Gefährdet neues Kita-Gesetz Vereinbarkeit von Familie und Beruf?

Stand: 22.01.2024 09:21 Uhr

Familie und Beruf gut unter einen Hut zu bringen, das ist für viele Eltern in Niedersachsen wichtig. Richtig praktisch ist es, wenn der Arbeitgeber eine eigene Kita oder Krippe hat. Je nach Organisationsform gibt es ab dem Sommer aber ein Problem.

von Jan-Bastian Buck

Die 14 Monate alte Elli geht mit neun anderen Kindern zu den BÜFA-Minis. Das ist die Kinderbetreuung des Oldenburger Chemieunternehmens BÜFA, für das ihr Vater Lars Schwart arbeitet. Schwart ist sehr zufrieden mit der Betreuung für seine Tochter und findet es schön, dass er direkt gegenüber arbeitet. Die kurzen Wege seien toll, und wenn mal etwas sein sollte, ist er immer direkt da.

Neue Regeln für Kita: Ab 1. August wird alles anders

Formal sind die BÜFA-Minis eine Kindergroßtagespflege. Das heißt: Maximal drei Tagespflegepersonen betreuen maximal zehn Kinder im Alter zwischen einem und vier Jahren. Am ehesten vergleichbar ist das mit zwei Tagesmüttern oder -vätern, die sich Räumlichkeiten teilen und dann zehn Kinder betreuen können. Ab dem 1. August, wenn das neue Kita-Jahr startet, gelten aber für solche Kindergroßtagespflegen die gleichen Regeln wie für Krippen - und das hat Folgen.

Zwei Betreuungsplätze weniger in der Kita

Im Niedersächsischen Gesetz über Kindertagesstätten und Kindertagespflege ist ein Altersschlüssel für die Gruppenstärke festgeschrieben und der besagt: Sind mehr als drei Kinder jünger als zwei Jahre, gibt es nur noch acht Plätze. Dass auch Einrichtungen wie die BÜFA-Minis das umsetzen müssen, begründet das niedersächsische Kultusministerium mit dem Wunsch nach einer Gleichbehandlung. BÜFA steht mit dem Problem nicht allein da. Viele Betriebskrippen sind als Kindergroßtagespflege organisiert.

"Regel torpediert Vereinbarkeit von Familie und Beruf"

Viele Punkte des Gesetzes kann Frauke Kayser, die Familienkoordinatorin bei BÜFA, gut nachvollziehen. Den Altersschlüssel bei der Gruppenstärke hält sie aber für ein fatales Signal und sagt: "Wir wollen ermöglichen, dass Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die nach der Elternzeit wieder in den Beruf wollen, eine Betreuungsmöglichkeit bekommen, und diese Änderung wird dazu führen, dass es weniger Betreuungsplätze geben wird und somit auch die Situation für die Eltern verschlechtert wird."

Mehr Geld, mehr Personal: Problem gelöst?

Die Frage liegt auf der Hand, gerade bei einer Kindertagespflege, die ein Unternehmen betreibt: Warum wird nicht einfach eine vierte Tagespflegeperson eingestellt, damit weiter zehn Kinder betreut werden können? Das ist nicht zulässig und dabei spielt wieder die Organisationsform eine Rolle. Das Kultusministerium teilt dazu auf Anfrage mit: "Diese Obergrenze (max. 3 Kindertagespflegepersonen) hat den Grund, dass es sich bei der Tagespflege strukturell nicht um ein Gruppenangebot handelt, sondern um eine sogenannte familiennahe Betreuungsform. Die Kindertagespflegepersonen haben ein besonderes Näheverhältnis zu den Kindern und das soll mit Blick auf die Bedürfnisse insbesondere kleiner Kinder nicht gestört werden, indem es zu viele Bezugspersonen gibt, beziehungsweise, indem der familienbezogene Charakter verloren geht."

Mehr Aufwand, mehr Absagen bei Kita in Oldenburg

Melanie Neumann, die als Kindertagespflegeperson bei den BÜFA-Minis arbeitet, rechnet jetzt vor allem mit mehr Organisationsaufwand und damit, dass sie einige Eltern enttäuschen muss. Früher habe man nur ganz selten jemanden auf der Warteliste gehabt, weil es vom Altersspiegel her passte. Jetzt werde man immer genau auf die Altersstruktur gucken müssen. Auch sie rechnet damit, dass man dann über lange Zeiträume immer nur acht Plätze anbieten kann. 

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