Stand: 14.12.2017 11:02 Uhr

Weidemilch ist eine Chance für Milchbauern

Viele Verbraucher wünschen sich, dass die Milch, die sie im Supermarkt kaufen, von Tieren aus artgerechter Haltung stammt. Von glücklichen Kühen, die das ganze Jahr über auf der Weide stehen und Gras fressen. Bei genauerer Betrachtung von Milchtüten mit der Aufschrift "Weidemilch" ist oftmals jedoch nicht klar, was genau drin steckt. Denn "Weidemilch" ist kein geschützter Begriff, die Kriterien sind ganz unterschiedlich. In Niedersachsen sorgt ein neues Siegel seit diesem Jahr aber für mehr Transparenz.

Ausreichend Platz für Bewegung

Ein Mann und eine Frau stehen Arm in Arm vor einem Kuhstall. © NDR Foto: Claudia Plaß
Heike und Heiko Holthusen setzen darauf, dass sie mit Weidemilch Erfolg haben.

Die Kühe vom Hof Holthusen bei Brake haben ihre Tage bis vor Kurzem auf der Weide verbracht. Nur zum Melken ging es in den Offenstall - mit ausreichend Platz für Bewegung und viel frischer Luft. Zum Start der Wintersaison stehen sie nun drinnen und fressen Gras von den Hof-eigenen Wiesen.

Landwirt Heiko Holthusen wirft einen prüfenden Blick auf eines der Tiere: "Es ist eben wichtig, dass sie glänzendes Fell hat. Das hat sie. Sie guckt uns an, kaut wieder. Man kann das schon auf den ersten Blick sehen: Denen geht es gut."

Wünsche der Verbraucher erfüllen

Ein Mann und eine Frau stehen Arm in Arm vor einem Kuhstall. © NDR Foto: Claudia Plaß
AUDIO: Weidemilch hat Konjunktur (4 Min)

Heiko und Heike Holthusen bewirtschaften einen Milchviehbetrieb mit 240 Kühen und 240 Hektar Grünland. Zwischen Frühjahr und Herbst sind die Tiere auf der Weide. Das ist die traditionelle Milchviehhaltung in der Wesermarsch.

Für die beiden Landwirte ist es wichtig, die Wünsche der Verbraucher umzusetzen. "Das ist vom Verbraucher auch gewollt, dass draußen das Vieh läuft und dass es denen gut geht. Das kann ich als Landwirt auch unterstützen. Das ist uns auch immer wichtig", sagt Heiko Holthusen.

Trend zur Stallhaltung soll gestoppt werden

Trotzdem: In den vergangenen Jahren haben immer mehr Betriebe aus wirtschaftlichen Gründen auf reine Stallhaltung umgestellt. Mit der neuen Vermarktung als Weidemilch soll dieser Trend gestoppt werden. Auch die Holthusens machen mit. Die Milch ihrer Kühe trägt das Label "Pro Weideland - Milch aus konventioneller Stallhaltung".

Um das Label zu bekommen, müssen die Tiere an mindestens 120 Tagen im Jahr draußen sein - und mindestens sechs Stunden pro Tag. Außerdem müssen sie auch im Winter ausreichend Bewegungsfreiheit haben und sie dürfen nur Gentechnik-freies Zusatz-Futter bekommen.

"Wir schaffen einen Mehrwert"

Landwirtschaftsminister Christian Meyer (Grüne) steht auf einer Kuhweide und hält das neue "Pro Weideland"-Siegel in der Hand. © dpa Bildfunk Foto: Jörg Sarbach
Niedersachsens Landwirtschaftsminister Christian Meyer (Grüne) hat das "Pro Weideland"-Siegel vorgstellt.

Arno Krause ist Geschäftsführer des Grünlandzentrums Niedersachsen/Bremen. Das Zentrum hat die Kriterien für das Label gemeinsam mit Vertretern aus Politik, Landwirtschaft und Wirtschaft erarbeitet. Im Frühjahr dieses Jahres ist es an den Start gegangen. "Pro Weideland ist dafür gemacht, dass wir den Betrieben, die sich für Weidehaltung entscheiden, eine Zukunftsperspektive bieten", erklärt Krause. "Wir schaffen Kriterien und Standards, und wir schaffen einen Mehrwert. Das heißt, die Bevölkerung, die sich dafür entscheidet, dass das ein gutes System ist, kann dann die deklarierte Milch kaufen. Und ein Teil des Geldes kann dann Betrieben wie dem von Heike und Heiko Holthusen zur Verfügung gestellt werden, damit sie die Weidehaltung aufrecht erhalten."

Höfe werden regelmäßig überprüft

Kühe auf der Weide zu halten, das bedeutet für Landwirte mehr Arbeit als sie im Stall stehen zu lassen. Pro Liter Milch bekommen die Holthusens dafür einen Cent mehr von ihrer Molkerei. Im Supermarkt liegt der Preis der Weidemilch für Verbraucher zwischen konventioneller und Bio-Milch.

Die Molkerei Ammerland ist die einzige Molkerei, die Milch und Käse derzeit mit dem "Pro Weideland"-Label verkauft. 600 der insgesamt 2.000 Landwirte, die ihre Milch an die Molkerei liefern, nehmen am Weidemilch-Programm teil. Sie müssen einen Weide-Kalender führen, und ihre Höfe werden regelmäßig überprüft. Molkerei-Geschäftsführer Ralf Hinrichs sieht noch erhebliches Potenzial: "Während Standard-Konsum-Milch im Absatz weiter zurück geht, stellen wir fest, dass in Bereichen mit hoher Wertschöpfung für unsere Milcherzeuger, wie bei der Weidemilch, ein Umdenken beim Verbraucher stattfindet."

Weidemilch-Anteil im Handel steigt

Nach Angaben der Landesvereinigung Milchwirtschaft Niedersachsen ist der Weidemilch-Anteil im Einzelhandel zwar noch gering - er liegt derzeit bei etwa drei Prozent. Allerdings ist er in den vergangenen Monaten um etwa 30 Prozent gestiegen. Ein gutes Zeichen, findet auch Arno Krause vom Grünlandzentrum, das auf Transparenz für den Verbraucher setzt.

Auch die neue Agrarministerin von Niedersachsen, Barbara Otte-Kinast (CDU), betont, dass das Weidemlich-Programm wichtig für den Grünland-Standort im Norden sei. Sie werde es, wie die Vorgänger-Regierung, weiter fördern: "Und ich wünsche mir fürs Weidemilch-Programm, dass es nicht nur für die Milch, sondern auch für andere Produkte Kreise zieht." Otte-Kinast hofft, dass es zum Erfolgsmodell wird: "Das ist eine Nische für einen Teil unserer Milchvieh-Halter."

"Dann können auch Betriebe wie unserer überleben"

Auf Erfolg hoffen auch die Holthusens. Sie haben wegen der Milchpreiskrise in den vergangenen beiden Jahren rote Zahlen geschrieben, derzeit geht es wieder etwas aufwärts, auch dank der Weidemilch. "Und wenn der Verbraucher das möchte, und da ein bisschen mehr Geld für ausgibt, dann können solche Betriebe wie wir überleben", sagt Heiko Holthusen.

Dieses Thema im Programm:

NDR Info | Perspektiven - auf der Suche nach Lösungen | 14.12.2017 | 07:50 Uhr

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