Schilder mit der Aufschrift Landgericht, Oberlandesgericht und Generalstaatsanwaltschaft hängen an einem Gebäude. © NDR Foto: Julius Matuschik

"Judenpresse"-Rufe: Fürst sieht Wahlmann in der Pflicht

Stand: 01.03.2023 09:53 Uhr

Ein Mann soll bei einer Demonstration in Braunschweig "Judenpresse" gerufen haben. Die Staatsanwaltschaft sieht keine Volksverhetzung. Nun soll Niedersachsens Justizministerin eingreifen.

Das zumindest ist laut einem Bericht der "Hannoverschen Allgemeinen Zeitung" (HAZ) die Forderung von Michael Fürst, Präsident des Landesverbands der Jüdischen Gemeinden. In einem Brief an Justizministerin Kathrin Wahlmann (SPD) schrieb er demnach: "Ich habe den Eindruck, dass die Staatsanwaltschaft Braunschweig mit diesem Vorgang überfordert ist, und darf Sie bitten, die entsprechenden Schlüsse daraus zu ziehen." Fürst habe zudem einen Berliner Anwalt beauftragt, Rechtsmittel einzulegen, heißt es in dem Bericht weiter.

Ehepaar aus Laatzen legt erneut Beschwerde ein

Die Behörde hatte im Februar ihre Ermittlungen wegen antisemitischer Volksverhetzung und Beleidigung gegen ein Mitglied der rechtsextremen Partei "Die Rechte" zum zweiten Mal eingestellt. Der Straftatbestand der Volksverhetzung sei nicht erfüllt, heißt es in einem entsprechenden Bescheid. Dagegen legte ein Ehepaar aus Laatzen (Region Hannover) erneut Beschwerde ein.

Staatsanwaltschaft sieht Voraussetzungen nicht erfüllt

"Ich gehe davon aus, dass wir das zutreffend beurteilt haben. Wenn die Voraussetzungen nicht vorhanden sind, sind uns die Hände gebunden, dann können wir das nicht vor Gericht bringen", sagte Hans Christian Wolters, Sprecher der Staatsanwaltschaft, am Montag. In vergleichbaren Fällen hätten die Staatsanwälte aber durchaus derartige Äußerungen zur Anklage gebracht oder Strafbefehle erlassen. Gegen denselben Rechtsextremisten habe die Staatsanwaltschaft auch erst kürzlich wegen ähnlicher Vorfälle Anklage wegen Beleidigung erhoben. Nun müsse die Oberstaatsanwaltschaft in Braunschweig darüber befinden, wie es in diesem Fall weitergeht, sagte Wolters weiter. Gelange sie zu einer anderen Rechtsauffassung, dann müsse die Staatsanwaltschaft weiter ermitteln mit dem Ziel, Anklage zu erheben oder einen Strafbefehl zu erlassen.

Video dokumentiert Vorfall aus dem Jahr 2020

Im aktuellen Fall hielt das Ehepaar aus Laatzen die Einstellung des Verfahrens für "unerträglich und unverständlich". Durch Rufe wie "Judenpresse" und weiteren Beleidigungen durch Rechtsextremisten werde die Gesamtheit der Juden herabgewürdigt, sagten sie. Der Rechtsextremist soll im Jahr 2020 am Rande einer Demonstration der Partei zum Volkstrauertag in Braunschweig mehreren Pressevertretern entsprechende Begriffe entgegengerufen haben. Der Vorfall ist durch ein Video dokumentiert.

Beleidigung, aber keine Volksverhetzung

Die Braunschweiger Staatsanwaltschaft hatte argumentiert, die Rufe hätten sich nicht direkt gegen Jüdinnen und Juden gerichtet, sondern gegen die anwesenden Medienvertretenden. Außerdem seien sie nicht bei einer öffentlichen Versammlung gefallen, sondern nach deren Abschluss an Einzelne gerichtet gewesen. Den Straftatbestand der Beleidigung sah die Behörde erfüllt; diesen könnten jedoch nur die Beleidigten selbst innerhalb einer bestimmten Frist anzeigen, hieß es. Dies sei nicht geschehen. Im Jahr 2021 hatte die Staatsanwaltschaft ihre Ermittlungen bereits aus denselben Gründen eingestellt; die Generalstaatsanwaltschaft jedoch danach nach mehreren Beschwerden neue Ermittlungen angeordnet. Sie sah einen Anfangsverdacht für Volksverhetzung und Beleidigung als gegeben.

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Dieses Thema im Programm:

NDR 1 Niedersachsen | Aktuell | 27.02.2023 | 12:00 Uhr

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