Agrardiesel: Landwirte aus Niedersachsen protestieren in Berlin

Stand: 18.12.2023 18:59 Uhr

Der Protest der Landwirte gegen den geplanten Stopp der Agrardiesel-Subvention erreichte am Montag die Bundeshauptstadt. Tausende Bauern aus Niedersachsen beteiligten sich an der Großdemo in Berlin.

Mehr als 2.000 Landwirtinnen und Landwirte waren laut Landvolk mit Zügen, Bussen und Autos aus Niedersachsen zu der Demonstration nach Berlin gereist. Zudem seien 400 Trecker mit ein bis zwei Landwirten an Bord in der Hauptstadt gewesen. Zu der zentralen Demonstration hatte der Deutsche Bauernverband aufgerufen. Der Protest, der am späten Vormittag am Brandenburger Tor gestartet war, lief unter dem Motto "Zu viel ist zu viel! Jetzt ist Schluss!". Bundesagrarminister Cem Özdemir (Grüne) trat als Redner auf.

Holger Hennies vor einem Schild "Landvolk Niedersachsen". © dpa Bildfunk Foto: Julian Stratenschulte
AUDIO: Niedersachsens Landvolkpräsident: Die Politik schlägt uns ins Gesicht (5 Min)

Steuervergünstigung soll wegfallen

Die Bundesregierung plant, Steuervergünstigungen von Agrardiesel und die Kfz-Steuerbefreiung für die Landwirtschaft abzuschaffen. Bislang können Landwirte den Kraftstoff für ihre Traktoren oder Mähdrescher am Ende des Jahres bei der Steuer geltend machen. Das soll jetzt wegfallen. Diese Entscheidung komme unerwartet und sei auch nicht nachvollziehbar, sagte Lambert Hurink vom Landvolk Emsland. Denn die Steuern dienten der Infrastruktur, die von den Bauern kaum benutzt werde, weil sie mit ihren Fahrzeugen hauptsächlich auf dem Acker und auf dem Hof arbeiten. Hurink befürchtet, dass durch die Mehrbelastung noch mehr Familienbetriebe aufgeben.

Landvolk-Präsident: "Politik schlägt uns ins Gesicht"

Der niedersächsische Landvolk-Präsident Holger Hennies kritisiert, dass mit den Bauern ein Prozent der Bevölkerung zehn Prozent der Lasten tragen müsse. Unmut herrsche vor allem deshalb, weil Klimaziele im landwirtschaftlichen Sektor eingehalten worden seien und man "den Diesel nicht einfach auf Elektro umstellen" könne. "Und jetzt sollen wir die Steuervergünstigung für andere zahlen, von denen wir selber nicht profitieren? Das können wir nicht einsehen", sagte Hennies im Interview bei NDR Info. Ein durchschnittlicher Betrieb bei ihm in der Region verliere rund 10.000 Euro allein durch die Energiesteuer. Hennies verwies darauf, dass in anderen europäischen Ländern Agrardiesel weiterhin steuerlich begünstigt sei. Für viele Betriebe in Deutschland sei das ein Signal, dass sie im Wettbewerb deutlich schlechter gestellt werden. "Die Politik schlägt uns ins Gesicht", sagte Hennies.

Özdemir zeigt Verständnis für Landwirte

Bundesagrarminister Cem Özdemir äußerte vor den Landwirten in Berlin Verständnis über den Unmut wegen der vorgesehenen Streichung von Steuervergünstigungen für die Landwirtschaft. "Ich weiß, dass Sie mit einer Riesenwut hier nach Berlin gekommen sind", sagte der Grünen-Politiker bei der Kundgebung. Es sei klar, dass nach dem Haushalts-Urteil des Bundesverfassungsgerichts mehr gespart werden müsse - aber eben nicht überproportional in der Landwirtschaft. "Ich halte nichts von den Streichungen in diesem Umfang", bekräftigte Özdemir. "Deshalb kämpfe ich im Kabinett dafür, dass es in dieser Härte nicht kommt." Auch Niedersachsens Landwirtschaftsministerin Miriam Staudte (Grüne) signalisierte Änderungsbedarf: "Ich habe schon Richtung Berlin kommuniziert, dass ich es für notwendig halte, über diesen Vorschlag noch einmal zu diskutieren und gegebenenfalls einen Kompromiss zu finden", sagte Staudte. "Es ist nun einmal so, dass die Landwirte nicht von heute auf morgen weniger Diesel verbrauchen können."

Weil spricht von Wettbewerbsnachteil

Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) bekräftigte seine Kritik an den Ampelplänen zum Wegfall des Agrardiesels. Er sei mit diesem Teil des Ampel-Kompromisses nicht zufrieden, sagte Weil der "Nordwest-Zeitung". "Ein Umstieg auf Schlepper mit Elektro-Antrieb ist schlicht noch nicht möglich. Die Landwirtschaft befindet sich zudem in einem harten internationalen Wettbewerb. Ein kurzfristiger Wegfall der Vergünstigungen wäre ein spürbarer Wettbewerbsnachteil", sagte Weil der Zeitung.

Landwirte protestieren auch in Niedersachsen

Auch in Niedersachsen protestierten die Landwirtinnen und Landwirte am Montag, so zum Beispiel in den Landkreisen Lüneburg, Uelzen und Harburg. Dabei kam es auf mehreren Straßen sowie auf Autobahnen zu Verkehrsbeeinträchtigungen. Im Landkreis Lüneburg waren jeweils mehr als ein Dutzend Traktoren im Bereich Bardowick, Nutzfelde sowie Barendorf unterwegs und brachten dabei unter anderem den Verkehr auf der B216 für zwei Stunden zum Stillstand. Ein weiterer Konvoi von mehr als einem Dutzend Traktoren war zudem auf der A39 in Richtung Lüneburg unterwegs. Im Landkreis Uelzen legten am Morgen rund 50 Trecker die B4 von Bienenbüttel über den Bereich Hoystorfer Berg, Uhlenring und Holdenstedt lahm.

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Bauern protestieren seit Donnerstag in Niedersachsen

Auch auf der A2 blockierten Landwirte in Richtung Hannover zwischen Rehren und Lauenau (Landkreis Schaumburg) die Autobahn. Es kam zu mehreren Kilometern Stau. In ganz Niedersachsen kam es im weiteren Tagesverlauf durch stehende oder langsam fahrende Trecker zu erheblichen Verkehrsbehinderungen. Seit Donnerstag protestieren die Landwirte in Niedersachsen. Eine Protestaktion in der vergangenen Woche hatte für heftige Kritik gesorgt: die Blockade des Hauses von Landwirtschaftsministerin Miriam Staudte (Grüne).

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Hallo Niedersachsen | 18.12.2023 | 19:30 Uhr

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