Gebäude des Verwaltungsgerichts in Göttingen © NDR Foto: Wieland Gabcke

Sexuelle Übergriffe eines Professors? Urteil heute erwartet

Stand: 11.10.2023 07:32 Uhr

Die Uni Göttingen listet 44 Einzelvorwürfe gegen den heute 59-jährigen Professor auf. Das Verwaltungsgericht muss nun in einer Disziplinarklage der Hochschule gegen den Mann entscheiden.

von Wieland Gabcke und Marc Wichert

Die Vorwürfe gegen den Professor: unter anderem sexuelle Übergriffe, unerwünschte Berührungen, sexistische Äußerungen und übermäßiger Alkoholkonsum. Dazu hat das Verwaltungsgericht Göttingen Dutzende Zeugen und Zeuginnen gehört: Darunter ehemalige Doktorandinnen des Professors, Institutsangestellte und Dozenten, sowie die frühere Unipräsidentin Ulrike Beisiegel. Heute will das Verwaltungsgericht Göttingen entscheiden, ob der Mann aus dem Dienst entfernt wird, oder nicht.

Warnung vor Exkursionen: "Mach Dein Zelt richtig zu"

So soll der Professor einmal einer Doktorandin mit dem Fuß an der Innenseite ihres Beins hochgewandert sein. Dann schilderte eine 32-Jährige vor Gericht, er habe ihr bei einem Foto in die Hüfte gezwickt und gefragt: "Bist Du schüchtern? Dann solltest Du das hier ablegen." Übergriffe durch den Professor seien ein offenes Geheimnis gewesen. Vor Exkursionen mit ihm sei gewarnt worden. Mit den Worten: "Mach Dein Zelt richtig zu", sei sie gewarnt worden, so die 32-Jährige. Eine ehemalige Uni-Mitarbeiterin äußerte sich vor Gericht zu einem Vorfall bei einer Russland-Exkursion. Die heute 48-Jährige saß damals in großer Runde am Lagerfeuer, als sich der Professor neben sie setzte. Dann habe er versucht, sie nach hinten auf den Boden zu ziehen und gesagt haben, "komm, lass uns Sterne gucken." Sie habe sich dagegen gestemmt bis er von ihr abgelassen habe, sagte die 48-Jährige vor Gericht aus.

Fliegende Eiswürfel und Kartoffelchips auf Feiern

Insgesamt wird in dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht deutlich, dass es bei diversen Feiern im Umfeld des Professors mehr als ausgelassen zugegangen sein muss. Bei einer Feier soll er Eiswürfel in den Ausschnitt von Frauen geworfen haben. Bei einer anderen Feier flogen laut Zeugenaussagen Chips aus einer Tüte umher, die im Brust- und Schulterbereich einer Professorin landeten. Der 59-Jährige soll dann versucht haben, die Chips aus dem Ausschnitt der Professorin der zu essen, so ein Vorwurf. Daran aber konnte sich auch die betroffene Professorin in ihrer Zeugenaussage nicht erinnern. "Er hat aus Spaß versucht, nach den Chips in der Luft mit dem Mund zu schnappen", sagte sie aus. Auch diese unterschiedlichen Aussagen wird das Gericht zu würdigen haben.

Komplott gegen den Professor?

In einem uniinternen Disziplinarverfahren hatte jene Professorin von einem Komplott gegen den Professor gesprochen. Aber: „Ich weiß nicht, ob ich das mit dem Komplott heute noch so formulieren würde", erklärte sie vor Gericht. Sie sei angesprochen worden, man habe versucht, einzelne Personen zu einer Aussage gegen den Professor zu überreden. Ähnliches schilderte eine ehemalige Doktorandin. "Ich hatte Sorgen, dass Kolleginnen meinem Doktorvater Vorwürfe machen, die ich nicht als gerechtfertigt ansah", sagte die 45-Jährige aus. Der Anlass der Aussage: Bei einer Tagung soll ihr Doktorvater ihr ein Speiseeis in den Ausschnitt gesteckt haben. Das wies die 45-Jährige zurück. Er habe lediglich ihr Kleid im Dekolleté-Bereich ruiniert. Bis auf die Haut sei das Eis aber nicht gekommen.

Gericht muss entscheiden, ob der Beklagte seine Stelle verliert

Der Professor war 2011 auf Lebenszeit an die Universität Göttingen berufen worden. Nur ein Jahr später erhielt die damalige Unipräsidentin Ulrike Beisiegel erste Hinweise auf übergriffiges und unangemessenes Verhalten. "Berührungen am Po oder Schenkel haben Kollegen beobachtet", schilderte die heute 70-Jährige vor Gericht. Dazu kam übermäßiger Alkoholgenuss. "Dass er auch in Gesprächen am Tag schon Alkohol angeboten hat, fanden Betroffene unangemessen", so Beisiegel. In mehreren dienstlichen Gesprächen habe der Professor keine Einsicht gezeigt. Nach immer neuen Hinweisen verbot Beisiegel dem Professor die Führung der Dienstgeschäfte und erteilte ihm ein Hausverbot. Der 59-Jährige Beklagte bestreitet sämtliche Vorwürfe.

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NDR 1 Niedersachsen | Regional Braunschweig | 11.10.2023 | 08:30 Uhr

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