Stand: 06.05.2016 10:38 Uhr

Und sie knattern einfach weiter…

von Barbara Schmickler

Heidrun Huber wohnt da, wo andere gern fahren. In Eimbeckhausen (Landkreis Hameln-Pyrmont), direkt an einer der beliebtesten Motorrad-Strecken Norddeutschlands. Seit die Temperaturen gestiegen sind, ist es mit der Ruhe vorbei: Die Motorradfahrer sind wieder unterwegs - und knattern.

Gegen den Lärm hatten die Anwohner im vergangenen Jahr eine Bürgerinitiative gegründet. Panorama 3 berichtete bereits im Sommer über den Krach in dem beschaulichen Ort. Nach der Ruhe-Pause im Winter geht es jetzt weiter. "Wir stellen fest, dass einige Motorradfahrer noch riskanter fahren und sich uns gegenüber intolerant verhalten", sagt Heidrun Huber.

VIDEO: Vom Dröhnen der Motoren (2 Min)

Hoffnung auf Runden Tisch

Die Mitstreiter aus Eimbeckhausen hatten alle Hoffnungen auf einen Runden Tisch mit der Lokalpolitik gesetzt; die Niedersächsische Landesbehörde für Straßenbau und Verkehr hatte dazu eingeladen. Auf der Tagesordnung: "Die Motorrad-Problematik Eimbeckhausen".

Die Anwohner der Nienstedter Straße haben ein altes Schild an den Ortseingang gestellt. © NDR
Die Anwohner der Nienstedter Straße haben ein altes Schild an den Ortseingang gestellt: "Hoffentlich ist das ein Signal an die Motorradfahrer", sagt Heidrun Huber.

Schon im vergangenen Jahr hatten die Anwohner sich immer wieder an die Behörden gewandt. "Wir haben mehrfach bei der Polizei um Hilfe gebeten, weil der Straßenterror nicht auszuhalten war", sagt Huber. Erfolgreich waren sie damit bislang nicht. "Die bisher angeleiteten Maßnahmen haben nur kurzfristige, meistens aber gar keine Wirkung gehabt", sagt die enttäuschte Anwohnerin.

Kontrollen oft wirkungslos

Die Polizei erklärte beim Runden Tisch, dass sie im vergangenen Jahr zahlreiche Kontrollen an der Nienstedter Straße durchgeführt habe. Das Problem nur: Die Kontrollen sind oft wirkungslos, wie der Bericht von Panorama 3 gezeigt hat. Denn die Polizei misst bei den Kontrollen in Norddeutschland in der Regel nur das Standgeräusch. Das unterliegt keinem gesetzlichen Grenzwert. Eine Maschine kann ein leises Standgeräusch haben, wird aber beim Fahren zum Krachmacher. Warum es keine Fahrgeräusch-Messung gibt? Sie ist zu kompliziert.

"Wir haben beim Runden Tisch mit allen Beteiligten den Film von Panorama 3 geschaut. Da waren die Vertreter sehr beeindruckt und kurz sprachlos", erzählt Heidrun Huber. "Wir hoffen, dass der Film die Behörden  endlich wachrüttelt..."

Neue EU-Vorschrift - sinnlos

Seit Januar gilt EU-weit eine neue Vorschrift, mit der Motorräder leiser werden sollen. Doch selbst Experten bezeichnen das neue Regelwerk als sperrig und in der Praxis nicht zu kontrollieren. Kritiker wie Holger Siegel vom Arbeitskreis Motorradlärm im BUND gehen davon aus, dass sich auch mit dem neuen Regelwerk kaum etwas verbessert hat: "Auf dem Papier sind die Werte zwei Dezibel leiser geworden. Aber nur auf dem Papier! Gemessen wird bei der Zulassung in einem engen Geschwindigkeitsbereich. Außerhalb des Messbereichs gibt es keine Lärmbeschränkung." Tests zeigen: Schon fünf km/h schneller gefahren, als der Testzyklus bei der Zulassung vorsieht, kann das Motorrad viermal so viel Lärm machen.

