Diskussion um Unfallflucht: Muss sie Straftat bleiben?

Stand: 26.01.2024 17:19 Uhr

Ein kleiner Blechschaden auf dem Supermarktparkplatz - dafür gleich die Polizei rufen oder geht es einfacher? In Goslar haben Experten beim Verkehrsgerichtstag eine Reform der Regeln für Unfallflucht diskutiert.

von Torben Hildebrandt

Letztlich hat sich der Verkehrsgerichtstag am Freitag dagegen ausgesprochen, Unfallflucht von einer Straftat zur Ordnungswidrigkeit herabzustufen. Allerdings raten sie dazu, die Meldung eines Unfalls besser zu regeln - etwa durch eine neutrale und digitale Meldestelle. Auch sollte es den Experten zufolge möglich sein, einen Unfall binnen 24 Stunden nach dem Geschehen straffrei zu melden. Zudem solle eine Mindestwartezeit festgelegt werden, die der Unfallverursacher im Idealfall einhalten soll. Die Wartezeit solle nicht allzu lang sein, sagte der Strafrechtsprofessor Jan Zops, der den Arbeitskreis leitete. Darüber hinaus wurde empfohlen, dass Fahrerflucht künftig nicht mehr automatisch mit dem Entzug der Fahrerlaubnis bestraft werden solle - solange nur Sachschäden entstanden sind.

Innenministerin Behrens: Ein Unfall ist keine Kleinigkeit

Niedersachsens Innenministerin Daniela Behrens (SPD) hatte vor der Konferenz in Goslar davor gewarnt, Unfallflucht juristisch betrachtet lockerer zu handhaben. Während Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) Fahrerflucht nicht mehr grundsätzlich als Straftat behandeln will, bleibt Behrens dabei. "Es ist keine Kleinigkeit, einen Verkehrsunfall zu verursachen", betont die Ministerin. "Daher bin ich dagegen, dass wir das ändern."

Fahrerflucht bei jedem vierten Unfall

In Niedersachsen ereignen sich jedes Jahr rund 200.000 Verkehrsunfälle - bei jedem vierten flüchten Unfallverursacher. Die Gründe sind unterschiedlich: Manche wollen der Strafe entgehen, andere haben keine Lust, auf die Polizei zu warten. Oder sie hinterlassen nur einen Zettel am anderen Auto. Doch so eine Nachricht am Scheibenwischer reicht eben nicht aus. Formal ist auch das nach aktuellen Vorschriften eine Unfallflucht.

ADAC will Online-Meldestelle für Unfallschäden

Daniela Behrens (SPD), Ministerin für Inneres und Sport, ist zu Gast bei Marlis Fertmann zu Gast in der Sendung. © NDR Foto: Luisa Müller
Für Niedersachsens Innenministerin Daniela Behrens (SPD) sind Verkehrsunfälle keine Kleinigkeit. Deswegen dürfe man das Strafmaß bei Unfallflucht nicht mildern.

Der ADAC hält das derzeitige Vorgehen für unzeitgemäß: Der Automobilclub fordert neben milderen Strafen eine Online-Meldestelle für Schäden. Auch das lehnt Niedersachsens Innenministerin Behrens ab. Mit Blick auf ein Meldeportal sagt sie: "Das halte ich nicht für realistisch." Eine weitere Entschärfung der Vorschriften würde laut Behrens zu einer Bagatellisierung führen. Behrens hält das für eine "schwieriges Signal."

Richterbund: Meldeportal würde Polizei entlasten

Auch der niedersächsische Richterbund warnte davor, die Fahrerflucht von der Straftat zur Ordnungswidrigkeit herabzustufen. Allerdings kann sich der Landesvorsitzende Frank Bornemann durchaus ein Online-Meldeportal vorstellen. "Man würde die Polizei entlasten. Aktuell wird die Polizei gerufen, damit man sich bloß nicht dem Verdacht aussetzt, abgehauen zu sein", erläutert Bornemann. "Wenn man das künftig online erledigen kann, entlasten wir in ganz erheblicher Weise den Polizei- und Streifendienst." 

Promille-Grenze und Gurtpflicht: Themen beim Verkehrsgerichtstag

Beim Verkehrsgerichtstag wird seit 1963 über Gesetze und Vorschriften zum Verkehrsrecht diskutiert. Zwar entscheiden die Experten nicht selbst darüber, sie geben der Politik aber wichtige Hinweise und Ratschläge. Gurtpflicht, Promillegrenze, Handyverbot oder Führerschein mit 17 Jahren: Unter anderem über diese Themen wurde in Goslar beraten, bevor daraus Gesetze wurden.

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Dieses Thema im Programm:

NDR 1 Niedersachsen | Aktuell | 26.01.2024 | 17:00 Uhr

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Straßenverkehr

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