Millionen für Schul-Tablets: Anschaffung dauert
Laptops, Tablets, Smartphones: Im neuen Schuljahr werden in Niedersachsen Zehntausende Kinder mit Leih-Geräten versorgt. Die Politik hat vor allem Schülerinnen und Schüler aus schwierigen Verhältnissen im Blick - sie sollen in der Corona-Krise nicht abgehängt werden. Nach Informationen des NDR in Niedersachsen haben die Kommunen innerhalb weniger Wochen aus dem Sofortprogramm bereits mehr als 25 Millionen Euro abgerufen. Insgesamt stehen rund 52 Millionen Euro bereit. Kultusminister Grant Hendrik Tonne (SPD) wertet diese Zahlen als Erfolg: "Schülerinnen und Schüler werden feststellen, dass deutlich mehr Endgeräte in den Schulen sind, als das zu Beginn der Corona-Krise der Fall war", sagte Tonne im Gespräch mit dem NDR. "Und das wird weitergehen, auch in den nächsten Wochen."
Viele Schüler müssen noch warten
Rund 250 Städte und Gemeinden sind gerade damit beschäftigt, die Geräte anzuschaffen. Das zieht sich zum Teil allerdings hin. Das heißt: Zum Start des neuen Schuljahrs müssen viele Schüler weiter auf die Leih-Tablets warten. Wahrscheinlich kommen die Geräte erst im Laufe des ersten Halbjahrs in allen Schulen an. Der Kultusminister sieht darin kein großes Problem: "Es ist nicht alles gut, aber wir sind einen deutlichen Schritt weiter", findet Tonne.
"Vor Corona hätte das noch viel länger gedauert"
Auch der niedersächsische Schulleitungsverband ist zufrieden, dass die Tablet-Soforthilfe überhaupt angelaufen ist: "Letztendlich würden wir uns wünschen, dass alles sehr viel schneller in die Wege geleitet werden könnte", so die Vorsitzende Andrea Kunkel. "Andererseits muss man sagen: Vor Corona hätte das alles noch viel länger gedauert. Das ist schon ein Schub, der ausgelöst worden ist."
Vergaberecht bremst Anschaffung
Doch woran liegt es, dass das Kultusministerium zwar Millionen Euro bewilligt hat, die Geräte aber zum Teil erst Monate später in den Schulen ankommen? Ein Grund liegt in den komplizierten Vergabeverfahren: Die Kommunen können die Tablets nicht einfach im nächsten Elektro-Fachmarkt einkaufen, sie müssen sich an Regeln halten. Aus gutem Grund, schließlich sollen Mauscheleien mit Steuergeld verhindert werden. Zwar sind Vorgaben in der Corona-Krise vereinfacht worden - das Vergaberecht bremst die Anschaffung allerdings weiter aus.
Hersteller im Konkurrenzkampf
Dazu kommt: Unter den Technikherstellern ist ein harter Konkurrenzkampf um die staatlichen Tablet-Millionen entbrannt. Unternehmen wehren sich rechtlich dagegen, wenn ein Konkurrent den Zuschlag für den lukrativen Endgeräte-Auftrag erhalten hat. Dirk-Ulrich Mende, Geschäftsführer des Niedersächsischen Städtetags, sieht "ein Problem, das uns in den nächsten Wochen beschäftigen wird".
Berichten zufolge zieht sich wegen des Konkurrenzkampfes der Hersteller auch der Kauf der Tablets in Hannover hin. In der Landeshauptstadt geht es um einen Auftrag von mehr als zweieinhalb Millionen Euro. Die Stadt äußert sich nicht zu Details. Nur so viel: Die Geräte sollen "zeitnah" angeschafft werden. Wann die hannoverschen Schüler die Tablets in den Händen halten, "hängt vom weiteren Verlauf des Vergabeverfahrens ab", heißt es von der Stadt.
"Wichtiges Zeichen für Bildungsgerechtigkeit"
Anders sieht es zum Beispiel in Langenhagen in der Region Hannover aus: Dort sind Rechner bereits gekauft und werden pünktlich zum neuen Schuljahr ausgeteilt. Die Stadt hat über das Sofortprogramm 550 Tablets und Laptops besorgt. Die Schulleitungsverbands-Vorsitzende Kunkel bekommt für ihre Schule im Ortsteil Godshorn 30 Geräte - dort ist die Hilfe für bedürftige Kinder also wirklich schnell angekommen. Kunkel spricht von einem wichtigen Zeichen für die Bildungsgerechtigkeit - aber: "Es reicht ja nicht, nur das Tablet mit nach Hause nehmen zu können. Ich muss natürlich auch die Möglichkeit haben, zu Hause damit ins Internet zu kommen. Das ist eine Frage, die sich dann noch anschließen wird."
Offene Fragen: Wer kommt für Folgekosten auf?
Schlechtes Netz, fehlende Glasfaserkabel, kein WLAN in der Schule: Es sind die alten Hindernisse, die auch den Städtetag weiter beschäftigen. "Wir sind insgesamt noch zu schlecht aufgestellt", beklagt Geschäftsführer Mende mit Blick auf den ländlichen Raum. Die Landesregierung bearbeite das Problem zwar, aber "leider nicht so schnell, wie wir uns das alle vorstellen." Und zum Dauerproblem Internetanbindung kommen viele kleine Alltagsfragen: Welchen Schülern stehen die Tablets aus dem Sofortprogramm eigentlich zu? Wann ist ein Kind bedürftig? Und: Wer kommt für die Folgekosten auf, wenn die Geräte ersetzt werden müssen?
Digitalpakt: Erst 40 Millionen abgerufen
Die Digitalisierung wird die 2.600 Schulen im Land in den kommenden Jahren massiv beschäftigen - weit über das Sofortprogramm für die bedürftigen Schüler hinaus. Denn aus dem Digitalpakt stehen für die niedersächsischen Schulen insgesamt 522 Millionen Euro bereit. Und davon sind erst 40 Millionen Euro abgerufen worden. Die Städte und Gemeinden haben noch Zeit: Das Geld aus dem Digitalpakt ist bis zum Jahr 2024 für sie reserviert. Das heißt: Die eigentliche Digitalisierung beginnt erst.
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