Swinemünde: "Tallboy"-Weltkriegsbombe entschärft
Die tonnenschwere "Tallboy"-Weltkriegsbombe in Swinemünde auf Usedom ist am Dienstag neutralisiert worden. Polnische Spezialisten machten den Blindgänger mit einer Verpuffung unschädlich.
In Swinemünde auf Usedom haben polnische Marinetaucher am Dienstagnachmittag die tonnenschwere Weltkriegsbombe des Typs "Tallboy" entschärft. "Man kann das Objekt jetzt als neutralisiert bezeichnen", sagte ein Marinesprecher laut Nachrichtenagentur PAP. Bei der kontrollierten Sprengung seien weder Menschen noch Gebäude zu Schaden gekommen, sagte ein Sprecher der Stadtverwaltung. Der Blindgänger lag in der Fahrrinne - unweit der Kaseburger Fähre. Eine Sprecherin der Stadt sagte zu NDR 1 Radio MV, die Taucher hätten gestern sehr gute Bedingungen gehabt, um die Bombe für die Entschärfung vorzubereiten. Von Mittwoch an sollen die Fähren zwischen Usedom und Wollin wieder normal übersetzen - zwei Tage früher als ursprünglich geplant.
Taucher erprobten Verfahren seit 2015
Am Montag war es den Tauchern der Marine gelungen, die Bombe mit Hilfe eines Unterwasser-Sauggeräts von Sand zu befreien und teilweise auszugraben. Sie hätten die guten Bedingungen unter Wasser genutzt. Die Bombe sollte mittels einer Deflagration unschädlich gemacht werden - einem Verfahren, das polnische Marinetaucher seit 2015 schon bei mehreren Unterwasser-Blindgängern im Hafen von Swinemünde ausgeführt haben. Dabei wird die Sprengladung kontrolliert abgebrannt, so dass es statt zu einer Detonation nur zu einer Verpuffung kommt. Rund 750 Einwohner aus der unmittelbaren Umgebung des Fundorts der Weltkriegsbombe mussten für die Zeit der Arbeiten in Sicherheit gebracht werden.
Sechs Meter lange Bombe mit 2,5 Tonnen Sprengstoff
Bei dem Blindgänger handelte es sich um eine britische "Tallboy"-Bombe. Der "große Junge" ist mehr als sechs Meter lang, wiegt gut fünf Tonnen und ist mit knapp 2,5 Tonnen Sprengstoff befüllt. Diese Waffe wurde im Zweiten Weltkrieg von der Royal Air Force gegen besonders schwere Ziele wie Bunker oder Kriegsschiffe eingesetzt - so mutmaßlich auch in Swinemünde.
"Die Stadt wird nicht normal funktionieren"
Der "Tallboy" lag in der Fahrrinne Swinemünde-Stettin (Szczecin) in der sogenannten Kaiserfahrt, einem Kanal im Stadtteil Karsibór südlich des Stadtzentrums der 41.000-Einwohner-Stadt, der die Swine mit dem Stettiner Haff verbindet. Die Stadt hatte um den Fundort eine Sperrzone mit einem Radius von 2,5 Kilometern eingerichtet. Die Fährlinie zwischen Swinemünde und Karsibór - nur einen Steinwurf vom Fundort entfernt - wurde während der Arbeiten zwischen 7 und 17 Uhr gesperrt. Durch die Kaiserfahrt durften keine Schiffe fahren.
Polnische Spezialisten mit "beispielloser Operation"
Die Neutralisierung des "Tallboys" wurde von Einsatzkräften der polnischen 8. Flottille der Küstenverteidigung durchgeführt. Die Spezialisten hatten sich seit dem Fund des Blindgängers bei Ausbaggerungsarbeiten vor rund einem Jahr akribisch auf den Einsatz vorbereitet. Dazu wurde die Fahrrinne zunächst nach weiteren Blindgängern abgesucht. Tatsächlich wurden eine britische 425-Kilogramm-Bombe sowie eine deutsche Wasserbombe mit einer Ladung von 125 Kilogramm entdeckt und im Sommer erfolgreich entschärft.
"Tallboy" galt mutmaßlich dem Panzerschiff "Lützow"
Swinemünde war im Zweiten Weltkrieg mehrfach das Ziel alliierter Bombenangriffe, bei denen Tausende Menschen ums Leben kamen. Der Einsatz der "Tallboy"-Bombe galt vermutlich dem deutschen Panzerschiff "Lützow", das im April 1945 nicht weit vom Fundort der Bombe in der Kaiserfahrt lag. Am 16. April wurde das 186 Meter lange Schiff der "Deutschland"-Klasse dort von britischen Bombern attackiert. Laut historischen Quellen kamen seinerzeit auch "Tallboys" zum Einsatz. Eine dieser Bomben soll durch einen Nahtreffer den Rumpf der "Lützow" 20 Meter weit aufgerissen haben. Das Schiff sank und kippte gegen die Uferböschung, entging aber zunächst seiner vollständigen Zerstörung, die am 4. Mai durch Selbstsprengung erfolgte.
