Ein Arzt untersucht ein Kind mit einem Stethoskop. © picture alliance/dpa | Sebastian Gollnow Foto: Sebastian Gollnow

Niedersachsen: 20 Kinderärzte dringend gesucht

Stand: 20.06.2022 19:59 Uhr

In Niedersachsen fehlen auf dem Land immer mehr Kinder- und Jugendärzte. Nach vorläufigen Zahlen der Kassenärztlichen Vereinigung (KVN) fehlen landesweit mehr als 20 Mediziner.

von Susanne Schäfer

Die Eingangstür ist abgeklebt, die Jalousien sind heruntergelassen - so sieht gerade in der Kinderarztpraxis in Fürstenau im Landkreis Osnabrück aus. Der Kinderarzt ist jetzt im Ruhestand, die Praxis geschlossen, eine Nachfolgerin oder einen Nachfolger gibt es nicht. Dabei ist Fürstenau immerhin eine Samtgemeinde mit rund 16.000 Einwohnern. Dass Kinderärzte auf dem Land fehlen, kommt aber immer häufiger vor. Wie die vorläufigen Zahlen der Kassenärztlichen Vereinigung Niedersachsen zeigen, gibt es 21,5 offene Kinder- und Jugendarztsitze im Land.

In den Praxen wird es immer enger

Damit ist der Bedarf gestiegen, denn das sind laut KVN drei Sitze mehr als noch vor einem halben Jahr. Die meisten Sitze sind auf dem Land unbesetzt - vor allem im Nordwesten. Am größten ist der Bedarf im Landkreis Cloppenburg. Hier werden gerade vier Kinderärzte gesucht. Aber auch in den Kreisen Cuxhaven und Leer ist der Bedarf gestiegen. Rechnerisch können zwar noch alle Kinder versorgt werden, aber in den Praxen werde es angesichts der vielen Patienten immer enger, heißt es von der KVN.

"Ohne Kinderarzt ist man aufgeschmissen"

Eine Frau lächelt in die Kamera. © NDR Foto: Susanne Schäfer
Christin Diekherbers aus Fürstenau hat zurzeit keinen Kinderarzt für ihren Sohn.

Christin Diekherbers aus Fürstenau ist vor einem halben Jahr Mutter geworden. Bislang ist sie mit ihrem Sohn Jarno zu Fuß zum Kinderarzt gegangen. Momentan hat sie keinen Kinderarzt. "Das ist ein blödes Gefühl, denn ohne Kinderarzt ist man aufgeschmissen", sagt sie. Dabei sei sie keine Mutter, die mit jedem Wehwehchen zum Arzt renne. Vor ein paar Tagen hatte ihr Sohn ein rotes, entzündetes Auge. Da sei sie dann zur Apotheke gegangen und habe sich dort Rat geholt.

Priorität haben Säuglinge

Sie und viele ihrer Bekannten würden gerne in Ankum aufgenommen werden. Dort hat Ansgar Möller eine Kinderarztpraxis. Er bekommt aber momentan täglich bis zu 20 Anfragen und ist ohnehin schon gut ausgelastet. Daher muss er gemeinsam mit seinem Team priorisieren. Erstmal sind die Säuglinge dran, bei denen wichtige Vorsorgeuntersuchungen gemacht werden müssen und dann die chronisch und akut kranken Kinder. Einfach aufnehmen kann Möller die vielen Kinder nicht - "sonst fliegt uns das im Herbst hier um die Ohren", so der Arzt. Er würde seine Praxis gerne vergrößern und noch eine Kollegin oder einen Kollegen einstellen. Aber bislang habe er keine Bewerbung bekommen.

KVN: Problem wird sich noch verschärfen

Ein Kinderarzt lächelt in die Kamera. © NDR Foto: Susanne Schäfer
Kinderarzt Ansgar Möller muss inzwischen priorisieren.

Die Kassenärztliche Vereinigung geht davon aus, dass sich das Problem noch verschärfen wird, da in den kommenden Jahren viele Kinderärzte in Rente gehen. Eltern müssten sich daran gewöhnen, dass es schwer wird, einen Termin zu bekommen. Die KVN fordert mehr Medizinstudienplätze, aber das sei keine schnelle Lösung. Die Kinderärzte, die es jetzt gibt, müssten besser verteilt werden, denn manche Städte seien überversorgt. Kinderärzte müssten also bereit sein, von der Stadt aufs Land zu wechseln. Dafür gebe es aber kein Patentrezept, sagt die KVN. Fördergelder, die es in vielen Orten gibt, seien sicherlich ein Weg, aber die reichten längst nicht mehr aus. Einen Kinderarzt fürs Land zu finden, ist laut dem KVN-Vorsitzenden Mark Barjenbruch "eine der schwierigsten Aufgaben überhaupt".

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Hallo Niedersachsen | 20.06.2022 | 19:30 Uhr

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