Landwirtin: Ausbildung beendet - auf ins nächste Abenteuer
Vor gut zweieinhalb Jahren hat Evje Wieck ihr Abitur gemacht und dann entschieden, dass sie Landwirtin werden will. Im Sommer beendete sie ihre verkürzte Ausbildung auf Hof Holling in Osterstedt im Kreis Rendsburg-Eckernförde erfolgreich.
Mit einem Lächeln, etwas schmutzig und mit Mütze und Handschuhen kommt sie über den Hof gelaufen. Noch immer hilft die gebürtige Föhrerin hier nachmittags aus - wenn es passt. Aber eins ist dann doch ein wenig anders als früher: Nun gibt Evje Wieck den neuen Azubis Anweisungen, beantwortet Fragen und erklärt, wie es geht. Die 20-Jährige schmunzelt und meint: "Das war schon komisch in den ersten Wochen nach der Ausbildung, eigentlich war man es ja immer selber, dem gesagt wurde, wie es geht." Aber Evje Wieck wäre ja nicht Evje Wieck, wenn sie nicht schnell mit dem Sprung in das kalte Wasser zurechtkommen würde: "Mir wird schnell langweilig - und man wächst ja auch mit seinen Aufgaben. Insofern komme ich jetzt gut damit klar."
Ein Resümee: Es ist der richtige Beruf
Sie ist nicht mehr so oft auf dem Hof wie früher, denn inzwischen hat sie ein Landwirtschafts-Studium angefangen. Wenn sie auf die vergangenen zweieinhalb Jahre und die Entscheidungen, die sie getroffen hat, zurückblickt, dann wirkt sie nicht zaudernd oder zögernd. Und gibt dann eine differenzierte Antwort. Nüchtern, ehrlich und zufrieden fasst sie zusammen: "Es war ja schon für so ein Insel-Ei wie mich eine harte Entscheidung, aufs Festland zu gehen. Alles war neu, ich kannte niemanden. Aber es war die richtige Entscheidung", sagt Evje Wieck. Sie überlegt noch mal kurz und fügt hinzu, dass es am Anfang schon schwer war. Sobald es aber mit der Berufsschule los ging, habe sich alles gut gefügt.
Bereut, sagt sie mit Nachdruck, hat sie ihre Berufswahl nie: "Es ist nach wie vor das, was ich machen will. Ich liebe meinen Job. Klar, ab und zu habe ich mich schon gefragt, ob das jetzt so richtig war." Damit meint Evje Wieck vor allem die doch zunehmende Kritik seitens der Gesellschaft an den Landwirten. Die 20-Jährige findet aber, dass "es wichtig ist, sich dafür einzusetzen, dass rüberkommt, was wir tun und wie wir es tun. Dass wir mit den Tieren gut umgehen. Wir wollen von den Tieren leben. Einer Kuh, der es nicht gut geht, die gibt auch keine Milch."
Praktikum in MV statt arbeiten in Kanada
Auf Hof Holling trifft man im Kuhstall nicht nur Kühe, sondern auch gern mal den kleinen Peter - ein junger Kater. "Er klettert einfach überall hoch," sagt Evje Wieck und hebt das kleine Kätzchen, dass gerade dabei war, ihr linkes Bein zu erklimmen, auf ihren Arm. Es ist schnell zu sehen, dass sie mit Tieren umgehen kann und die Tiere mehr als ein Job sind. Für die 20-Jährige bleiben Kühe jedoch erst mal ihr Steckenpferd, das war schon während ihrer gesamten Ausbildungszeit so. Allerdings gibt es da ein anderes Tier, dass sich gerade in ihr Herz schleicht: "Ich habe in letzter Zeit meine Leidenschaft für Ziegen entdeckt."
Bald will sie ein Praktikum in Mecklenburg-Vorpommern auf einem Betrieb machen, der Ziegenmilch herstellt. Überhaupt möchte Evje Wieck noch viel mehr lernen, deswegen hat sie nun auch das Studium am Hochschulstandort Osterrönfeld angefangen. "Durch Corona ist es so, dass mir sehr viele Entscheidungen abgenommen wurden. Eigentlich hatte ich ja überlegt nach Kanada auf einen Hof zu gehen, aber das ging ja nun nicht." Deswegen macht sie nun erstmal einen Bachelor.
Evje Wieck träumt von einer eigenen Käserei
Das Studium soll dafür sorgen, dass sie anschließend kein Problem hat, einen Job zu finden. Sie könnte immer auf einen Hof arbeiten, aber auch in der Pharmaindustrie gibt es Jobs für studierte Landwirte. "Die Möglichkeiten sind sehr vielfältig. Stand jetzt sehe ich mich aber zukünftig immer noch draußen bei den Tieren. Ein Bürohengst werde ich, glaube ich, in meinem Leben nicht mehr." Deswegen fällt ihr studieren - gerade im Homeoffice - auch nicht so leicht wie die Ausbildung. Vor dem Laptop sitzen und jemandem zuhören, das fordert die quirlige, lebendige junge Frau doch sehr, wie sie zugibt.
"Da gibt es ja immer so viel, was man machen könnte: Wäsche waschen, aufräumen - aber nein, ich muss mich dann zwingen, sitzen zu bleiben, mitzuschreiben und zuzuhören." Aber das Studium will sie auf jeden Fall durchziehen. Daran lässt sie kein Zweifel. Und dann? "Ich muss einfach mal gucken, was mir noch so begegnet. Im Moment interessiert mich sehr viel, wer weiß, was noch kommt. Aber klar: Einen eigenen Milchviehbetrieb oder eine eigene Käserei, das wäre schon ein kleiner Traum."
Wie ist es in Corona-Krise?
Die Corona-Pandemie hat außer, dass sie im Studium aktuell keine Präsenzveranstaltungen hat, wenig Einfluss auf Evje Wiecks Leben. Auf Hof Holling läuft eigentlich alles wie immer. Aber klar, die Freizeit leidet schon, räumt sie ein: "Das stört mich auch, man kann wenig machen, es wird früh dunkel. Aber gut, ab und zu trinken wir hier noch ein Bier zusammen. Oder wir spielen zu Hause Spiele." Die 20-Jährige wohnt noch in ihrer Azubi-Wohnung eine Gemeinde weiter. Aber die anderen Azubis sind inzwischen aus- und ihr Freund eingezogen, berichtet sie. Das macht die Corona-Zeit natürlich etwas leichter. Außerdem fügt sie hinzu: "Ich bin da auch niemand, der jetzt nur herumjammert. Ich kann im Moment ja doch nix ändern." Damit ist für Evje Wieck, die eine stark pragmatische und gelassene Seite hat, das Thema dann auch durch. Warten bis es besser wird und bis dahin nur das Beste draus machen, das ist ihr Rezept.
Fünf Autoren begleiten fünf Auszubildende in fünf Branchen - über Wochen, Monate und Jahre: In einer langfristig angelegten Serie berichtet NDR Schleswig-Holstein über junge Menschen, die ins Berufsleben starten. Nach den ersten zwei Jahren ziehen die Auszubildenden im fünften Teil der Serie Bilanz.
