Zehn Jahre Facebook-Fahndung: Polizei Hannover bahnt den Weg
Es war quasi die mediale Ankunft der Polizei im 21. Jahrhundert: Der erste Facebook-Account zu Fahndungszwecken - die Fortsetzung der ZDF Sendung "Aktenzeichen XY... ungelöst" in sozialen Netzwerken.
Die Initiative ging von zwei Männern aus: dem damaligen Polizeipräsidenten der Polizeidirektion Hannover, Uwe Binias, und seinem Pressesprecher Stefan Wittke. "Wir waren damals als Behörde ziemlich innovativ, mit dem Bürger ins Gespräch zu kommen", sagt Binias. "Ich kann mich gut erinnern, dass ich im Lagezentrum gesessen und als Polizeipräsident live Fragen der Bürgerinnen und Bürger beantwortet habe."
Social-Media-Fahndung ist heute Standard
Seit damals ist die Fahndung mithilfe von Facebook - und später auch Twitter und Instagram - Standard bei der Polizei. Landesweit gibt es rund 100 Social-Media-Accounts in den Inspektionen zwischen Lüneburg und Göttingen. Seit 2012 - diese Zahl ist erfasst - wurden 1.248 Fahndungen veröffentlicht. Für Landespolizeipräsident Axel Brockmann ist das im Rückblick eine Erfolgsgeschichte, wie er dem NDR sagte: "Es war eine wegweisende Entscheidung, die sozialen Medien aktiv mit zu nutzen. Wir sind eine bürgernahe Polizei und deshalb wollen wir selbstverständlich genau da präsent sein, wo sich eine Vielzahl der Bürgerinnen und Bürger aufhält."
Viele Beispiele für erfolgreiche Fahndungen
Zwar wird keine offizielle Erfolgsbilanz geführt, doch Beispiele für gelungene Ermittlungen gebe es viele. Etwa als man kürzlich nach zwei achtjährigen Kindern suchte, die im Raum Osnabrück als vermisst gemeldet worden waren. Die entscheidenden Hinweise kamen von Menschen, die Facebook verfolgt hatten.
Soziale Netzwerke ermöglichen schnelle Suche
Eine wichtige Rolle spielt die Facebook-Fahndung bei der zeitnahen Suche nach Zeugen. Etwa wenn nachts eine Tankstelle überfallen wurde oder wenn, wie ganz aktuell in Hannover, Obdachlosen mit ätzender Flüssigkeit gefüllte Wodka-Flaschen in die Hand gedrückt werden. Es geht immerhin um den Verdacht einer gefährlichen Körperverletzung.
Internationaler Erfolg für Konzept aus Hannover
Dass man vor Ort in Hannover mit dem Facebook-Konzept auf Sicht Erfolg haben würde, damit hatten Ex-Polizeipräsident Binias und Sprecher Wittke gerechnet - nicht aber mit der großen Nachfrage bei Polizeibehörden landauf landab. Wittke reiste damals quer durch die Republik, um das Konzept vorzustellen, auch zum Bundeskriminalamt. Interesse kam auch aus dem Ausland - die Hannoveraner gaben Interviews im japanischen und russischen Fernsehen und hielten Vorträge in Luxemburg.
Massive Kritik an Datenspeicherung auf Facebook-Servern
Zur Wahrheit gehört allerdings auch, dass das Konzept im Jahr nach der Gründung in schweres Wetter geraten war, zwischenzeitlich sogar kurzfristig auf Eis gelegt wurde. Der Grund: Die Fahndungsdaten, vor allem die Fahndungsfotos, wurden zunächst auf den Servern des Internetgiganten Facebook in den USA gespeichert - abrufbar für jedermann auf unbestimmte Zeit. Besonders problematisch, wenn sich der Mensch, nach dem gefahndet wurde, zwischenzeitlich als unschuldig erwiesen hat. Nicht nur für Datenschützer eine Horrorvorstellung. Denn die Speicherung solcher Dateien - und vor allem deren Löschung - unterliegen hierzulande strengen gesetzlichen Vorschriften.
LKA übernimmt Datensicherung für örtliche Polizei
Das Landeskriminalamt (LKA) in Hannover übernahm daraufhin die Datenspeicherung und damit die Federführung bei der Fahndung und arbeitet dabei seither eng mit den örtlichen Polizeibehörden zusammen. Landespolizeipräsident Axel Brockmann sieht das Konzept der Fahndung per Facebook und Co. deshalb auf gesicherter rechtlicher Grundlage. Schließlich müssten bei solchen Ermittlungen Richter beziehungsweise Staatsanwälte zuvor grünes Licht geben.
Datenschützer halten an Einschätzung fest
Die Kritiker aber werden nicht müde. Zu ihnen gehört die niedersächsische Datenschutzbeauftragte Barbara Thiel. Sie beklagt die "datenschutzwidrigen Verhältnisse" bei sozialen Netzwerken und verlangt von Behörden und Ämtern Einfluss zu nehmen: Wenn aber nicht einmal öffentliche Stellen Konsequenzen zögen, "dann wird auch kein bedeutender Änderungsdruck" auf die Betreiber der Netzwerke ausgeübt.