Drei Fragen an Holger Siegel, Sprecher Arbeitskreis Motorradlärm im BUND

Was ändert sich mit der neuen Verordnung?

Nicht viel. Die fatalen Zubehörauspuffe mit Allgemeiner Betriebserlaubnis in der EU wurden ausgeklammert, es gilt Bestandsschutz für die hochgezüchteten Jahrgänge seit ungefähr 1995. Die Untersuchungen der Landesregierung in Baden-Württemberg zeigen, dass selbst absolute Krachmaschinen auch nach der neuen Norm eine Zulassung bekommen werden. Es gibt weiterhin Auspuffklappensteuerungen und Motormanagement. Selbst wenn manuelle und elektronische Klappensteuerungen verboten werden würden, wäre der Nachweis auf freier Strecke extrem schwierig. Was da neu geregelt ist, wird von der Industrie für ihre lärmfordernde Kundschaft sofort technisch wieder umschifft. Es bleiben eine Menge Möglichkeiten, zu manipulieren: legal und illegal.

Siegel befürchtet, dass die Lärm-Odyssee auf zwei Rädern fortgeschrieben wird. "Dafür sorgen hochtourige Fahrweisen, Auspuffklappen, Zubehörauspuffe oder das elektronische Motormanagement. An den Hotspots werden auch künftig ganze Landstriche vom Motorrad-Lärmteppich überzogen."

Bestandsschutz für zugelassene Maschinen

Zudem gilt ein Bestandsschutz für alle bis heute zugelassenen Maschinen. Auch die vielfach zu lauten EU-Zubehörauspuffe klammert die neue Regelung bis 2020 aus. Dabei sind genau die oft weit lauter als zulässig. Doch die einmal erteilte EU-weite Allgemeine Betriebserlaubnis aus einem EU-Staat könne nicht wieder entzogen werden, sagt Siegel.

Es scheint Paradox: "Lärm gehört zu den schlimmsten Umweltgiften. Milliarden werden in der EU für Lärmschutzmaßnahmen ausgegeben", kritisiert Siegel: Nur im Bereich der Motorräder gehe das Krachmachen fröhlich weiter. Der Arbeitskreis Motorradlärm im BUND sieht bei der neuen Norm eine Parallele zum Diesel-Abgas-Skandal: "Testzyklus-Erkennung wird bei Motorrädern seit den 2000er-Jahren praktiziert und vom Staat faktisch geduldet. Mehr als zehn Jahre lang haben sogenannte Experten an der Überarbeitung der Norm gestrickt, die aus Anwohnersicht nicht einmal das Papier wert ist, auf dem sie gedruckt ist."

Anwohner fordern Straßensperrung

In Eimbeckhausen hoffen die Anwohner vor allem auf eines: Ruhe! Damit das gelingt, fordern die Anwohner ein Fahrverbot auf der Strecke. Heidrun Huber erzählt: "Im Nachbarort wird für eine Krötenwanderung eine Verbindungsstraße für den gesamten Verkehr zeitweise gesperrt. Und hier?", fragt sie. Die frustrierten Anwohner überlegen den Notfall: ein Wutparken auf der Strecke. Dann wäre kein Durchkommen mehr für Motorradfahrer - und Ruhe.

Weitere Informationen
Während im Hintergrund diverse Menschen stehen, zeigt die Kamere zwei Auspuffrohre eines Motorrads, sowie sein Rücklicht. © NDR Foto: Sonja Hobbie

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Dieses Thema im Programm:

Panorama 3 | 29.09.2015 | 21:15 Uhr

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Straßenverkehr

Eine Nahaufnahme von CS-Spray. Ein Screenshot aus dem Schleswig-Holstein Magazin vom 24.1.2016. © NDR Foto: Screenshot: Schleswig-Holstein Magazin vom 24.1.2016.

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