, Michael Götschenberg. © ARD-Hauptstadtstudio Foto: Gundula Krause
AUDIO: Terrorexperte zu Reichsbürger-Prozess: "Gefahr war sehr konkret" (5 Min)

Festnahme im vergangenen November

Der 66-Jährige war im November vergangenen Jahres verhaftet worden und befindet sich seitdem in Untersuchungshaft. Die mutmaßlichen Hauptakteure der Gruppe, die auch unter dem Namen "Vereinte Patrioten" bekannt ist, müssen sich zurzeit vor dem Oberlandesgericht in Koblenz verantworten

Handelt es sich um eine terroristische Vereinigung?

Im Prozess werde es darauf ankommen, ob das Gericht die "Kaiserreichsgruppe" als terroristische Vereinigung einstuft, so ein Gerichtssprecher. Nur dann könnte der Angeklagte in Hamburg wegen Unterstützung einer solchen Vereinigung verurteilt werden. Bei der Bewertung werde der Staatsschutzsenat zwar ein mögliches Urteil des Oberlandesgerichts in Koblenz berücksichtigen, aber das Hamburger Gericht müsse zu einer eigenen Bewertung kommen.

Für das Verfahren in Hamburg, das unter strengsten Sicherheitsvorkehrungen stattfindet, sind zunächst 16 Verhandlungstage angesetzt. Ein Urteil wird nicht vor dem 19. Juli erwartet.

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Dieses Thema im Programm:

NDR 1 Welle Nord | Nachrichten für Schleswig-Holstein | 27.05.2024 | 17:00 Uhr

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