Das schmeckt nicht jedem: Obst und Gemüse frisch vom Grab
Auf dem Hauptfriedhof in Braunschweig wachsen auf einem Grab Obst und Gemüse. Das kommt nicht bei allen Besuchern gut an. Andere dagegen sind aufgeschlossen für die ungewöhnliche Bepflanzung.
Auf dem Doppelgrab stehen zwei Grabsteine in schwarzem Marmor, davor wachsen orangefarbene Kürbisse und Erdbeerpflanzen. "Es ist eine Irritation, man erwartet es erst mal so nicht", sagt Peter Kapp, der stellvertretende Probst, dem NDR in Niedersachsen. Er zeigt sich offen für die ungewöhnliche Grab-Bepflanzung und stellt infrage, dass verfestigte Vorstellungen das letzte Wort haben müssen. So wie der Propst sehen es allerdings nicht alle Friedhofs-Besucher.
Ungewöhnliche Bepflanzung irritiert einige
"Vollkommen daneben" findet das beispielsweise Eric Lindner aus Braunschweig. Er fragt sich, was die Angehörigen mit dieser Art der Bepflanzung bezwecken wollen. Selbst wenn der Verstorbene gerne im Garten gearbeitet habe, gehören Obst und Gemüse seiner Ansicht nach nicht auf ein Grab. Auch Antje Strübing aus Wolfenbüttel kann dem nicht so richtig etwas abgewinnen: "Ich persönlich habe auf dem Grab meines Vaters nur Sommerblumen." Eine andere Bepflanzung findet sie "ein bisschen merkwürdig". Volker Schröder aus Wolfsburg-Fallersleben dagegen findet Obst- und Gemüsepflanzen auf dem Grab gut: "Heute ist das so - man braucht nicht immer Blumen oder so etwas."
Bepflanzung als Teil der Trauerbewältigung
Dass Obst und Gemüse auf einem Grab nicht gerade zur üblichen Bepflanzung gehören, weiß Julia Spittel-Dimitrijevic, die Geschäftsführerin der benachbarten Gärtnerei, die mehrfach für Friedhofsgestaltung ausgezeichnet wurde. Empörend findet sie Nutzpflanzen auf Gräbern aber nicht: "Wenn es ein letzter Wille gewesen ist oder der Verstorbene zum Beispiel ein besonders guter Gärtner war, den die Angehörigen genauso in Erinnerung behalten wollen - was sollte gegen Nutzpflanzen sprechen?" Natürlich sei eine Grab-Bepflanzung mit Nutzpflanzen ungewöhnlich. "Und darum wird es immer jemanden geben, der sich daran stößt." Man sollte aber berücksichtigen, dass die Grab-Bepflanzung auch Teil der Trauerbewältigung ist, findet sie. "Wenn von Grabstellen auch als letzter Garten gesprochen wird, dann ist das hier nur wörtlich genommen worden."
Friedhof: Apfel ist biblische Frucht
"Wir selbst bieten die Bestattung auf einer Wiese mit Apfel- und Birnbäumen an", sagt Wilhelm Klose, der stellvertretende Leiter der Friedhofsverwaltung. Das Gelände des Hauptfriedhofs wandele sich. Insektenhotels findet man dort ebenso wie Blühstreifen. Wenn auf einem Grab ein Apfelbaum gepflanzt wird, falle ihm dazu spontan ein: "Der Apfel ist eine biblische Frucht." Ob sich hier ein Trend anbahnt, vermag Klose nicht zu beurteilen: "Bei Berlin gibt es mittlerweile einen Friedhof, wo der Gemüseanbau ausdrücklich erwünscht ist", berichtet er. Man finde auf Friedhöfen auch Bambus-Anpflanzungen, um Biogas zu erzeugen - oder Solaranlagen. Aufgelöste Grabstellen würden vielerorts zu Kleingärten.
Obstbäume und Gemüsepflanzen auch auf anderen Friedhöfen
Auch auf dem Friedhof in Hannover-Stöcken wurden schon Obstbäume gepflanzt. In Bayern hatte es vor sieben Jahren einen Streit um eine Grabbepflanzung mit Tomaten gegeben. Dort gab der Stadtrat gegen den Willen der Friedhofsreferentin der Enkelin recht, die Tomaten auf dem Grab ihrer Großeltern gepflanzt hatte. In Berlin sind die Prinzessinnengärten, ein Urban-Gardening-Projekt, auf einen Friedhof in Neukölln umgezogen. Die Hobbygärtnerinnen und -gärtner dürfen dort Brachflächen nutzen und kümmern sich gleichzeitig um die Grabpflege. Der Friedhof ist Ruhestätte und Gemeinschaftsgarten zugleich. Und hat nicht bereits Theodor Fontane in seiner berühmten Ballade "Herr von Ribbeck auf Ribbeck im Havelland", die im Jahr 1889 erschien, von der Freude berichtet, die ein Birnbaum auf dem Grab spendet?
Wurzeln reichen nicht bis zum Grab
Laut Klose gibt es auch keine technischen Gründe, die gegen Obst- und Gemüsepflanzen auf Gräbern sprechen. "Gräber auf dem Hauptfriedhof sind 1,70 Meter tief. Dorthin reichen Wurzeln nicht." In Braunschweigs Friedhofsordnung steht lediglich der Passus: "Jede Grabstätte ist so zu gestalten und so der Umgebung anzupassen, dass die Würde des Friedhofs in seinen Einzelteilen und seiner Gesamtanlage gewahrt ist." Klose meint: "Im Friedhofsausschuss müssten wir besprechen, ob es einer Regelung bedarf."